Hagen/Düsseldorf. . Ina Scharrenbach ist die erste Landes-Heimatministerin. Wir haben mit ihr über Heimat gesprochen – und wollen auch Ihre Meinung wissen!
- Was Ina Scharrenbach mit Heimat verbindet
- Ministerin spricht über Prägungen der Kindheit
- 40-Jährige stellt Ziele des ersten NRW-Heimatministeriums vor
Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung, spricht in ihrem ersten großen Interview mit der WESTFALENPOST (schließlich ist unser Slogan "Stimme der Heimat – Echo der Welt") über die Aufgaben und Ziele des Heimatministeriums.
Warum brauchen wir ein Heimatministerium?
Ina Scharrenbach: Weil die Welt immer unübersichtlicher wird und sich die Menschen nach Überschaubarkeit sehnen.
Wie viele Menschen arbeiten im Ministerium für die Heimat?
Scharrenbach: Wenn dieses Haus zusammengewachsen ist, werden es rund 300 Frauen und Männer sein.
Was verbinden Sie mit Heimat?
Scharrenbach: Mein Zuhause, meine Stadt, aus der ich komme. Das ist für mich meine Heimat.
Können Sie das näher ausführen?
Scharrenbach: Für Heimat gibt es keine allgemeingültige Erklärung.
Für die einen ist es der Geburtsort, für die anderen Deutschland....
Scharrenbach: Es ist für jeden unterschiedlich. Neben meiner Heimatstadt Kamen sind es meine Familie, meine Freunde. Auch die Bevölkerung. Ich war mehr als 15 Jahre im Stadtrat aktiv. Heimat ist wie ein Mosaik aus vielen Steinen.
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Stimme der Heimat, Echo der Welt, Sie sprechen mit Joachim Karpa von der Westfalenpost. Ich melde mich so am Telefon, wie unser Anspruch auf der Titelseite formuliert wird. Ich ernte Gelächter.
Scharrenbach: Ernsthaft?
Ja, es klingt offenbar wie aus der Zeit gefallen. Wie hört sich das für Sie an? Altmodisch? Antiquiert?
Scharrenbach: Wir finden, Heimat erlebt eine Renaissance. Auch bei jüngeren Menschen. Sie beschäftigen sich damit. Heimat hat eine Zukunft.
Was bedeutet aus Ihrer Sicht Heimat für die Menschen?
Scharrenbach: Heimat ist Anker. Heimat hält fest, gibt Struktur, ist Vertrautes. Abseits von der Unordnung in der Welt gibt sie Halt.
Und Sie versuchen mit dem Heimatministerium der grenzenlosen Globalisierung gegenzusteuern?
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Scharrenbach: Die Stadtentwicklung und die Städtebauförderung bieten Möglichkeiten, Raum für die Heimat, für die Gestaltung der Heimat zu geben. Und mit dem Bereich Kommunales haben wir die Chance, die Steigerung von Lebensqualität vor Ort zu fördern. Gut daran ist: Beide Ressorts, Kommunales und Bauen, haben in der Regel eine hohe Bürgerbeteiligung. Hier können Bürgerinnen und Bürger ihre Heimat mitgestalten. Die Bürgerbeteiligung ist ein Schlüssel, um die Heimatverbundenheit zu stärken.
Dass die Nazis, den Begriff mit Blut und Boden verseucht haben, stört Sie nicht?
Scharrenbach: Warum? Den Begriff Heimat trägt jeder in sich. Den sollte man politisch nicht ideologisch belegen – wie auch immer. Wir beschäftigen uns damit: Was ist Heimat für Kinder und Jugendliche? Was ist Heimat für Ältere? Hier kommen die Traditionen ins Spiel. Sei es im Schützenwesen, bei Brauchtumsvereinen oder in der Feuerwehr: Sie alle geben dem Ort, den Menschen Struktur. Das ist unsere Aufgabe, dies in den nächsten fünf Jahren politisch zu beleben.
Eng verbunden mit dem ländlichen Raum?
Scharrenbach: Nicht nur. Heimat ist genauso gut Stadt, das Stadtviertel, in dem man sich bewegt und lebt.
Haben Sie sich schon mit dem bayerischen Heimatminister Söder ausgetauscht?
Scharrenbach: Nein, noch nicht.
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Er hat das Heimatministerium mit 100 Mitarbeitern in seine Heimatstadt Nürnberg verlegt.
Scharrenbach: Das haben wir nicht vor. Das Ministerium zieht nicht nach Kamen. Wir ziehen innerhalb von Düsseldorf um. Noch sitze ich im künftigen Amtszimmer von Ministerpräsident Armin Laschet. Fühlen Sie sich also geehrt.
Immer doch. Gibt es Ansätze, Defizite im ländlichen Raum wie bei den Medizinern, mit besonderen Stipendien zu fördern?
Scharrenbach: Wir haben einen Trend in die Städte. Wir wollen den Masterplan Medizinstudium 2020 der Bundesregierung umsetzen. Das bedeutet, die Landarztquote im Rahmen des Medizinstudiums einzuführen. Und, wir werden die Restriktionen unserer Vorgängerregierung im Landentwicklungsplan zurücknehmen, um Kommunen mehr Selbstständigkeit zurückzugeben.
Haben Sie Ihre Heimat schon einmal vermisst?
Scharrenbach: Ja, sicher. Ich vermisse dann alles. Die Farben, die Menschen. Sie haben im östlichen Ruhrgebiet einen besonderen Schlag.
Was hat ihre Kindheit geprägt?
Scharrenbach: Mein Bruder und ich sind im elterlichen Betrieb, einer Gärtnerei, aufgewachsen. Das hat uns stark beeinflusst.
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Gibt es ein Gericht, das Sie mit Heimat verbinden?
Scharrenbach: Es gab dicke Bohnen, aber die mochte ich damals weniger. Heute esse ich sie gerne. Himmel und Erde ist mein Lieblingsgericht, kann ich immer essen. Es gab auch Kaninchen. Davon haben wir Kinder nie gegessen, weil wir zu Hause auch Kaninchen hatten, und wir nicht wussten, welches es war. Das war schlimm.
Haben Sie einen Lieblingsplatz in ihrer Heimat?
Scharrenbach: Den Möhnesee.
Sie segeln?
Scharrenbach: Nein. Ich wandere gerne.
Der Begriff Heimat regt jedes Gespräch an. Sprechen Sie gerne über Ihre Heimat?
Scharrenbach: Ja.
Was erzählen Sie?
Scharrenbach: Das Kamener Kreuz kennt jeder. Ich sage, dazu gehört eine Stadt. Es lohnt sich, sie zu besuchen. Sie hat eine große Tradition und ist ländlicher als vermutet. Und, wir haben viele Besonderheiten.
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Zum Beispiel?
Scharrenbach: Den schiefen Turm von Kamen, das Wahrzeichen der Stadt.
Nie gehört.
Scharrenbach: Ja, sehen Sie. Fahren Sie mal von der Autobahn ab.
Sie wollen die kommunale Selbstständigkeit stärken? Wie konkret?
Scharrenbach: Ich starte zu einer Heimat-Tour durch die sechs Regionen im Land. So besuche ich zum Beispiel eine Begegnungsstätte zum Thema Zuwanderung in Finnentrop.
Mit welchem Ziel?
Scharrenbach: Ich will die Heimat stärken. Denn wo das Heimatgefühl stark ist, fühlen sich die Menschen wohl und sicher. Wie das im Dialog mit den Verantwortlichen vor Ort gelingen kann, darüber möchte ich mit den Menschen ins Gespräch kommen.
Waren Sie überrascht, dass Sie Ministerin für Heimat geworden sind?
Scharrenbach: Oh ja. Ich habe meine Berufung zwei Tage vor der öffentlichen Bekanntgabe erfahren. Mein Gefühl: Daraus lässt sich etwas machen.
Was?
Scharrenbach: Wir wollen den gewählten Vertreterinnen und Vertretern in den Kreisen und Kommunen neue Freiheiten geben. Das ist wertvoll, weil damit die ehrenamtliche Politik gestärkt werden kann.
Gibt es für die Heimat einen besonderen Etat?
Scharrenbach: Wir arbeiten daran.