Berlin. Die Kurzzeitehe soll zu weniger Scheidungen führen. Woher die Idee kommt und in welchen Ländern es bereits alternative Ehemodelle gibt.
Mit ihrem Vorschlag für eine Ehe auf Zeit hatte die ehemalige CSU-Politikerin Gabriele Pauli einst für große Tumulte in ihrer konservativen Partei gesorgt. Viele Ehen seien „innen kaputt“ und würden nur noch „nach außen geführt“, argumentierte sie 2007. Nach sieben Jahren solle man eine Ehe daher verlängern oder ohne Papierkram beenden dürfen. Zwar setzte sich die zeitlich begrenzte Ehe in Deutschland nicht durch, doch die Idee besteht fort.
Ein Blick auf die Statistiken zeigt: Die Zahl der Scheidungen nimmt seit 2012 zwar ab, die Zahl der Eheschließungen seit der Jahrtausendwende mit einigen wenigen Ausnahmen aber auch. Im Jahr 2022 betrug die Scheidungsrate in Deutschland 35,15 Prozent, insgesamt 137.353 Scheidungen gingen laut Statistischem Bundesamt in dem Jahr in Deutschland durch. Im selben Zeitraum gingen rund 391.000 Paare eine Ehe ein.
Ob die Ehe auf Zeit zu weniger Scheidungen führen würde, darüber lässt sich nur spekulieren. Doch was ist das Konzept dahinter – und in welchen Ländern gibt es die Kurzzeitehe tatsächlich? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Beziehung: Was ist eine Ehe auf Zeit?
Das eine Konzept für die Ehe auf Zeit gibt es nicht. Grundsätzlich steckt hinter der Idee aber eine Art Ausstiegsklausel: Während kirchliche oder standesamtliche Ehen so lange laufen, bis dass der Tod oder ein Gericht sie scheidet, könnte die Ehe auf Zeit nach einem vorher festgelegten Zeitraum einfach enden.
Teils ist daher auch von einer Ehe auf Probe die Rede, in der englischsprachigen Diskussion hat sich der Begriff „Beta-Marriage“ durchgesetzt. Die Probezeit dieser Ehen reicht in der Diskussion von zwei bis sieben oder sogar zehn Jahren. Wenn einer oder beide Partner die Ehe nach Ablauf dieser Probezeit beenden wollen, brauchen sie dafür keine Scheidung – und sparen so viel Energie, Zeit und Geld.
Gabriele Pauli hatte 2007 übrigens einen etwas radikaleren Ansatz der Ehe auf Zeit: Wenn das Paar seine Ehe nach sieben Jahren nicht aktiv verlängere, ende die Ehe automatisch. So erzählte es die ehemalige Kandidatin für den CSU-Vorsitz, als sie die Idee gemeinsam mit ihrem Programm einst in München vorstellte.
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Ehe auf Zeit und Probeehe: Woher stammt die Idee?
Die Idee hinter der zeitlich begrenzten Ehe gab es schon weit vor der christlichen Partei aus Bayern. Bereits keltische Völker nutzen das Hochzeitsritual des sogenannten „Handfasting“, um unter anderem temporäre Ehen zu feiern. Die Paare gingen dabei eine ein Jahr und einen Tag lange Bindung ein. Einen Amtsträger als Zeugen von offizieller Stelle brauchte man dafür nicht.
Noch im 17. Jahrhundert war diese Ehe auf Zeit in Schottland populär: Ein Mann hatte dort die Erlaubnis, sich erst nach dem Probejahr für die zweite, „richtige“ Hochzeit mit seiner Auserwählten zu entscheiden und damit auch eventuell gezeugte Kinder anzunehmen. Erst seit 1939 ist die Ehe durch Handfasting nicht mehr offiziell anerkannt – die dortige Kirche hatte die Praktik allerdings schon im 18. Jahrhundert verbannt.
Ehe auf Zeit – In welchen Ländern gibt es sie noch?
Es gibt auch heute noch Länder, in denen die Ehe auf Zeit legal existiert. Eines der Konzepte dahinter stammt aus dem schiitischen Islam und heißt dort Mutʿa-Ehe. Praktiziert wird sie etwa im Iran oder im Irak. Mut‘a bedeutet auf Arabisch wortwörtlich „Freude“: Die zeitlich begrenzte Ehe ist auf einen Zeitraum zwischen 30 Minuten und 99 Jahren festgelegt. Die Paare dürfen diesen selbst festlegen. Die Kurzzeitehe befreit den Ehemann oder die Ehefrau von vielen Ehepflichten und funktioniert ansonsten wie ein normaler Vertrag.
Ursprünglich war die schiitische zeitlich begrenzte Ehe ein Mittel, um die Vorteile einer Ehe ohne gesellschaftliche Nachteile für kurze Zeit nutzen zu dürfen: Wenn zum Beispiel ein Händler oft den Wohnort wechseln musste, konnte er sich in jeder neuen Stadt von einer Ehefrau auf Zeit versorgen lassen.
Heute gilt die Ehe auf Zeit oft als Tarnung für Prostitution und legitimiert sexuelle Kontakte, die zwischen Unverheirateten normalerweise nicht erlaubt wären. Im Islam gilt die Ehe auf Zeit daher als ziemlich kontrovers: Viele schiitische Korangelehrte lehnen sie ab, der sunnitische Islam oder schiitische Zweige wie der Zaidismus erlauben die Mut‘a-Ehe gar nicht erst.
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Warum wünschen sich junge Menschen die Ehe auf Probe?
Die geschichtlichen Hintergründe der Ehe auf Zeit passen nicht unbedingt in unser heutiges Zeitalter – und doch sprechen sich vor allem junge Menschen vermehrt für eine Anpassung des ehelichen Konzepts aus. Bereits 2014 kam eine repräsentative Studie unter damals 18- bis 34-Jährigen in den USA zum Ergebnis, dass 43 Prozent eine Ehe mit zweijähriger Probezeit begrüßen würden.
Auch andere Modelle kamen bei den Befragten gut an: So wünschte sich ein Fünftel ein „präsidentielles“ Ehekonzept, bei der die Ehe nach vier Jahren verlängert und nach acht Jahren beendet werden kann. Immerhin 36 Prozent konnten sich Ehen mit unterschiedlich langen Laufzeiten vorstellen, die immer wieder neu verhandelt und verlängert werden können.
Ehe auf Zeit: Welche Argumente werden in der Diskussion noch angeführt?
Kritikerinnen und Kritiker sehen in der Ehe auf Zeit ein Zeugnis für das fehlende Verpflichtungsgefühl und Engagement einer jungen Generation in Beziehungen. Dabei zeigt die Begeisterung für das alternative Ehemodell auch auf, warum der Hyperfokus unserer Gesellschaft auf die Ehe problematisch ist.
Verheiratete genießen gegenüber Unverheirateten schließlich allerhand Vorteile: von niedrigeren Steuersätzen über die Anerkennung als Elternteil bis hin zum Versicherungsschutz. Das macht eine Ehe verlockend – auch wenn Familien natürlich auch ohne Trauschein glücklich sein können und vielen mittlerweile bewusst ist, dass nicht alle Ehen das ganze Leben lang halten.
Ehe light: In welchen Ländern gibt es sie bereits?
Zahlreiche Länder weltweit haben auf diese Entwicklung bereits reagiert und zivilrechtliche Lebensgemeinschaften eingeführt, die sowohl für gleichgeschlechtliche als auch heterosexuelle Paare möglich sind. Dazu gehören etwa:
- Südafrika
- Bolivien
- Belgien
- Frankreich
- Niederlande
- Luxemburg
- Australien
- Spanien
- Mexiko
- Israel
- Liechtenstein
Die genaue Ausarbeitung der Modelle ist unterschiedlich: In Frankreich und Luxemburg etwa gibt es den Zivilen Solidaritätspakt (PACS), bei dem Paare etwa steuerliche Vorteile genießen, die Gemeinschaft aber durch eine schriftliche Erklärung wieder auflösen können.
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Ehe mit Probezeit: Ist die Ehe Light in Deutschland auch möglich?
Ob ein solches System auch in Deutschland möglich wäre, ist derzeit ungewiss. Experten und Expertinnen schätzen, dass ein Ehe-light-Modell wie der PACS nicht mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar wäre. Die deutsche Verfassung schützt das Eherecht besonders, die Versorgungspflichten und die Rechte einer Ehe – etwa im Krankheitsfall – sind umfassend.