Hagen. . Campingurlaub ist so beliebt wie nie zuvor. Mehr denn je ist der Satz der BVB-Legende Adi Preißler übertragbar: „Entscheidend is auf’m Platz.“
- Übernachtungszahlen auf Campingplätzen steigen seit dem Krisenjahr 2009
- Familien wenden sich von Türkei und Ägypten ab – Mallorca wird teurer
- weiterer Grund: Outdoor und Deutschland-Urlaub liegen im Trend
Vorbei die Zeiten, als zwei Ostfriesen vor einem Zelt saßen und der eine plötzlich sagte: „Du, was ist eigentlich Camping?“ Heute sind Ostfriesenwitze out und Camping in. Der Urlaub in Zelten, Wohnwagen und -mobilen ist so beliebt wie nie zuvor - davon zeugen die stetig steigenden Übernachtungszahlen auf Campingplätzen und die Jahresberichte der Caravan- und Reisemobilindustrie. Mehr denn je ist der Satz der BVB-Legende Adi Preißler übertragbar: „Entscheidend is auf’m Platz.“
Der Boom
„Die Entwicklung begann im Krisenjahr 2009 und hält bis heute an“, sagt Thorsten Heuel, einer der führenden Camping-Blogger Deutschlands. In dieser Zeit verdoppelten sich die Zulassungszahlen für Wohnmobile. „Viele Neu-Camper kommen zu uns“, bestätigt Sabine Volkmann, Camp-Managerin des Knaus Campingparks am Hennesee in Meschede, „insbesondere Familien mit Kindern.“ Und nicht nur Urlauber mit Wohnwagen oder Reisemobile, sondern auch Menschen, die „nur“ ein Zelt neben ihrem Pkw aufspannen.
Die Gründe
Die Welt ist nicht sicherer geworden. Junge Familien wenden sich von der Türkei und Ägypten ab und wollen sich nicht mit Preissteigerungen für Ziele wie Mallorca anfreunden. „Es ist nicht nur der Preis“, so Sabine Volkmann, „Outdoor und Deutschland-Urlaub liegen im Trend.“ Die Menschen wohnten immer komprimierter, fernab vom Grünen. Da erinnert man sich an die Natur, will darin die schönsten Wochen des Jahres oder das Wochenende verbringen.
Die Camper
„Für den Boom sorgen vor allem Menschen in oder kurz vor der Rente und Familien mit Kindern“, sagt Thorsten Heuel. Die Älteren wollten das schöne Leben genießen und bei der derzeitigen Zinslage ihr Geld nicht zur Bank bringen, sondern investieren. Zum Beispiel in ein Wohnmobil.
Junge Familien genießen die Freiheit des Campingplatzes: „Gerade, wer sich im Hotel eingeengt fühlt“, so Sabine Volkmann. Kinder fänden schnell Anschluss und verbrächten viel Zeit mit den neuen Freunden. Entspannung pur für die Eltern. „Ein Vater hat mir letztens erzählt, dass er nach langer Zeit wieder ein Buch gelesen hat.“
Das Sauer- und Siegerland
Das Land der tausend Berge und Campingplätze profitiert von der Nähe zum Ruhrgebiet, ist neben den Niederlanden das Zielgebiet. „Ich als Dortmunder“, sagt Blogger Thorsten Heuel, „fühle mich sofort in einer anderen Welt.“ Sabine Volkmann zufolge kann Südwestfalen den Wunsch der Gäste, aktiv zu sein, bestens befriedigen: „Das Angebot für Wanderer und Radfahrer ist groß.“ Aktiv zu sein bedeute hier gleichzeitig zu entschleunigen.
Der Mythos
Der Mythos von Freiheit lebt. „Der sich aber auf einem überfüllten Campingplatz an der Ostsee in den Ferien relativiert“, sagt Thorsten Heuel. Und was ist mit dem Mythos von Freiheit, viele Stunden am Tag auf einem Klappstuhl vor einem Grill in einem Unterhemd zu verbringen? „Es findet sich das dauercampende Pärchen genauso wie die Familie mit dickem Auto“, so Heuel. „Sie erleben die ganze Bandbreite der Gesellschaft.“
Die Betreiber
Auch die Betreiber in Südwestfalen haben in die Qualität investiert. Ein Muss angesichts des wachsenden Angebots hochwertiger und komfortabler Camping-Ausrüstung. „Die Ansprüche sind gestiegen“, sagt Sabine Volkmann. Und das Thema WLAN? „Fast alle haben verstanden, dass dies wichtig ist“, so Thorsten Heuel. „Aber es ist noch eine Baustelle.“
Die Trends
Auf den Plätzen wird es individueller und variabler, „ohne dass es luxuriös sein muss“ (Sabine Volkmann). Der Trend zu anderen Unterkünften zeigt sich in Schlaf-Fässern, Blockhäusern oder Mobilheimen. Betreiber organisieren vermehrt Freizeitprogramme. Der Campingpark am Hennesee veranstaltet in den Sommerferien ein Indianer- und Rittercamp. Im September sind Wanderwochen angesagt. Soeben ist die Mescheder Anlage als erster Campingplatz im Sauerland als „Qualitätsgastgeber Wanderbares Deutschland“ ausgezeichnet worden.
Die Preise
Dem ADAC-Campingführer 2017 zufolge, in dem sich 13 Anlagen in Südwestfalen finden (siehe Grafik), zahlt eine Familie (2 Erwachsene, 10-jähriges Kind) in der mittleren Preiskategorie im Schnitt zwischen 23,70 und 30 Euro pro Nacht. In Italien oder der Schweiz muss man über 45 Euro zahlen.
Die Zukunft
„Wenn die Welt nicht sicherer wird, wird diese Urlaubsform noch wachsen“, glaubt Thorsten Heuel.