Kreis Olpe. . Keine Polin kommt aus Reiselust zu deutschen Senioren. Das Eingewöhnen ohne Sprachkenntnisse ist schwer. Aber das Zusammenleben klappt meist gut.
Ewa will nur noch zurück. „Ich schaffe das nicht.“ Nach Deutschland zu gehen, um dort einen fremden Menschen zu betreuen, ist für polnische Frauen ein Schritt ins Ungewisse. „Ich sage dann immer: Zwei Wochen muss man sich Zeit geben, nach zwei Wochen wird alles anders. Auch wenn die Frauen zu Hause Kurse belegen, weiß ich nicht, ob man sich auf diese Situation wirklich theoretisch vorbereiten kann“, berichtet Halina Majchrowski.
Die 34-Jährige ist Koordinatorin beim CariFair Projekt der Caritas im Kreis Olpe, das in Kooperation mit der polnischen Caritas Betreuungskräfte vermittelt. Sie berät Familien, die nach einer Hilfe suchen, sie sorgt dafür, dass beide Seiten zueinander passen, und sie ist die Ansprechpartnerin für die polnischen Frauen.
Pflegereport Südwestfalen – Alle Folgen
- Folge 1: Pflege – Arbeiten in der Grauzone
- Folge 2: Kosten und Konflikte in der Pflege
- Folge 3: Eine Pflegerin erzählt
- Folge 4: Die Angst vor der Hilflosigkeit
- Folge 5: Eine Familie erzählt (22. Juni)
„Die Familien möchten Mama und Papa so lange wie möglich nicht aus dem Haus geben. Sie sagen: Ich möchte, dass einer bei Mama wohnt und da ist, falls etwas passiert“, beschreibt Halina Majchrowski die Gründe, eine Pflegerin einzustellen. Vor der Vermittlung sind intensive Gespräche notwendig. „Es geht ja nicht nur darum, ob die Polin Deutschkenntnisse hat, es geht auch um den Charakter und dass die Chemie stimmt.“ Im Vorfeld muss bereits geklärt werden, welche Aufgaben die Betreuerin übernimmt.
Ganz wichtig ist es, den Tagesablauf zu strukturieren. „Als erstes legen wir fest, was in einen Arbeitstag gehört. Die Frauen sind Haushaltskräfte, aber das bedeutet nicht, dass sie schwere Gartenarbeiten machen können. Wenn viel pflegerischer Aufwand nötig ist, können sie nicht so viel im Haushalt machen.“ Auch die Pausenzeiten und der freie Tag müssen geklärt werden. Ein weiteres Thema ist die gegenseitige Abgrenzung. „Die betreuten Personen haben große Angst, dass sie keine Privatsphäre mehr haben. Man muss lernen, wo die Grenzen sind, dass man sich nicht zu nahe kommt.“
Meistens im Kinderzimmer
In Einzelfällen gibt es Probleme, wenn etwa Oma betreut werden muss, Opa aber noch fit ist und es zu seiner Aufgabe macht, zu überwachen, ob die Polin ihr Geld auch wirklich verdient und Buch über ihre Tätigkeiten führt.
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Meistens wird das frühere Kinderzimmer für die Pflegerin umgeräumt. Ein Bett, ein Tisch, ein Schrank und ein Fernsehgerät sollten vorhanden sein. „Wir sagen den Angehörigen vorher, dass die Frauen eine Flatrate nach Polen brauchen und WLAN, damit sie mit ihrer Familie skypen können. Das kann wirklich helfen. Das sind in der Regel Frauen, deren Kinder schon groß sind. Keine macht das, weil sie Lust hat zu reisen, die machen das, weil sie es machen müssen.“ Den Familien sollte bewusst sein, dass die Pflegekraft wirklich mit Oma und Opa zusammenleben wird. „Die muss sich auch wohlfühlen. Die muss nicht jeden Tag Lachs essen, aber ich sage immer, sie soll mit zum Einkaufen fahren und dann die Möglichkeit haben, etwas für sich zu kaufen.“
Gegenseitige Hilfe
Halina Majchrowski gibt den Frauen gleich zu Beginn die Telefonnummern von anderen Betreuerinnen in der Nachbarschaft. „Die unterstützen sich gegenseitig. Die Erfahrenen helfen den Neuen. Wir als Caritas organisieren Weihnachten und Ostern Treffen, damit sie sich kennenlernen können.“
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Schwierig wird die Situation, wenn der Pflegebedürftige an fortschreitender Demenz leidet. Wenn die Betroffenen nachtaktiv werden, kann selbst eine 24-Stunden-Betreuung nicht lange durchhalten. „Nachtarbeit, das sind die schlimmsten Fälle. Wenn sich die Schlafstörungen nicht medikamentös beheben lassen, ist das ein Zeichen dafür, dass man andere Lösungen finden muss.“ Auch andere Symptome, die mit einer Demenzerkrankung einhergehen, wie der typische Verfolgungswahn, führen zu großer Angst bei den Frauen, zum Beispiel, wenn sie beschuldigt werden, zu stehlen.
Weit häufiger leben sich aber die Senioren, deren Angehörige und die Betreuerinnen gut ein. Halina Majchrowski: „Manche Familien sitzen sogar zusammen und lernen mit der Pflegerin Deutsch. Dabei kann Oma auch mal etwas geben und muss nicht immer nur nehmen. Das ist sehr schön.“