Berlin. One-Direction-Star Liam Payne soll bei seinem Tod einen Drogenmix im Blut gehabt haben. „Pinkes Kokain“ ist in Europa auf dem Vormarsch.
Vor einer Drogensucht ist niemand gefeit, das zeigte zuletzt der tragische Tod von One-Direction-Star Liam Payne. Der 31-jährige Sänger war vergangenen Mittwoch (16. Oktober) vom Balkon seines Hotelzimmers in Buenos Aires gestürzt und gestorben. Wie verschiedene US-Medien nun unter Berufung auf zuverlässige Quellen berichten, soll bei einer Teil-Autopsie ein Drogencocktail in Paynes Blut festgestellt worden sein.
Dass Payne mit Suchtproblemen zu kämpfen hatte, war bekannt, zuletzt galt er jedoch als clean. Den Berichten zufolge soll er vor seinem tödlichen Balkonsturz sogenanntes pinkes Kokain konsumiert haben. Der Drogenmix soll außerdem Methamphetamin, Ketamin und MDMA enthalten haben. Unsere Redaktion hat bereits vor einigen Monaten über die gefährliche Droge berichtet.
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Pinkes Kokain und herkömmliches Koks – das sind die Unterschiede
In Lateinamerika ist pinkes Kokain weit verbreitet, nun taucht die Droge vermehrt in Europa auf. Bei der Substanz, die auch unter den Namen „Tusi“, „Tucibi“, 2C-B, 2C-B-Mischung oder „Pink Cocaine“ bekannt ist, handelt es sich meist um ein pinkfarbenes Pulver, eine chemische Droge, die eine halluzinogene Wirkung hat.
Seltener ist Tusi in Form von Pillen im Umlauf. Trotz der harmlos wirkenden Farbe besteht pinkes Kokain aus einer gefährlichen Drogenmischung. „Gelegentlich kann auch Kokain enthalten sein, jedoch ist der Name irreführend“, sagt Suchtforscher Daniel Deimel von der TH Nürnberg über pinkes Kokain. Den Titel verdankt die Substanz offenbar seiner optischen Ähnlichkeit mit herkömmlichem Koks. Zudem werden beide Drogen meistens auf gleiche Art konsumiert: Das Pulver wird in Linien drapiert und mithilfe eines Röhrchens durch die Nase gezogen.
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Während es sich bei Kokain um eine pflanzliche Droge handelt, wird Tusi im Labor zusammengemixt. Das macht die chemische Substanz äußerst unberechenbar und gefährlich. „Solche Mischungen sind hochproblematisch, weil die Konsumenten nicht mehr wissen, was in der Tablette oder dem Pulver enthalten ist“, warnt Deimel.
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Durch die irreführende Bezeichnung und die Vielzahl an enthaltenden psychoaktiven Substanzen sei ein Überblick über die Wirkung und die Konzentration der einzelnen Stoffe nicht möglich. Der Experte erklärt: „Die Substanzen sind nicht unbedingt neu – dass sie stark miteinander vermengt werden, allerdings schon.“
Pinkes Kokain: Was über die Droge bekannt ist
In Europa wurde Tusi laut einem UN-Drogenbericht bereits 2022 auf einem Musikfestival im Vereinigten Königreich sowie in Österreich und der Schweiz gesichtet. Das Drug Checking in Berlin, ein Beratungs- und Testangebot für Drogen, warnte im April auf seiner Website vor „Tucibi“ – das Pulver war als Probe eingereicht worden.
„In europäischen Drug Checking Einrichtungen werden seit einigen Jahren pinke Pulver (...) zur Analyse abgegeben, bei denen es sich meist um Gemische aus mehreren psychoaktiven Wirkstoffen handelte“, heißt es in dem Warnhinweis. Oft sei Tusi mit Ketamin und MDMA, manchmal noch zusätzlich mit Koffein, Paracetamol, Amphetamin oder Ibuprofen versetzt.
Ketamin ist eine sedierende Substanz, die oft als Betäubungsmittel verwendet wird. MDMA hingegen ist vor allem in Ecstasy enthalten und wirkt anregend sowie bewusstseinsverändernd. Expertinnen und Experten warnen schon länger vor dem Mischkonsum verschiedener Drogen. Kombiniert man MDMA und Ketamin, droht ein gefährlicher Anstieg des Blutdrucks und der Herzfrequenz – die Folge ist eine starke Herzbelastung.
Suchtexperte über pinkes Kokain: „Lässt sich kaum verfolgen“
Tusi gilt als Partydroge. Laut dem Bericht der spanischen Zeitung „El País“ kostete 2022 ein einziges Gramm bis zu 100 Euro, die Dosierung sollte 45 mg auf keinen Fall überschreiten. Im Vergleich dazu: Eine Pille MDMA (also Ecstasy) liegt preislich circa zwischen sieben und zehn Euro.
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Im Frühjahr 2024 wurden in Deutschland erstmals vier Männer wegen des Verdachts festgenommen, mit pinkem Kokain gehandelt zu haben. Laut einer Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Mannheim sollen sich die Tatverdächtigen im März 2024 unter anderem auf einem Parkplatz getroffen haben, um circa ein Kilo der Droge zu einem Preis im unteren fünfstelligen Bereich zu verkaufen.
Wie viele Menschen in Deutschland pinkes Kokain konsumieren, lässt sich nicht abschätzen. Insgesamt ist wenig über die neuartige Droge bekannt. So wenig, dass die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung auf Anfrage keine Auskunft über die Substanz geben konnte. Eine Sprecherin des Bundeskriminalamts (BKA) antwortet: „Auch wenn diese Droge bisher hierzulande kein großes Phänomen darstellt und wir aktuell keinen Anstieg feststellen, beobachtet das BKA das Phänomen und dessen Entwicklung in Deutschland aufmerksam.“
Suchtforscher Deimel kritisiert, dass in Deutschland ein flächendeckendes Drug Checking fehle. In Berlin wird die Möglichkeit, illegale Drogen anonym auf Verunreinigung und Inhaltsstoffe testen zu lassen, seit Juni 2023 angeboten. Einen Monat später einigte sich der Bundestag darauf, das Modell bundesweit zu erlauben. Modellprojekte wie in Berlin seien zu selten, kritisiert Deimel, und die Ressourcen begrenzt: „Entwicklungen wie die Verbreitung von pinkem Kokain lassen sich kaum verfolgen.“
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Dass pinkes Kokain immer öfter in Berichten aus Europa und Deutschland auftaucht, ist offenbar die Folge einer umfassenderen Entwicklung: Die Verfügbarkeit und Vielfalt neuer psychoaktiver Substanzen in Europa sei seit etwa 2008 stark angestiegen, heißt es in einem Bericht der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht von 2021.
Die Liste der synthetischen Substanzen ist lang: Dazu zählt beispielsweise Fentanyl, eine synthetische Droge, die 50- bis 100-mal stärker als Heroin wirkt. Oder Captagon, ein Amphetamin, das stark abhängig macht. Erst im Juli 2023 entdeckten Ermittler des Bundeskriminalamts in Regensburg ein großes Drogenlabor, indem Captagon hergestellt wurde. Pinkes Kokain scheint also nur eine von vielen Drogen aus dem Labor zu sein, die sich in Deutschland auf dem Vormarsch befinden.