Berlin. Abnehmen durch Intervallfasten ist eine beliebte Diätform. Leider können Frauen und Männer davon nicht gleichermaßen profitieren.
5:2, 16:8 oder 48 Stunden ohne Essen – wer dem Ernährungstrend des Intervallfastens folgt, dürfte diese Formeln kennen. Der Clou: Wer geringere Mengen Essen zu sich nimmt oder weniger Mahlzeiten täglich isst, kann sich in der Regel über positive Auswirkungen auf den eigenen Organismus freuen. Ernährungsmediziner Prof. Dr. Andreas Michalsen, Chef der Abteilung Naturheilkunde im Immanuel-Krankenhaus Berlin, erklärt, warum Intervallfasten so gesund ist und Frauen auf eine spezielle Taktik setzen sollten.
Intervallfasten: Positiver Einfluss auf verschiedene Krankheiten und Gewicht
Wissenschaftlich ist rund eine Handvoll positiver Effekte durch das Intervallfasten belegt. Prof. Michalsen: „Jede Form von kalorischer Restriktion führt zur Lebensverlängerung. Außerdem treten Herzleiden, Diabetes oder altersbedingte Immunschwächen dadurch nicht so häufig oder weniger stark auf.“
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Wer an Diabetes Typ 2 leide, erziele dadurch eine Verbesserung der Blutzuckerfunktion und könne seine Medikation verringern. Zudem sinke der Bluthochdruck bei Menschen mit dieser Krankheit etwas. „Wenn man das Intervallfasten so betreibt, dass man nicht alles in den Abendstunden isst, verbessert es auch die Schlafqualität“, sagt Michalsen. Außerdem habe es eine positive Wirkung auf die Verdauung. Somit können sich Beschwerden wie ein Reizdarm verbessern. „Wenn man übergewichtig ist, kann man in einem halben Jahr zwischen drei und sechs Kilo durch das Intervallfasten verlieren.“
Natürlich, das betont der Mediziner, gelte eine Reduzierung der Mahlzeiten nicht für Menschen mit einer Essstörung wie Bulimie oder Magersucht. Aufpassen sollten zudem alle Personen, die an Gallensteinen oder Gicht leiden. Ansonsten sei das Intervallfasten aber grundsätzlich jedem, der mit Übergewicht kämpfe oder auch nur ein paar Kilos verlieren wolle, zu empfehlen.
Frauen haben „natürlichen Nachteil“ beim Intervallfasten
Obwohl das Intervallfasten so viele positive Effekte mit sich bringt, müssen beide Geschlechter die Diätform differenzierter betrachten. Gerade bei Frauen geht das Intervallfasten mit einigen negativen Erfahrungen einher. Nicht selten berichten sie von Müdigkeit, Stimmungsschwankungen oder einem gestörten Zyklus. Die Hormonbalance während des Intervallfastens bei Frauen beschäftigt auch Michalsen.
Denn: Die Hormone Östrogen und Progesteron, die im weiblichen Menstruationszyklus eine wichtige Rolle spielen, reagieren sehr feinfühlig auf die Energiezufuhr durch Nahrung. In der ersten Zyklusphase, also den ersten 14 Tagen, steigt das Östrogen-Level stark an. Danach komme es zum Eisprung, anschließend fällt das Östrogen im Rahmen dieser zweiten Zyklusphase ab, es wird Progesteron gebildet. Das Problem: Durch den Stress, den das Intervallfasten mit sich bringen kann, kann die Progesteron-Bildung beeinträchtigt werden, was zu den bereits genannten Symptomen führen kann.
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Laut Prof. Michalsen spreche grundsätzlich nichts dagegen, dass Frauen im Intervall fasten. „Es gibt bereits einige Studien, die sehr positive Effekte des Intervallfastens bei Frauen belegten. Wir müssen aber noch mehr differenzieren und schauen, wie das Timing optimiert werden kann“, sagt Michalsen. Es deute sich an, dass man das Intervallfasten in den jeweils zweiwöchigen Zyklushälften variieren sollte.
Abnehmen: Zwei-Wege-Plan führt zu besseren Erfolgen
„Man könnte formulieren, dass man das Intervallfasten in den ersten 14 Tagen des weiblichen Zyklus stärker betreiben kann – also ruhig 16:8 – und in der zweiten Hälfte, in der sich der Körper auf die Möglichkeit einer Schwangerschaft vorbereitet, eher moderat halten sollte – also eher 14:10“, so der Experte. Zwar sei die Wissenschaft mit einer allgemeingültigen Erkenntnis noch vorsichtig, man leite die Erkenntnisse jedoch aus biologischen Prozessen und den Erfahrungsberichten der Frauen ab.
Michalsen empfiehlt grundsätzlich eher das 14:10-Modell. „Das kann man leichter ins Leben einbauen und durchhalten. Man kann um 9 Uhr frühstücken und um 19 Uhr noch etwas zu Abend essen.“ Wichtig sei in jedem Fall, dass man das Intervallfasten im Schnitt an mindestens fünf von sieben Tagen pro Woche betreibe, nur dann könne man nachhaltig medizinische Effekte erzielen.
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Generell rät der Experte jedem, der Intervallfasten machen wolle, auf seine individuellen Bedürfnisse zu achten. „Man muss schauen, wie Intervallfasten mit Beruf und Familie in den Alltag passt und wie der eigene Biorhythmus aussieht.“ Die Lerchen, also die Frühaufstehern, sollten frühstücken und möglichst früh zu Abend zu essen. Die Eulen hingegen, die Nachtaktiven, sollten das Frühstück weglassen, um auch um 21 Uhr noch etwas essen zu können.
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Experte zweifelt an aktueller Studie zu Nachteilen von Intervallfasten
Von der im März 2024 veröffentlichten Studie aus Shanghai, laut der das Risiko, durch Intervallfasten an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben, um 91 Prozent erhöht sein soll, hält Michalsen indes wenig bis nichts. Der Experte kritisiert – wie andere Experten auch –, dass das Intervallfasten nicht als solches konkret untersucht worden sei, sondern im Selbstbericht der Teilnehmer maßgeblich darauf geschaut wurde, zu welchen Uhrzeiten sie aßen. Weder habe man geschaut, warum das Frühstück weggelassen wurde – ob aus Stress oder weil man am Vorabend Alkohol getrunken habe – noch, ob die Teilnehmer Stress durch Schlafmangel oder ähnliches gehabt haben.
„Die Mängel an der Studie sind so riesig, dass wir uns gefragt haben, warum die Studie von Medien überhaupt aufgenommen wurde“, sagt Michalsen. Zur selben Zeit hätte beispielsweise eine kleine klinische – und damit höherwertige – Studie der Uni Halle gezeigt, dass das Intervallfasten eine gute Auswirkung auf die Herzfunktion nach einem Herzinfarkt habe. Eine Zusammenfassung der bisherigen klinischen Studien belege zudem eine Verbesserung des Herz-Risikos durch Intervallfasten.