Hagen. . Das Landgericht Dortmund hat erneut eine Klage des Automobilzulieferers TWB-Prevent gegen VW zurückgewiesen. Leidtragende sind die Beschäftigten.

Der Streit zwischen der Automobilzulieferer-Gruppe Prevent und dem Volkswagenkonzern beschäftigt weiter die Justiz. Am Mittwoch erlitt Prevent die nächste Niederlage im seit 2015 andauernden Machtkampf mit Deutschlands größtem Autobauer. Das Landgericht Dortmund wies eine Klage gegen die Kündigung von Lieferverträgen für Sitzschalen aus dem TWB-Prevent-Werk in Hagen als unberechtigt zurück. Ab dem 1. April wird der Konzern keine Teile mehr aus Westfalen verbauen.

Auftakt des Gefechts in Brasilien

Prevent bleibt noch die Möglichkeit, zum Oberlandesgericht nach Düsseldorf, im Zweifel sogar bis zum Bundesgerichtshof in Karlsruhe zu ziehen. Das Unternehmen im Besitz der bosnischen Familie Hastor war bislang vor allen Gerichten gegen VW unterlegen.

Dem Standort in Hagen mit seinen 460 Beschäftigten, um den es am Mittwoch ging, nutzt auch ein Gang in die zweite Instanz nichts mehr. Stand heute sollen dort knapp 300, meist langjährige Mitarbeiter das Unternehmen verlassen. Über eine Transfergesellschaft und nicht eben üppige Abfindungsregelungen wurde in den letzten Monaten zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat reichlich gestritten. Sogar der örtliche Vertreter der Industriegewerkschaft Metall ist bei der Belegschaft in Ungnade gefallen, weil sie sich von der Gewerkschaft nicht angemessen in der Auseinandersetzung mit der Geschäftsführung unterstützt fühlt. Nachdem die IG Metall in 2018 einige Neumitglieder geworben hatte, sei nicht mehr viel passiert.

Unverschuldet in die Situation gekommen

Enttäuschung auf allen Ebenen, an Gerechtigkeit ist kaum noch zu glauben, dabei sind die Männer an den Maschinen von TWB unverschuldet in die Mühlen des 2015 in Brasilien begonnenen Machtkampfes der Prevent-Eignerfamilie Hastor mit dem jahrzehntelangen Geschäftspartner VW geraten, der sich 2016 mit Lieferstopps und dem Super-Gau, Bänderstillstand bei VW, fortsetzte.

VW reagiert seitdem allergisch auf das Geschäftsgebaren der Prevent-Spitze. Die habe im Fall TWB im Januar 2018 VW die Preise drastisch erhöht – dem Vernehmen nach um 700 Prozent als eine Art Aufschlag für die eigentlich erst Jahre später auslaufenden Verträge. Eine Provokation, auf die man in Wolfsburg im März vergangenen Jahres mit Kündigung der Verträge zur Lieferung von rund zwei Millionen Sitzschalen für Seat, Skoda, Audi und VW zum 31. März 2019 reagierte – und mit dem Aufbau von neuen Kapazitäten bei anderen Zulieferern. „Nach der ordentlichen Kündigung haben wir alternative Bezugsquellen aufgebaut, gegenüber diesen wir jetzt im Wort stehen“, erklärte das Unternehmen auf Anfrage dieser Zeitung, dass sich das Rad an dieser Stelle nicht einfach zurückdrehen ließe.

Seit 2010 in der Preventgruppe

Das Unternehmen TWB-Presswerk wurde 2010 von der Pre­ventgruppe übernommen.

Eigens für die neue MQB-Plattform des VW-Konzerns wurden Sitzlehnen entwickelt und gefertigt - leicht und hochpräzise. VW ist mit 75 Prozent Produktionsanteil Hauptkunde von TWB.

Für das Werk in Hagen bedeutet dies den Verlust von Dreiviertel der Produktion. Über Jahre wurde die von TWB entwickelte Innovation geliefert. Das Knowhow wurde damals dem Volkswagenkonzern überlassen. Dafür gab es eine Garantie, zu 100 Prozent Lieferant zu werden. Sehr leichte und mit Lasertechnik extrem präzise gefertigte Sitzlehnen wurden für die Plattform MQB angefertigt. Auch die neue Generation, die MEB-Plattform, auf der künftig die elektrifizierten Fahrzeuge gebaut werden, scheint stark an diese Technik angelehnt zu sein – nur werden die Schalen in Zukunft eben nicht mehr in Hagen gebaut.

Die Auseinandersetzung zwischen Prevent und VW verdeutlicht ein Dilemma in der Automobilbranche. Für aufwendig produzierte Teile – dazu gehören auch die Crash relevanten Sitzschalen aus Hagen – haben die meisten Konzerne nur noch einen Zulieferer, um Kosten für Entwicklung und Produktion von Werkzeugen zu sparen. Zulieferer und Autohersteller sind bei Entwicklung und Produktion heute mehr denn je abhängig voneinander und gut beraten, trotz harter Preisdiskussionen miteinander zu kooperieren. (Weiterlesen: Tumulte bei der Betriebsversammlung von TWB in Hagen)

Ein neuer Eigentümer würde helfen

Für den Volkswagenkonzern ist dies in Bezug auf Prevent nach beinahe 50 Jahren Geschäftsbeziehungen für die Zukunft aber undenkbar. „Wir sind aber grundsätzlich bereit, einen potenziellen neuen Eigentümer von TWB bei zukünftigen Ausschreibungen zu berücksichtigen“, erklärt der Volkswagenkonzern. Für den Hagener Standort aber allenfalls eine mittelfristige Option, falls die bosnische Prevent-Eigentümerfamilie Hastor denn überhaupt verkauft, solange gerichtlich theoretisch noch Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden können.

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Dass das Unternehmen TWB, die Produktion und nicht zuletzt die Fachkräfte immer noch einen hohen Wert haben, spiegelt das Interesse des US-amerikanischen Automobilzulieferers Fisher Dynamics wider, der seinen deutschen Sitz in Wuppertal hat. Allerdings versucht Fisher Dynamics offenbar bislang vergeblich, mit Prevent in Kauf-Gespräche einzutreten. Die Zukunft eines einzelnen Standortes scheint für die Eigentümer der Prevent-Gruppe beim Machtkampf mit dem Automobilriesen nach wie vor keine Rolle zu spielen.