Essen. NRW-Gesundheitsminister Laumann wirbt heute in Berlin für die Widerspruchslösung. Was man über das Thema Organspende wissen muss.
- In Deutschland ist die Bereitschaft zur Organspende gering.
- Wer vor seinem Tod keine Entscheidung getroffen hat, bürdet seinen Angehörigen eventuell eine enorme Last auf.
- Fragen und Antworten zum Thema, die helfen sollen
Wie groß ist der Bedarf?
In NRW warten derzeit mehr als 1800 schwerkranke Menschen auf eine lebensrettende Spende, deutschlandweit sind es mehr als 8400. Nieren sind die am häufigsten erhofften Organe, im Schnitt müssen Betroffene acht bis zehn Jahre auf eine Niere warten. 166 Menschen in NRW spendeten 2023 nach ihrem Tod ihre Organe (insgesamt 503), drei weniger als 2022 und 40 weniger als 2021. Das sind gut neun von einer Million Menschen. Zum Vergleich: In Spanien sind es 46 von einer Million.
Wer organisiert die Organspende?
In Deutschland ist die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) die bundesweite Koordinierungsstelle für die postmortale Organspende, also die nach dem Tod des Spenders. Das Transplantationsgesetz (TPG) liefert die rechtlichen Grundlagen, die Bundesärztekammer hat medizinische Richtlinien festgelegt. Bundesweit gibt es 45 Transplantationszentren, zwei davon befinden sich im Ruhrgebiet: am Uniklinikum Essen sowie am Knappschaftskrankenhaus der Ruhr-Universität Bochum.
Mehr zum Thema Organspende
- Hoffen auf ein Spenderorgan – Sterben auf der Warteliste
- „Ich will nicht, dass noch eine Mutter an einem Sarg steht“
- Neues Register: Was Sie über Organspenden wissen sollten
- Kommentar: Warum wir anderen nicht das Leben retten
- Neues Organspende-Register: Wieso NRW zweifelt
- Leben auf Abruf: Silke H. braucht zwei neue Organe
- Silke H. nach der Transplantation: „So fit wie zuletzt mit 30“
- Organspende: NRW erneut weit abgeschlagen?
- Verlobung auf der Intensivstation
- Wie Organe, die im Müll landen sollten, Leben retten können
- Warum Victoria? Achtjährige wartet auf eine Spenderleber
- Papa ist wieder stark
Wie läuft eine Organspende ab?
- Der Tod des potenziellen Spenders oder Spenderin durch „endgültigen, nicht behebbaren Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms“ wird im Krankenhaus festgestellt.
- Zweite zwingende Voraussetzung für eine Organentnahme ist eine entsprechende Einwilligung: Hat der Verstorbene zu Lebzeiten nicht erklärt, ob er nach seinem Tod seine Organe spenden will, werden die nächsten Angehörigen um eine Einscheidung in seinem Sinne gebeten.
- Das Krankenhaus, in dem der potenzielle Spender gestorben ist, nimmt Kontakt zur DSO auf. Die intensivmedizinischen Maßnahmen, etwa eine Beatmung, werden weitergeführt, damit die Organe mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt sind.
- Der regionale DSO-Koordinator veranlasst Untersuchungen, um mögliche Erkrankungen des Spenders auszuschließen, die den Empfänger gefährden könnten. Blutgruppe und bestimmte Gewebemerkmale werden bestimmt – wichtige Daten für die Vermittlung der Organe.
- Die Befunde und Daten werden an die Stiftung Eurotransplant im niederländischen Leiden geschickt. Die europaweit tätige Vermittlungsstelle gleicht sie mit den „gelisteten“ Patienten ab und benennt passende Empfänger.
- Die DSO organisiert in Absprache mit Entnahmekrankenhaus und Transplantationszentren die Organentnahme. Unmittelbar davor überprüfen die Koordinatoren erneut die formale Korrektheit der Todesfeststellung. Der Eingriff selbst erfolgt unter den gleichen Bedingungen wie jede andere Operation, die Wunden werden sorgfältig verschlossen, der Leichnam anschließend für eine würdevolle Aufbahrung vorbereitet.
- Die Organe werden verpackt und zu den Transplantationszentren transportiert, in denen die Empfänger warten, meist in Autos oder Flugzeugen. Dabei kommt es vor allem auf Schnelligkeit an, ein Herz etwa lässt sich nur etwa vier Stunden lang „konservieren“, eine Niere übersteht 20 Stunden „auf Eis“.
- Der Empfänger erhält das neue gespendete Organ.
Wer entscheidet über den „Hirntod“?
Richtlinien der Bundesärztekammer schreiben genau vor, wie der Hirntod eines Menschen festzustellen ist. Zwei erfahrene Ärzte müssen dazu unabhängig voneinander die notwendigen Untersuchungen durchführen – nachdem alle sedierenden Medikamente abgesetzt worden sind. Diese Ärzte dürfen weder an der Entnahme noch an der Übertragung der Organe beteiligt sein.
Nach welchen Kriterien werden die Organe an bestimmte Empfänger vergeben?
Dringlichkeit der Transplantation, Gewebeübereinstimmung, Erfolgsaussichten und Länge der Wartezeit sind die entscheidenden Kriterien. Organspender und Organempfänger sowie deren jeweilige Familie bleiben einander anonym.
Auch interessant
Gilt die Zustimmung zur Organspende immer für alle Organe?
Grundsätzlich können Nieren, Herz, Leber, Lunge, Pankreas und Darm gespendet werden. Es können aber auch nur einzelne Organe gezielt gespendet oder von der generellen Spende ausgenommen werden. Gespendet werden können auch Gewebe wie etwa die Hornhaut des Auges.
Wer kann Spender sein und gilt die Zustimmung für immer?
Schon 16-Jährige dürfen ihre Bereitschaft zur Organspende selbst erklären. Bereits ab 14 Jahren kann man selbst einer Organspende widersprechen. Das geht auch mit dem Organspendeausweis, auf dem man den Widerspruch dokumentieren und jederzeit seine Meinung ändern kann. Der Spendeausweis ist für die Ärzte bindend. Ausschlusskriterien für eine Spende sind: HIV-Positivtest und eine akute Krebserkrankung, nicht aber das Alter.
Was hat sich mit dem 18. März 2024 für die Organspende geändert?
Das Register für Organspender ist online gegangen. In dem zentralen Verzeichnis beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte können Menschen ihre Entscheidung für oder gegen eine Organspende festhalten. Der Eintrag ist freiwillig, kostenlos und er kann jederzeit geändert werden. Nötig ist ein Ausweisdokument mit eID-Funktion (Personalausweis). Das Register soll Kliniken ab Juli helfen, die Spendenbereitschaft eines Patienten schnell zu klären. Organspendeausweise bleiben eine Alternative.
Kommt doch noch die Widerspruchslösung?
In vielen Ländern Westeuropas gilt die sogenannte Widerspruchslösung, nach der jeder ein möglicher Organspender ist, der nicht zu Lebzeiten widersprochen hat. In Deutschland ist zuletzt im Januar 2020 ein Gesetzesentwurf gescheitert. 2023 haben die Länder NRW, Baden-Württemberg und Hessen eine erneute Initiative im Bundesrat gestartet.