Hagen. . Im Machtkampf mit VW drohen bei TWB in Hagen mehr als 300 Stellen wegzufallen. Jetzt fordert die IG Metall einen Sozialplan für die Betroffenen.
Bei der IG Metall herrscht angesichts des zu erwartenden Urteils aus Düsseldorf in Sachen TWB-Prevent gegen Volkswagen Alarmstimmung. „Wir müssen uns auf den schlimmsten Fall vorbereiten“, so Gewerkschafts-Chef Jens Mütze.
Konkret: Die IG Metall wird mit der TWB-Prevent-Geschäftsführung in Verhandlungen über einen Sozialplan eintreten. Denn wenn die VW-Aufträge wegbrechen, sind mehr als 300 Arbeitsplätze in der Sedan-Straße in Gefahr. Mütze formuliert klare Erwartungen an die Prevent-Geschäftsführung: „Sie muss jetzt sehr, sehr aktiv nach neuen Aufträgen suchen.“
Machtkampf mit VW: IG Metall sieht Politik in der Pflicht
Polizei sieht in Demo Ordnungswidrigkeit
Die Düsseldorfer Polizei war mit zwei Bullis vor Ort und wird eine Ordnungswidrigkeiten-Anzeige vorlegen: Wegen Verstoßes gegen das Versammlungsverbot.
Die Demonstration der TWB’ler war nicht angemeldet. Die Treppen vorm OLG-Gebäude mussten geräumt, die IG-Metall-Kappen im Gericht abgenommen werden.
Allerdings sei es unrealistisch zu glauben, dass schon bis März 2019 das VW-Volumen, das wohl 70 Prozent des Gesamtaufkommens ausmacht, durch neue Aufträge auszugleichen sei. „Ich sehe auch die Politik in der Pflicht, schon jetzt – auch in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsministerium – Wege zu finden, dass wir die Kollegen qualifizieren und schnell in neue Jobs vermitteln können“, sagt Mütze.
„Wenn so viele Arbeitsplätze wegzufallen drohen, müssen alle zusammenarbeiten. Das steckt eine Stadt wie Hagen nicht einfach so weg.“ VW und TWB-Prevent wollten den gestrigen Prozesstag auf WP-Anfrage nicht kommentieren.
Stimmung in der Belegschaft auf dem Tiefpunkt
Der Streit zwischen dem Hagener Automobilzulieferer Prevent TWB und dem mächtigen Volkswagenkonzern war am Mittwoch in zweiter Instanz am Oberlandesgericht Düsseldorf ausgefochten worden. Zwar wurde ein Termin zur Verkündung einer Entscheidung erst auf den 14. November
festgesetzt – doch der Vorsitzende des Kartellsenats, Prof. Dr. Jürgen Kühnen, machte im voll besetzten Saal bereits sehr deutlich, dass TWB auch diesmal nicht obsiegen wird. Mit anderen Worten: Es sieht düster aus für den Hagener Standort.
„320 Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel.“ Orhan Aksu (39), der neue Betriebsratsvorsitzende bei Prevent TWB, schätzt die Lage realistisch ein: „Die Stimmung im Betrieb ist auf dem Tiefpunkt. Die Kollegen machen sich Sorgen um ihre Familien. Da sind große Existenzängste.“
Mit vier Bussen nach Düsseldorf
Am Morgen hatten sich rund 200 Mitarbeiter des mittlerweile zur Prevent-Gruppe gehörenden Traditionsunternehmens an der Sedan-straße mit vier Bussen auf den Weg in die Landeshauptstadt gemacht. Die Belegschaft, ausgestattet mit gut sichtbaren IG-Metall-Fahnen, Spruchtafeln, lauten Tröten und knallroten Gewerkschafts-Kappen, zeigte sich noch kampfbereit.
Vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf geht es darum, ob der Volkswagen-Konzern im Schnellverfahren verpflichtet werden kann, auch über März 2019 hinaus die Geschäftsbeziehungen mit TWB in Hagen fortzusetzen. Im Frühjahr hatte VW alle Aufträge gekündigt, obwohl eigentlich eine vertragliche Laufzeit bis ins Jahr 2024 vereinbart war. Eine von Prevent TWB beantragte Einstweilige Verfügung sollte den Automobilbauer noch kurzerhand in seinem Vorhaben ausbremsen. Doch bereits in der ersten Instanz vor dem Landgericht Dortmund war das Hagener Unternehmen gescheitert. Die Handelssachen-Kammer lehnte den Erlass einer Einstweiligen Verfügung ab. Die OLG-Instanz sieht das genauso. Senatsvorsitzender Kühnen: „Wir sind der Meinung, dass eine Vertragserfüllung nicht im Hau-Ruck-Verfahren erzwungen werden kann.“
Geschäftsbeziehung seit 90er-Jahre
Seit Mitte der 90er-Jahre beliefert TWB den VW-Konzern mit Rücksitzlehnen, gut 50.000 Stück pro Woche. Eigentlich gab es auch keine Schwierigkeiten. Sowohl Qualität als auch Lieferumfang und Lieferzeiten scheinen immer gestimmt zu haben. Allerdings ist das Hagener TWB-Werk in den Strudel um die heftige Auseinandersetzung zwischen der Prevent-Gruppe und dem VW-Konzern geraten.
Andere Firmen des Prevent-Konzerns hatten VW im Jahr 2016 wegen unterschiedlicher Preisvorstellungen nicht mehr beliefert – das hatte zu Produktionsstopps und einem hohen Schaden bei VW geführt. Die erklärte Absicht des Volkswagen-Konzerns ist seitdem: die Geschäftsbeziehungen zu Prevent zu kappen und neue Zulieferer-Strukturen aufzubauen. „Solange wir Prevent heißen“, sagt TWB-Betriebsratsvorsitzender Aksu, „gibt es für uns in der Automobilbranche nichts mehr zu holen.“
Anwalt macht keine Hoffnung
Bei den Beschäftigten von TWB ist die Frustration groß – von der juristischen Auseinandersetzung hatte man sich zumindest erhofft, dass VW noch für einen gewissen Zeitraum zur Abnahme verpflichtet werden könnte. Dann wäre auch mehr Zeit gewesen, um neue Kunden zu akquirieren. Ob man sich zwischenzeitlich überhaupt schon um neue Abnehmer gekümmert habe? Dazu wollte Prevent dem Senat nichts sagen. Das sei „ein Geschäftsgeheimnis“.
Der Anwalt von Prevent TWB, Dr. Achim Wagner (Düsseldorf), will die nunmehr entstandene Situation aber nicht schönreden: „Mit dem 31. März nächsten Jahres fällt das Unternehmen runter. Aus. Ein Jahr ohne Umsatz heißt: Der Betrieb ist platt.“
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