Berlin. Der deutsche Wald stirbt. Um welchen Baum es besonders schlecht steht und warum es gerade heimische Arten schwer haben, erklären Experten.

Tiefe, dunkle Fichten-Dickichte, knorrige alte Eichen, lichte Buchenhaine: Von den Wäldern, wie wir sie aus unserer Kindheit kennen und durch die wir auch jetzt noch immer gerne streifen, müssen wir uns nach Ansicht von Forstexperten verabschieden. „Den Wald, wie wir ihn kennen, wird es in weiten Teilen Deutschlands bald nicht mehr geben“, betont Dominik Thom, Professor für Waldbau an der Technischen Universität Dresden, im Gespräch mit dieser Redaktion. „Er wird und er muss sich ändern.“

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Die Bäume kämpfen mit den Folgen des Klimawandels. Hitzewellen, lange Trockenperioden und Stürme schwächen sie. „Die Dürren, die wir in den letzten Jahren hatten, das sind im Prinzip die Vorboten von dem, was wir in Zukunft zu erwarten haben“, erklärt Thom. Und während der Wald unter den extremen Wetterkapriolen leidet, profitierten viele Schädlinge wie Insekten und Pilze von den steigenden Temperaturen.

Waldsterben: Borkenkäfer machen auch vor Fichten nicht Halt

Sie treiben damit den Waldumbau voran, meint auch Ralf Petercord, Waldbauexperte des Forstministeriums in Nordrhein-Westfalen. Am deutlichsten sieht man das an den Fichten. Über Jahrhunderte setzte die Forstwirtschaft auf die schnell wachsenden Bäume, überall entstanden Reinbestände – die in den vergangenen Jahren ein gefundenes Fressen für die Larven der Buchdrucker-Borkenkäfer waren.

Denn genau wie sich ein gesunder Körper besser vor Viren oder Bakterien schützen kann, schaffen es gesunde Bäume besser, die Eindringlinge mit Harz fernzuhalten. Gestresste Bäume dagegen sind ihnen fast wehrlos ausgeliefert. Die Folge: In manchen Regionen wie dem Naturpark Harz traten die Insekten seit 2018 in solchen Massen auf, dass es dort kaum noch alte Fichtenwälder gibt. Die Fichte weist die höchste Absterberate aller Baumarten auf.

Bäume können sich immer schlechter gegen Schädlinge wehren

„Klar könnten wir versuchen, den Status quo beizubehalten“, sagt Forstwissenschaftler Thom, „aber das wäre nur mit intensiver Schädlingsbekämpfung möglich und langfristig überhaupt nicht zielführend.“ Und: Das aktuelle Forstgesetz würde dies auch gar nicht zulassen. Wäre die Natur im Gleichgewicht, müssten ohnehin keine Pestizide zum Einsatz kommen.

Dr. Dominik Thom
Dominik Thom ist Professor für Waldbau an der Technischen Universität Dresden und erforscht, was deutsche Wälder mit Blick auf den Klimawandel brauchen. © TUM | Privat

„Grundsätzlich wehren sich die Bäume gegen Insekten und Pilzbefall, und zwar sehr effektiv“, sagt Waldbauexperte Petercord. „Aber das Gleichgewicht zwischen Bäumen und den anderen Organismen funktioniert oft nicht mehr.“ Ist es zu trocken, könnten zum Beispiel Fäule-Erreger über die Wurzeln eindringen, oder der Baum habe nicht genug Kraft, um Abwehrstoffe gegen knabbernde Schmetterlinge zu bilden. 

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Das wird nicht nur für die Fichte, sondern für viele heimische Baumarten zum Problem. Petercord hat die Esche eigentlich schon aufgegeben, auch Bergahorn und Rotbuche sieht er sehr kritisch. Die Entwicklung bei der Eiche sei ebenfalls nicht gut. „Die Hauptbaumarten werden alle an Fläche verlieren“, ist er sich sicher. Dafür hätten andere Arten die Chance, viel häufiger in Deutschland zu stehen: die Hainbuche etwa, die Flatterulme oder auch die Erle. 

Was heimisch war, muss nicht heimisch bleiben

Klar ist den Fachleuten: Reinbestände haben keine Zukunft. Fichtenwälder werden schon seit mehr als 30 Jahren in Mischwälder umgebaut, wie die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald erklärt. Denn den Wald einfach sich selbst zu überlassen, das sei unrealistisch, wie Thom erklärt. „Der Wald hinkt dem menschengemachten Klimawandel sowieso hinterher. Er braucht Jahrhunderte, bis er sich anpasst.“

Detailed macro image of a bark beetle (Ips typographus) sitting on the tree bark of a spruce.
Sieht niedlich aus, kann aber ganze Waldstücke vernichten: der Borkenkäfer. © iStock | Goldi59

Wenn man rein von einem natürlichen Wald ausgehe, den man sich selbst überlasse, sei zwar durchaus denkbar, dass sich die Ökosysteme durch neue, klimaresistentere Baumarten, die etwa durch Vogelkot zu uns kommen, rechtzeitig selbst stabilisieren, so der Experte. Allerdings gehe es in Deutschland weniger um solche sogenannten Urwälder als um Bewirtschaftungswälder für die Holzindustrie.

„Es ist ja nicht das übergeordnete Ziel, der Natur möglichst ähnlich zu sein, sondern neben Biodiversitätsaspekte spielen die Waldleistungen, wie die Holzproduktion oder die Kohlenstoffaufnahme, eine große Rolle“, gibt Thom zu bedenken. Aber auch hier gebe es durchaus Ansätze, die Wälder mit Blick auf die Zukunft „umzubauen“. Er denkt hier etwa an die Douglasie, die deutlich dürreresistenter ist als die Fichte, oder an die Atlas-Zeder. Aber auch die bereits heimische Weißtanne werde sich weiter ausbreiten.

Es brauche in der Forstwirtschaft den Mut, auch Baumarten und Herkünfte aus anderen Teilen der Welt zu testen, betont Forstwissenschaftler Thom. Aber: „Es sollte immer ein Mix geben aus verschiedenen Ansätzen und man sollte jetzt nicht etwa von der Fichte auf einmal zur Douglasie wechseln und sagen: ‚Das ist jetzt unsere Zukunft.‘“ Ohne Durschmischung habe der Wald mit Blick in die Zukunft schlicht keine Chance. Heute gepflanzte Bäume müssten schließlich mit dem Klima in 100 Jahren zurechtkommen. „Waldumbau braucht seine Zeit“, mahnt Thom. „Das geht nicht von heute auf morgen.“ (mit dpa)