Berlin. „Babylon Berlin“ ist zurück im Ersten: Die vierte Staffel der Erfolgs-Serie startet mit Wucht und Finesse. Warum man sie unbedingt sehen muss.
- Die vierte Staffel der Erfolgs-Serie "Babylon Berlin" läuft.
- Staffelstart im Ersten: Sonntag, 1. Oktober, 20.15 Uhr
- Alle neuen Folgen sind in der Mediathek schon seit Freitag verfügbar.
Sie zappeln im "Moka Efti" zur Musik, als gäbe es kein Morgen. Doch die große Berliner Party ist vorbei, der Glitzerpalast der 20er zu Beginn der 30er-Jahre ein sterbender Schuppen, in dem Frauen und Männer bis zum Umfallen tanzen, um in diesem unmenschlichen Wettbewerb 1000 Reichsmark zu gewinnen. Auf den Straßen prügeln SA-Mobs auf jüdische Geschäftsleute ein, hungernde Kinder streunen auf der Flucht vor der Polizei durch die Stadt oder verschwinden spurlos, und wer gerade Beute beim Einbruch gemacht hat, liegt Augenblicke später erstochen im Rinnstein.
„Babylon Berlin“ ist mit voller Wucht zurück, das millionenschwere Megaprojekt der deutschen Fernsehunterhaltung, zwölf Folgen, abgefeuert an vier Abenden im Ersten (ab Sonntag, 1. Oktober, 20.15 Uhr), die Mediathek rettet das Publikum vor einem happigen Bildschirm-Marathon (ab Freitag, 29. September, 20.15 Uhr).
Der hollywooderprobte Filmemacher Tom Tykwer und seine Mitstreiter Achim von Boerries und Henk Handloegten, die Volker Kutschers Bestseller-Reihe ins Bild setzen, erzählen auch dieses Mal viele Geschichten in einer, aber all das so sauber strukturiert, dass man den Überblick nie verliert.
Staffel vier von „Babylon Berlin“: Gereon Rath soll die SA aushöhlen
Natürlich ist viel Krimi im Spiel, der ermüdete Kommissar Gereon Rath (Volker Bruch) muss nicht nur einem Geheimbund aus Scharfrichtern auf die Schliche kommen, der eine Hinrichtung nach der anderen zelebriert, und den Krieg der Wettmafiabanden beenden – er soll obendrein auch noch die SA als eingeschleuster Spion aushöhlen. Viel Arbeit für den zusehends zermürbten Polizisten, der sein Kriegstrauma noch immer nicht los ist und immerhin Trost in der Liebesbeziehung zur wunderbar trotzigen Überlebenskünstlerin Charlotte (Liv Lisa Fries) findet, die – welch ein Glück – zur eigentlichen Hauptfigur dieser vierten Staffel aufsteigt.
Die Vorzeichen der braunen Vorhölle
War das langsame Sterben der Weimarer Republik samt aller Vorzeichen der braunen Hölle in den ersten drei Staffeln eher noch ein rein historisches Fundament, auf dem man in der Bilderästhetik der Stummfilm-Angstmacher ein funkelndes Panoptikum des Berliner Wahnsinns inszenieren konnte, so rückt der politische und gesellschaftliche Zusammenbruch vor Hitlers Machtübernahme nun stärker ins Zentrum des Geschehens.
Lars Eidinger als blondierte Karikatur
Nur im entrückten Imperium des Industriellen Alfred Nyssen, den der blondierte Lars Eidinger leider in Eidinger-Manier zur Karikatur verkommen lässt, wird weiter fröhlich von Flügen zum Mond und einer goldenen deutschen Zukunft gesponnen. Wirtschaftskrise und Realitätsverweigerung, eine erschlaffte bürgerliche Mitte und eine immer stärkere Rechte – ja, die Parallelen zum Hier und Jetzt sind unverkennbar, aufdringlich serviert werden sie indes nicht.
Ohne Effekthascherei schnurrt die gut geölte Erzählmaschine, und immer wenn Tykwer mit Kameramann Philipp Haberlandt tief ins Milieu der farbentleerten Berliner Hinterhöfe eintaucht, wird die Kraft deutlich, die dieser politisch aufgeladene Thriller aus seiner Authentizität zieht.
Liv Lisa Fries stellt sie alle in den Schatten
Abermals kann Tykwer sich auf ein starkes Ensemble verlassen. Fritzi Haberland, Martin Wuttke, Karl Markowicz, Meret Becker, Mark Ivanir, Godehard Giese oder Hanno Kofler veredeln selbst kleinere Rollen, Benno Fürmann als Strippenzieher im Machtapparat, Udo Samel als preußisch unbiegsamer Mordinspektionschef, Ronald Zehrfeld als bulliger Kiez-Gangster liefern denkwürdige Auftritte ab – und Liv Lisa Fries stellt sie alle mit ihrem erfrischend unverbrauchten Spiel noch in den Schatten.
Von der Überwältigungskraft, mit der „Babylon Berlin“ vor ein paar Jahren wie ein Wirbelsturm durch die öde Steppe des deutschen Unterhaltungsfernsehens fegte, ist nichts verloren gegangen. Es bleibt ein Ereignis.