Berlin. Bei Jugendlichen haben Drinks der Marke Prime schon Kult-Status. Ernährungsmediziner Dr. Riedl sieht gleich mehrere Gesundheits-Probleme.

Es ist eine Erfolgsgeschichte, von der die meisten Unternehmer nur träumen können: Innerhalb von zwei Jahren brachte es die US-Sportgetränkemarke Prime zu einem Milliarden-Umsatz.

Hinter dem Projekt mit dem erfolgversprechenden Namen („prime“ = „erstklassig“) stecken zwei reichweitenstarke Influencer: der US-Amerikaner Paul Logan, Wrestler und Social-Media-Star sowie der Brite Olajide Olayinka Williams „KSI“ Olatunj, der Boxer, Rapper und ebenfalls Social-Media-Profi ist. Zusammen haben sie fast 100 Millionen Follower auf Plattformen wie X, YouTube und Instagram.

Die Prime-Getränke haben mittlerweile vor allem bei Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren Kult-Status erreicht. Doch welche Zutaten stecken eigentlich in den Sport- und Energydrinks? Wie gesund sind sie? Und warum wurden sie mittlerweile in mehreren Ländern verboten?  

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Prime Drinks nicht so harmlos, wie sie aussehen

Sie tragen Namen wie „Lemon Lime“ oder „Ice Pop“ und werden in auffällig bunten Flaschen verkauft. Keine Frage, zwischen den Designs der alteingesessenen Marken wie Red Bull oder Coca-Cola fallen die Verpackungen der Marke Prime auf. „Ein Blick auf die Inhaltsstoffe zeigt jedoch, dass diese Getränke ebenso wenig empfehlenswert sind wie andere industrielle Energy- oder Erfrischungsgetränke“, erklärt Ernährungsmediziner Matthias Riedl im Interview mit unserer Redaktion.

Aktuell vertreibt Prime zwei Sorten von Drinks: kohlensäurehaltige Energydrinks mit Koffein und Hydration-Drinks ohne Kohlensäure und ohne Koffein. Was beide Varianten gemeinsam haben: Sie gehören zu den ultrahochverarbeiteten Lebensmitteln und fallen damit unter die sogennante NOVA-Stufe 4, einer Klassifikation für den Industrialisierungsgrad von Lebensmittel. Die Studienlage dazu ist laut Dr. Riedl eindeutig: „Viele Lebensmittel der NOVA-Klasse 4 erhöhen das Risiko für chronische Krankheiten wie Adipositas oder Diabetes. Außerdem gibt es Hinweise auf steigende Sterblichkeit und ein höheres Krebsrisiko.“

Verstecke Zuckerfalle und Risiken durch zugesetzte Vitamine

Dass die US-Getränke frei von zugesetztem Zucker (Prime Hydration) sind, kaum Kalorien enthalten und mit Vitaminzusätzen, wie Vitamin B12 und B6, werben, macht sie laut Riedl nicht besser – im Gegenteil: „Künstlich zugeführte Vitamine können unerwünschte Nebenwirkungen haben. Es ist zum Beispiel nicht ausgeschlossen, dass eine dauerhafte Überdosierung von Vitamin B12 das Lungenkrebsrisiko erhöht. Sucralose, ein künstliches Süßungsmittel, das in Prime-Getränken verwendet wird, steht im Verdacht, besonders bei Frauen den Appetit zu fördern.“

Zudem sei es irreführend, dass Prime damit werbe, den Hydration-Getränken keinen Zucker zuzusetzen: „500 Milliliter Prime-Hydration-Drinks enthalten, je nach Sorte, durch das verwendete Kokoswasser oder enthaltene Frucht- und Gemüsesäfte trotzdem bis zu 60 Gramm Zucker. Empfohlen sind laut WHO pro Tag maximal 50 Gramm Zucker, noch besser wären nur 25 Gramm.“ Folgen eines überhöhten Zuckerkonsums sind ein erhöhtes Diabetesrisiko, Übergewicht, Hautunreinheiten, ein geschwächtes Immunsystem und eine erhöhte Infektanfälligkeit.

Dr. Matthias Riedl ist Internist, Ernährungsmediziner, Diabetologe und ärztlicher Leiter des Medicum Hamburg. 
Dr. Matthias Riedl ist Internist, Ernährungsmediziner, Diabetologe und ärztlicher Leiter des Medicum Hamburg.  © Andreas Sibler für Edel Verlagsgruppe | Andreas Sibler

Dikaliumphosphat: Umstrittener Zusatzstoff in Prime-Getränken

Für einen „echten Skandal“ hält der Ernährungsmediziner den Zusatz von Dikaliumphosphat. Dabei handelt es sich um ein chemisches Salz, das häufig in der Lebensmittelindustrie verwendet wird, um die Konsistenz zu verbessern und als Säureregulator zu wirken. Aus gesundheitlicher Sicht sind Phosphate umstritten: Nierenkranke Personen sollten keine Phosphate zu sich nehmen, da die Nieren dadurch schneller an Leistung verlieren. „Auch für gesunde Menschen sind Phosphate nicht empfehlenswert. Sie beschleunigen nachweislich das Altern der Gefäße und der Haut“, so Riedl.

Koffein und Taurin in Prime: Kombination ist besonders problematisch

Dass die Prime-Energy-Drinks vor allem bei Jugendlichen beliebt sind, hält der Ernährungsmediziner wegen des hohen Koffeingehalts für problematisch. Eine Dose Prime-Energy-Drink (355ml) enthält 200 Milligramm Koffein. Zum Vergleich: Eine Standard-Dose Red Bull (250 ml) enthält 80 Milligramm Koffein, eine Tasse Kaffee (240 ml) rund 95 Milligramm. „Erwachsene können pro Tag rund 400 Milligramm Koffein zu sich nehmen“, erklärt Riedl. „Eine Menge von 200 Milligramm Koffein ist pro Portion grundsätzlich auch kein Problem.“

Für Kinder gilt laut EFSA-Risikobewertung jedoch eine Einzeldosis von höchstens 3 Milligramm Koffein pro Kilogramm Körpergewicht als sicher. „Bei 50 Kilo entspräche das einem Höchstwert von 150 Milligramm Koffein“, so Riedl. „Mit einer Dose Prime-Energydrink liegt man schon deutlich darüber.“

Auch die Kombination mit Taurin, wie sie in Prime-Energydrinks vorzufinden ist, könne gesundheitliche Folgen mit sich bringen: „Diese nicht-essenzielle Aminosäure, die häufig Energydrinks zugesetzt wird, steht im Verdacht unter bestimmten Umständen, die Entstehung von Herzrasen, Herzrhythmusstörungen, Übelkeit, Kollaps und Krampfanfällen zu begünstigen. Besonders problematisch ist die Kombination mit Alkohol.“

Hohe Mengen an Koffein stellen besonders für Heranwachsende ein gesundheitliches Risiko dar. Es drohen beispielsweise Herz-Kreislauf-Probleme (Herzrhythmusstörungen oder erhöhter Blutdruck), Schlafstörungen, Schwitzen, Zittern, Panikattacken oder Magenbeschwerden. In Ländern wie Australien, Kanada und Slowenien sind die bunten Dosen der Marke Prime deshalb mittlerweile sogar verboten.

Forderung Altersbeschränkungen für Energy-Drinks

Aus der Perspektive von Ernährungsmediziner Riedl sind diese Maßnahmen sinnvoll: „Im Zusammenhang mit Energy-Drinks ist es in der Vergangenheit sogar schon zu Todesfällen und Reanimationen von Jugendlichen gekommen. Ich wäre dafür, die Abgabe von Energy-Drinks zu reglementieren. Man sollte sie erst ab 18 Jahren kaufen dürfen.“

Eine offizielle Stellungnahme zu Dr. Riedls Kritik wollte das Unternehmen auf Anfrage dieser Redaktion nicht abgeben.

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Ernährungs-Doc warnt: Vorsicht bei Nahrungsergänzungsmitteln

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