Hochsauerland. In wenigen Tagen wird der A-46-Abschnitt von Bestwig nach Nuttlar freigegeben. Wirtschaft und Tourismus verbinden Hoffnungen mit der Autobahn.

Der Begriff Mammutprojekt wird häufig gebraucht, wenn es um große, wichtige und teure Vorhaben geht. Im Fall der Verlängerung der Autobahn 46 zwischen Bestwig-Velmede und Nuttlar trifft dies ohne Zweifel zu. Dabei handelt es sich um lediglich 5,6 Kilometer Autobahnspur und rund drei Kilometer Ausbau der Bundesstraße 480 in Richtung Tunnel Olsberg.

Der Countdown läuft. Am 18. November soll der Verkehr erstmals über dieses Stück Straße rollen. Für die Unternehmen und die Tourismuswirtschaft in der Region sind damit Hoffnungen verbunden. In wieweit sie sich erfüllen, wird man in ein paar Wochen sagen können.

Der Unternehmer

Die Spedition Häger ist ein Unternehmen, das den Bau gewissermaßen hautnah erlebt hat. Der Betrieb ist unterhalb des heutigen Autobahn-Endes bei Bestwig beheimatet. Leicht zu finden. „Wir waren bisher immer der Ort am Ende des Staus“, erklärt Geschäftsführer Bernd Häger die Lage – mit einem Schuss Humor. Ernsthaft sieht Häger im Weiterbau der Brücke „einen Quantensprung“. Logistisch sei sie ein Gewinn – für eine Spedition nachvollziehbar.

Mit Prognosen ist es so eine Sache, das wissen diejenigen am besten, die im Laufe des Jahrzehnte währenden Vorlaufs zum Projekt immer wieder auf eine schnellere Umsetzung getippt hatten. Der Fachmann ist nicht bange, auch einen Tipp abzugeben: „An bestimmten Tagen sparen Sie 15 bis 20 Minuten Fahrzeit“, schätzt Häger.

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Bewahrheitet sich die Prognose, ließe sich für den Logistikexperten der Zeitgewinn auch in Euro und Cent umrechnen. Ganz unrealistisch dürfte die Schätzung nicht sein. Fließt (oder steht) der Frachtverkehr heute noch gemeinsam mit anreisenden Touristen ab der A46 Ausfahrt auf der B7 durch Bestwig und Velmede in Richtung Olsberg, fällt dieses Nadelöhr in Zukunft weg. „ich nehme an, dass sich der Verkehr vor Olsberg aufteilen wird. Die Lkw sind eher in Richtung Brilon, die Touristen eher in Richtung Olsberg/Winterberg unterwegs.“

Der IHK-Experte

Thomas Frye kümmert sich bei der Industrie- und Handelskammer Hellweg-Hochsauerland als Geschäftsbereichsleiter um Standortpolitik, Innovationen und Umwelt und verfolgt die Geschichte des A46-Ausbaus von Berufs wegen wegen seit Jahren. Aus Sicht der Wirtschaft handelt es sich ja schon deswegen um ein Mammutprojekt, weil die ersten Überlegungen zum Ausbau bereits in den 60er-Jahren begonnen haben sollen. Also sozusagen in der Steinzeit. Jedenfalls ein zäher Prozess. Allein vom ersten symbolischen Spatenstich bis heute sind über zehn Jahre vergangen.

Die Verlängerung der A46 „ist ganz entscheidend für den östlichen Hochsauerlandkreis“, sagt Frye mit Blick auf „den wichtigen Industriestandort Brilon“ und damit über das Stück Straße hinaus, das am 18. November eröffnet werden soll. Eine weitere Verlängerung der A46 bis Brilon, wie sie in grauer Vorzeit einmal angedacht war, hält der IHK-Experte heute für unrealistisch. Einen Ausbau der Bundestraße von Nuttlar vorbei an Antfeld und Altenbüren dagegen für notwendig und machbar: „Im Prinzip besteht hier Konsens.“ Was das in Jahren ausgedrückt heißt? Schwierig zu sagen. An eine kreuzungsfreie „2+1-Lösung“ wird gedacht. Also den Ausbau der Bundesstraße mit wechselseitigen Überholmöglichkeiten.

Zurück zur Gegenwart: Bei der Prognose für die Beschleunigung durch das neue Teilstück pendelt sich Frye in der Nähe des Spediteurs Bernd Häger ein: „10 bis 15 Minuten“.

Der Touristiker

Das könnte auch die Beschleunigung sein, mit der Touristen sich in Zukunft von der A46 kommend auf die Sportregion Winterberg zu bewegen. Nur dürften sie durch die Einflugschneise Nuttlar-Olsberg-Winterberg am Ende nicht viel schneller am Lift stehen. „Es wird mit Sicherheit eine Erleichterung in der Anreise für die Gäste geben, vielleicht an 330 Tagen im Jahr“, schätzt Michael Beckmann, Geschäftsführer der Winterberg Touristik und Wirtschaft GmbH. An bestimmten Freitagen vielleicht auch nicht. „Mal sehen, ob sich der Stau dann nicht nur um 15 Kilometer verschiebt“, sagt Beckmann. Das Nadelöhr wäre dann nicht mehr Bestwig, sondern die Strecke ab Tunnel Olsberg bis in den Kreisel nach Winterberg.

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Es könne sogar sein, dass noch mehr Verkehr als zuletzt angezogen wird. Die alleinige Lösung für die Verkehrsprobleme bei der Anreise Richtung Tourismusmagnet Winterberg ist der Brückenschlag von Bestwig nach Nuttlar nicht. „Unser Ziel ist es, mehr Verkehr nach Winterberg auf die Schiene zu bringen“, erklärt Beckmann. Und hier gibt es Neues: In diesem Winter wird ein Zug von Oberhausen durch das Ruhrgebiet nach Winterberg fahren. Drei Stunden soll der unterwegs sein.

Durch Verbesserungen auf der Schiene, aber auch durch den Ausbau auf der Straße beurteilt Beckmann es so: „Wir rücken schon deutlich näher an unsere Quellmärkte heran.“ Dennoch bleibe einiges zu tun. Noch sei die Anreise per Bahn zu unbequem, jedenfalls für Wintersportler, auch wenn es vom Bahnhof im sauerländischen Zentrum des Wintersports einen Shuttleservice zu den Pisten gibt. An Verbesserungen wird gearbeitet.

Und auch für die Straße gibt es Pläne: An Hauptanreisetagen wird die B480 trotzt der A46-Verlängerung vor Winterberg verstopft sein. Auch der Schleichweg über Siedlinghausen hilft da nicht, weil er auch zum Kreisel am Ortseingang führt. Eine weiträumige Umfahrung über Meschede-Eslohe-Schmallenberg wäre aus Beckmanns Sicht eine Variante. Die Abstimmung mit den betroffenen Gemeinden kommt allerdings fast einer Mammutaufgabe gleich.

Mehr rund um die Eröffnung der A46 bei Bestwig lesen Sie unter wp.de/A46