Hagen. . Welche Konflikte gibt es zwischen Familien und Betreuerinnen? Und was kostet der Einsatz einer Betreuerin? Unsere Pflege-Serie gibt Auskunft

  • Konflikte zwischen ausländischen Betreuerinnen und Familien drehen sich meist um Arbeitszeit und Geld
  • Themen sind dabei, ob die Polin sich sattessen darf und wie lange sie duschen darf
  • Vielen Familien ist nicht klar, dass eine Betreuerin nicht 24 Stunden 7 Tage lang im Dauereinsatz sein kann

Solche Schlagzeilen sind der Horror: Eine slowakische Altenpflegerin steht in Ostwestfalen vor Gericht, weil sie ihre 91-jährige Schutzbefohlene misshandelt hat. „Die Situation ist eskaliert, denkbar ist, dass die Betreuungskraft in der Situation überfordert war“, schildert Claudia Menebröcker vom Caritasverband für das Erzbistum Paderborn. Die Soziologin ist Referentin für den Bereich Altenhilfe und beim Caritasverband zuständig für das Angebot CariFair, das sich für eine faire und legale Beschäftigung ausländischer Betreuungskräfte engagiert. Wir fragen sie, welche Konfliktfelder es im Zusammenhang mit ausländischen Betreuerinnen gibt.

Die Arbeitszeit

Kein Mensch kann 7 Tage lang 24 Stunden am Stück arbeiten, auch keine polnische Hilfe. „Arbeitszeit ist ein schwieriges Thema. Man muss das gut abwägen. Braucht der Hilfebedürftige jemanden, der ihm 24 Stunden lang zur Seite steht? Dann muss man überlegen, wer noch helfen kann. Gerade, wenn jemand an Demenz erkrankt ist, ist die Tagespflege ein ganz wichtiges Thema, um der Betreuerin einmal Luft zu verschaffen“, schildert Claudia Menebröcker.

Die Streitpunkte

Claudia Menebröcker listet typische Gründe für Probleme auf:

  • Was wird gekocht?
  • Schmeckt das so, wie ich das erwarte?
  • Darf die Betreuungskraft so viel essen, dass sie satt wird?
  • Wie lange darf sie duschen, damit sie nicht zu viel Wasser verbraucht?

„Da gibt es ganz viele Konflikte, die zwar banal erscheinen, aber doch zu Auseinandersetzungen führen können. Es gibt Familien, die denken, da kommt ein Engel herangeflogen, und wenn wir ihn nicht mehr brauchen, fliegt er wieder weg. Es sind aber Menschen, die da aufeinandertreffen. Man darf dieses enge Zusammenleben nicht unterschätzen. Auch die Abgrenzung macht Probleme. Man muss die Arbeit der Betreuungskräfte wertschätzen und anerkennen. Das sind keine Dienstmägde. Die Frauen verlassen ihre Familien, um einen anstrengenden Job zu machen. Sie tun das, weil sie in finanzieller Not sind.“

Das Tabu Altenheim

Bei Demenzerkrankungen kommen auch die besten häuslichen Betreuungskräfte an ihre Grenzen, etwa, wenn der Patient nachts nicht zur Ruhe kommt, aggressiv wird oder Wahnzustände hat, zum Beispiel der Betreuerin vorwirft, sie würde ihn bestehlen. In solchen Situationen sind Angehörige und Pflegepersonal häufig überfordert.

Deshalb rät Claudia Menebröcker: „Bei Demenz ist eine stationäre Einrichtung manchmal das bessere Angebot für alle Beteiligten.“ Die Pflegekräfte in den stationären Einrichtungen arbeiten nach geregelten Zeiten und können sich auch ausruhen, bevor sie sich den Bewohnern wieder widmen. „Wir sind nicht fair in dem, wie wir stationäre Einrichtungen bewerten“, so Claudia Menebröcker. „Es gilt als verrufen, Angehörige ins Heim zu geben, wir sagen: Ich will Opa nicht abschieben. Aber es ist einfach eine andere Art der Versorgung. Oma kann ja den ganzen Tag lang Opa in der stationären Einrichtung besuchen, aber sie kann dann Zuhause eben auch wieder richtig schlafen.“

Die Kosten

Bei den Kosten gibt es Unterschiede. Die billigsten Angebote finden sich im Bereich der Schwarzarbeit. Eine Modellrechnung für eine ausländische Betreuungskraft, die legal über CariFair vermittelt wird, lesen Sie in der nebenstehenden Grafik. Claudia Menebröcker: „Man kann einen Teil der Kosten bei der Steuer absetzen, aber mehr geht derzeit nicht. Viele Agenturen ziehen noch Verhinderungspflege in ihren Berechnungen ab, aber die kann man nicht ohne Weiteres geltend machen. Die Musterrechnungen der Agenturen kommen auf 1000 Euro Selbstbetrag pro Monat, aber das stimmt einfach nicht. Doch viele Familien wollen es billiger haben.“

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Familien werden durch neues Gesetz künftig entlastet

Eine deutliche Entlastung für Familien, die ambulant pflegebedürftige Senioren betreuen, verspricht die Änderung des Pflegestärkungsgesetzes in NRW. Im Kapitel „Angebote zur Unterstützung im Alltag“ soll künftig in NRW ein Teil des zustehenden Geldes für die Pflegesachleistung (Paragraph 36) für die Beschäftigung von ausländischen Haushaltshilfen eingesetzt werden können. Die Pflegesachleistungen sind höher als das derzeit gezahlte Pflegegeld.

Weiter können Familien pro Monat 125 Euro Entlastungsbetrag für die Betreuungskraft einsetzen. Allerdings gilt diese Regelung nur für Betreuungskräfte, die nach einem Modell beschäftigt sind, das mit dem Modell der Caritas vergleichbar ist, wo also erstens eine Koordinatorin vor Ort aktiv ist und zweitens die Pflege in Kombination mit einem ambulanten Pflegedienst erfolgt.

Die Änderung ist seit Januar 2017 in Kraft, kann aber derzeit noch nicht in Anspruch genommen werden, weil der Gesetzgeber vorsieht, dass so geförderte Betreuungskräfte eine Schulung von 160 Stunden absolvieren müssen.

Claudia Menebröcker: „Das ist für uns logistisch noch nicht zu lösen, da die Betreuungskräfte in den Familien für diese Zeit nicht ohne weiteres freigestellt werden können. Für uns realistisch wäre eine Online-Schulung, an der wir derzeit arbeiten.“