Düsseldorf. Professor Campino über Lyrik: So war seine erste Vorlesung an der Uni Düsseldorf – und wie Sie bei der zweiten dabei sein können.

  • Campino hat eine Gastprofessur an der Uni Düsseldorf.
  • In seiner ersten Vorlesung ging es um „Gebrauchslyrik“. Was Zuschauer erlebt haben.
  • Ende April kommt „Professor Punk“ zurück in den Hörsaal. Wie Sie bei der zweiten Vorlesung dabei sein können.

Als Campino das erste Mal in der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Uni auf der Bühne stand, waren danach Deckenleuchten heruntergerissen, Toiletten zerstört, Mobiliar demoliert. „Das ist damals ein bisschen schief gegangen. Ich hätte mit Hausverbot rechnen können“, sagt er und lacht, als er 39 Jahre später wieder in der Uni auftritt. Dieses Mal allerdings nicht vor wild feiernden Punks in der Mensa, sondern vor einem gesitteten Publikum im Hörsaal 3A.

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Dem Frontmann der „Toten Hosen“ wurde die Heinrich-Heine-Gastprofessur verliehen. „Kästner, Kraftwerk, Cock Sparrer. Eine Liebeserklärung an die Gebrauchslyrik“: In seiner ersten von insgesamt zwei Vorlesungen spricht er am Dienstagabend über Gedichte und Texte, die ihn selbst inspiriert haben – und reist dafür zunächst zurück in seine Kindheit. Genauer gesagt: zurück in die vierte Klasse.

Campino in der Heine-Uni: Auch Rektorin Anja Steinbeck trägt ein Tote-Hosen-Shirt

„,Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, ein Birnbaum in seinem Garten stand. Und kam die goldene Herbsteszeit‘… Und dann habe ich den Text vergessen. Das war eine Blamage vor der Klasse, ein richtiges Trauma“, erzählt Campino, der mit bürgerlichem Namen Andreas Frege heißt. Nicht besser wurde es in der siebten Klasse, als „Die Bürgschaft“ von Friedrich Schiller auf dem Stundenplan stand.

„Damals tauchte ich dann lieber in die Abenteuer von Lederstrumpf ab. Aber wenn man ,Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland‘ und „Die Bürgschaft‘ mehrere Jahre in einem Kopf zusammen gehren lässt, dann kommt dieses Ergebnis raus“, sagt Campino. Er steht von dem kleinen schwarzen Schreibtisch auf und geht zum Mikro. Sein Band-Kollege „Kuddel“ greift zur Gitarre. „Den Arm aus dem Fenster, das Radio voll an. Draußen hängt ein Fuchsschwan dran“, stimmen die beiden den uralten „Toten Hosen“- Hit „Opel Gang“ an.

Rund zwei Stunden lang erklärt Campino aus dieser Mischung von Lyrik und Lyrics, Poesie und Musik, welche Texte die Band geprägt haben. Es geht natürlich um Liebe, um nicht weniger als Krieg und den Sinn des Lebens, aber auch um den Wehrdienst, Drogen und das Älterwerden.

Tote Hosen-Sänger Campino mit seinem Bandkollegen Andreas von Holst alias Kuddel.
Tote Hosen-Sänger Campino mit seinem Bandkollegen Andreas von Holst alias Kuddel. © DPA Images | Oliver Berg

Ein Blick in den vollen Hörsaal zeigt: Seine Fans, sie sind mit dem mittlerweile 61-jährigen Campino erwachsen geworden. Hier eine Weste mit Nieten, da grüne Haare. Die meisten drücken ihre Begeisterung für die „Toten Hosen“, für den Punk, heute aber dezenter aus – und tragen schlichte Band-Shirts. So auch Anja Steinbeck, Rektorin der Uni.

Campino hat studiert – aber selbst fast nie eine Vorlesung besucht

Campino war lange selbst an der Uni für Englisch und Geschichte eingeschrieben, konnte aber aus „terminlichen Gründen“, wie er selbst sagt, fast nie eine Vorlesung besuchen. Warum hat Steinbeck ausgerechnet ihm – als zweiten Musiker überhaupt – die Gastprofessur verliehen?

Diese Frage sei ihr in den vergangenen Wochen häufig gestellt worden, erzählt sie. Dabei sei die Entscheidung ja „fast zwingend“ gewesen, so Steinbeck: „Campino ist ein Systemkritiker. Und wo, wenn nicht an einer Uni, sollte man sich kritisch mit einer Gesellschaft und einem System auseinandersetzen? Bekanntermaßen war auch Heinrich Heine ein unbequemer Zeitgenosse, der mit spitzer Feder gegen Konventionen anschrieb. Und wenn man dann noch bedenkt, dass beide, Campino und Heine, aus Düsseldorf kommen, ist es viel naheliegender, als man glaubt.“

Dass sie mit ihrer Entscheidung anscheinend nicht ganz falsch gelegen hat, zeigt das Interesse an der Vorlesung. Weil der Andrang so groß war, wurden die Tickets im Vorfeld verlost. 30.000 Menschen hatten sich beworben – nur rund 500 können heute im Saal Platz nehmen.

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Ein „heikles Thema“, wie Steinbeck zugibt. Denn obwohl sich der Vortrag vorrangig an die Studierenden richtet, hatten sie nur wenig Vorteile bei der Vorlesung. Ein Teil der Karten gingen an Mitarbeitende und wichtige Personen der Uni. Jeweils 250 wurden unter den Studierenden und allen anderen Interessierten verlost. Einige Studentinnen und Studenten, die bei der Verlosung kein Glück hatten, konnten die Vorlesung im Live-Stream von einem anderen Hörsaal aus verfolgen. Ein kleiner Trostpreis für die vielen jungen Fans, die die „Toten Hosen“ noch heute haben.

Fast so großer Andrang wie bei einem Konzert der Toten Hosen

Dass der Andrang fast so groß ist wie bei einem Konzert, damit hätte Campino selbst nicht gerechnet. Als Vorbereitung habe er hunderte von Gedichten gelesen. „Eine große Freude“, wie er sagt. Sein liebstes literarisches Werk? „Es gibt so viele großartige Schriftsteller, Texter, Dichter. Aber wenn ich mich für ein Gesamtwerk entscheiden müsste, dann wäre es Erich Kästner.“

Kästner war es auch, der seine Gedichte „Gebrauchslyrik“ nannte. „Er hat damit jegliche Erhöhung verweigert und klar gemacht: Das ist zur Anwendung, ein Gegenentwurf zur Blümchen-Poesie der Romantik“, sagt Campino. „Und Punk ist nichts anderes als Gebrauchslyrik.“

Tickets für Campinos zweite Vorlesung in Düsseldorf

In nur drei Wochen doziert Campino erneut: Am 23. April hält er seinen Vortrag „Alle haben was zu sagen. Die Kakophonie unserer Zeit“. Dabei wird er mit dem Journalisten Philipp Oehmke, Kulturchef beim Nachrichtenmagazin „Spiegel“, auch darüber sprechen, wie wir in Anbetracht von KI in Zukunft miteinander kommunizieren werden. Wie bei der Antrittsvorlesung werden die Tickets verlost. Interessierte können sich vom 3. bis 9. April für maximal zwei Tickets online bewerben. Alle Infos unter www.hhu.de

Die Heinrich-Heine-Gastprofessur ist ein Geschenk des Landes Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 1988 an die Universität. Schon vor Campino waren daher einige prominente Gesichter als Gastprofessoren und -professorinnen zu sehen. Unter anderem lehrten schon Helmut Schmidt, Juli Zeh, Joschka Fischer, Joachim Gauck und zuletzt Klaus-Maria Brandauer. Bei letzterem war Campino sogar selbst unter den Zuhörern.

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