Menden/Lippstadt. Autonome Kleinbusse, vernetzte Angebote für Carsharing und E-Bikes, optimale Anbindung an Bahn und Umland: Das ist das Projekt „Landmobil 2025“.
In Südwestfalen wird die Zukunft der Mobilität im ländlichen Raum geplant. Das von den Stadtwerken Menden, der TU Dortmund und der Märkischen Verkehrsgesellschaft initiierte Vorhaben beginnt Anfang 2020 mit der Suche nach einem Modelldorf.
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Für „Landmobil 2025“ haben die Stadtwerke namhafte Kooperationspartner gefunden: Mit im Boot sind neben der TU und der MVG der Automobilzulieferer Hella, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), die EDAG Engineering GmbH und die Telekommunikationsgesellschaft Mark (Telemark). Die Verhandlungen mit einem auf Elektromobilität spezialisierten Automobilhersteller aus NRW laufen. Insgesamt soll sich das Investitionsvolumen auf etwa 40 Millionen Euro belaufen.
„Die Menschen müssen überhaupt noch von A nach B kommen“
„Die Mobilität der Zukunft wird auf dem Land anders aussehen als in den Metropolgebieten. In den Großstädten geht es darum, die Verhältnisse zu optimieren und den Verkehrsinfarkt zu vermeiden“, sagt Prof. Dr.-Ing. Torsten Bertram von der TU Dortmund. „Die Anforderungen in den ländlichen Regionen sind ganz anders. Dort muss gewährleistet sein, dass die Menschen überhaupt von A nach B kommen. Dafür benötigen wir innovative Mobilitätskonzepte.“
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Diese soll „Landmobil 2025“ liefern. Das ist der Plan: Die Bewohner des Modelldorfes können per App die für sie optimale Mobilitätslösung auswählen. Zur Verfügung stehen: ein fahrerloser Kleinbus, der aber nicht wie bei anderen Projekten immer dieselbe Strecke fährt, sondern autonom den Kunden und sein Ziel ansteuert; E-Bikes für kürzere Strecken; Elektroautos für Carsharing. Und konventionelle Taxis, die im Notfall eingesetzt werden können. Die Nutzer zahlen für die App, nicht für den einzelnen Transport.
„Langfristig betrachtet, ist Mobilität extrem wichtig. Sie muss zur Verfügung gestellt werden, insbesondere im ländlichen Raum, damit er nicht abgehängt wird“, sagt Dr.-Ing. Hans Theo Dorißen, für den Technologietransfer zuständiger Vize-Präsident von Hella. „Damit verbindet sich zum Beispiel die Frage: Werden wir für den konventionellen Betrieb des ÖPNV in einem 24-Stunden-Angebot an sieben Tagen in der Woche überhaupt genug Busfahrer haben?“
Ist das Zukunftsmusik? Ja, schon. Aber trotzdem nicht mehr weit weg. Die Einzelheiten:
Die Herausforderung
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Ohne eine moderne Infrastruktur kann „Landmobil 2025“ nicht gelingen. Das bedeutet: Das Modelldorf und alle Folgeprojekte benötigen eine lückenlose Versorgung mit dem Mobilfunkstandard 5G.
Wichtig ist es aber auch zu erfahren, wie der Kunde reagieren wird. Es liegt in der Natur der Sache, dass es momentan noch mehr offene Fragen als Antworten gibt. Beispiel: Betreten die Menschen überhaupt einen fahrerlosen Bus – oder haben sie Angst? Nutzen die Bewohner die vernetzten Angebote oder steigen sie doch wieder in ihr eigenes Auto? Wie lässt sich die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer gewährleisten? Und was ist mit dem Datenschutz? Schließlich wird es nötig sein, Bewegungsprofile der Teilnehmer zu erstellen.
Das Dorf
Im kommenden Jahr wollen die Projektpartner ein Modelldorf für „Landmobil 2025“ auswählen. Dörfer aus Südwestfalen können sich Anfang 2020 bewerben. Sie müssen einige Voraussetzungen erfüllen: So müssen etwa die Straßen breit genug sein, damit sie von autonom fahrenden Kleinbussen überhaupt befahren werden können. Das Dorf sollte zudem in der Nähe eines Bahnhofes liegen, um die Anbindung an die „große weite Welt“ zu gewährleisten.
Die Bewohner sollten sich auf Bauarbeiten einstellen, zum Beispiel wenn Glasfaserkabel verlegt wird. Über einen Beirat werden sie in die Planungen eingebunden und können ihre Bedenken mitteilen. „Fest steht: Das wird das mutmaßlich am besten vernetzte Dorf in Südwestfalen“, sagt Matthias Thelen, Projektleiter bei den Stadtwerken Menden.
Die Partner
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Das sind keine Klitschen: Den Mendener Stadtwerken und der TU Dortmund ist es als maßgeblichen Initiatoren des Projekts gelungen, namhafte Partner für „Landmobil 2025“ zu gewinnen.
Der Automobilzulieferer Hella (Jahresumsatz sieben Milliarden Euro; 39.000 Mitarbeiter) wird vor allem seine Kompetenzen bei der Innenraum-Überwachung des autonomen Kleinbusses und der Außensensorik einbringen.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) widmet sich vor allem Forschungsfragen der individuellen Akzeptanz. Zudem hat es Erfahrungen in der Verkehrsflusssimulation zu bieten.
Bei der Edag Engineering GmbH arbeiten mehr als 8000 Ingenieure an der Entwicklung von Fahrzeugen, Produktionsanlagen sowie Elektrik und Elektronik. Für „Landmobil 2025“ soll die Edag Fragen der Benutzerfreundlichkeit klären.
Die Telekommunikationsgesellschaft Mark (Telemark) betreibt mit einem Kupferkabel- und Glasfasernetz eine eigene, unabhängige Kommunikationsinfrastruktur im Märkischen Kreis. „Die Telemark soll das für das autonome Fahren erforderliche 5G-Mobilfunknetz zur Verfügung stellen“, sagt Bernd Reichelt, Geschäftsführer der Mendener Stadtwerke.
Die Märkische Verkehrsgesellschaft (MVG) betreibt das Busnetz im Märkischen Kreis. Ihre Leitstelle soll die autonom fahrenden Kleinbusse organisieren und beaufsichtigen.
Und nun?
Nach der Auswahl des Modelldorfes soll das Projekt im Sommer 2020 starten. „Die ersten Fahrversuche planen wir für 2021“, sagt Prof. Dr.-Ing. Torsten Bertram. Zunächst ist „Landmobil 2025“ im ersten Schritt auf vier Jahre angelegt. „Aber dann sind mit Sicherheit nicht alle Fragen beantwortet. Zu den Olympischen Spielen 2032 im Ruhrgebiet wollen wir zeigen, was wir können...“ Unabhängig davon bewirbt sich „Landmobil 2025“ auch für Mittel des NRW-Förderprogrammes „Regionale 2025“. Den ersten von drei dafür erforderlichen Sternen hat das Projekt bereits erhalten.
Und was haben Sie davon?
Auch wenn Sie nicht im Modelldorf wohnen, und auch, wenn Sie nicht auf dem Land leben: Das Projekt soll Erkenntnisse bringen, die der Mobilität von morgen insgesamt auf die Sprünge helfen können. „Es handelt sich um ein Entwicklungs- und Forschungsprojekt“, sagt Prof. Bertram. Deshalb soll beispielsweise das reale Dorf an ein virtuelles Dorf gekoppelt werden, um die Übertragbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten. Das klingt schon ziemlich futuristisch – aber nicht undenkbar.