Berlin. Gerade an Weihnachten können alte Konflikte in Familien aufbrechen. Eine Psychologin erklärt, wie wir uns darauf vorbereiten können.
Weihnachten – das Fest der Liebe. Während sich die einen nichts Schöneres vorstellen können, als die Festtage mit der Familie zu verbringen, kriegen die anderen schon Anfang Dezember Magenzwicken, wenn sie daran denken. Birte Hoffmann, systemische Therapeutin aus Essen, erklärt, wie wir Streit vermeiden und trotz alter Konflikte inneren Frieden schließen können.
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Frau Hoffmann, wie schaffe ich es, dass Weihnachten harmonisch abläuft, obwohl Konflikte im Raum stehen?
Hoffmann: Man kann Themen begrenzen. Es macht Sinn, sich schon vorher Gedanken zu machen und zu gucken: Worüber will ich mit der Familie sprechen? Wie will ich den Kontakt gestalten, damit ich mich gut damit fühle? Wenn ein bestimmtes Thema angesprochen wird, kann man der anderen Person vielleicht mitteilen, dass man darüber gerade nicht sprechen möchte oder sagen, dass es einen aufwühlt.
Wird man beispielsweise immer wieder von den Eltern kritisiert, kann man Strategien entwickeln, um mit diesen heftigen Gefühlen umzugehen. Wenn man den Konflikt nicht aufmachen möchte, kann man den Raum verlassen, um tief durchzuatmen. Ich finde es immer gut, für sich zu sorgen. Dabei können gezielte Übungen oder Klopf-Techniken helfen. Ich bin immer dafür, ehrlich zu sagen: Darüber möchte ich jetzt nicht reden und ich möchte jetzt auch nicht von dir kritisiert werden. Grenzen aufzeigen!
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Wie kann ich meinen inneren Frieden mit meinen Eltern und Konfliktthemen finden?
Hoffmann: Es kann hilfreich sein, die Kindheit und die daraus resultierenden Muster der Eltern zu verstehen, um darauf basierend Empathie für sie aufzubauen. Was, wenn die eigenen Eltern selbst niemals die Erfahrungen gemacht haben, die man in der Kindheit so schmerzlich vermisst hat? Oder was, wenn die Eltern einfach Menschen mit eigenen Unzulänglichkeiten sind, die einst selbst verletzte Kinder waren? Das Streben nach Verständnis bedeutet nicht zwangsläufig, die Handlungen der Eltern gutzuheißen. Vielmehr geht es darum, einen umfassenderen Zusammenhang zu erkennen.
Zu verzeihen bedeutet nicht, die Eltern von jeglicher Schuld freizusprechen. Beim Verzeihen geht es vielmehr um die Befreiung von einer persönlichen Last. Einige Experten sagen, dass Vergebung notwendig sei, um inneren Frieden zu finden. Ich teile die Ansicht, dass Verzeihen einen positiven Einfluss auf den inneren Frieden hat. Gleichzeitig ist es wichtig zu erkennen, dass es Dinge gibt, die Menschen möglicherweise nicht verzeihen können – je nachdem, wie schlimm sie waren. Und auch da sollten sie den Freiraum bekommen, ihre eigene Entscheidung zu treffen.
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Warum ist es gerade im familiären Kontext oft so schwer, die eigenen Grenzen zu kommunizieren?
Hoffmann: Die Familie wird oft als ein sicherer Hafen betrachtet. Eine Bindung, die als unerschütterlich gilt. Einige Menschen fürchten, diese Bindung zu verlieren, wenn sie sich offenbaren und zeigen, wer sie wirklich sind. In meiner therapeutischen Praxis begegne ich zum Beispiel häufig Menschen, die zögern, über ihre religiösen Überzeugungen zu sprechen, weil sie eine andere Ansicht vertreten als der Rest der Familie. Aus Angst vor einem möglichen Kontaktabbruch passen sie sich lieber an, anstatt das Risiko einzugehen, etwas Bedeutsames zu verlieren.
Kann es helfen, sich für das Zusammentreffen mit der Familie einen Verbündeten zu suchen?
Hoffmann: Auf jeden Fall. Falls eine offene Kommunikation mit den Geschwistern besteht, kann man zum Beispiel vorab ein Zeichen vereinbaren, damit der andere das Thema wechselt. Auch der Partner oder die Partnerin kann sich schützend vor einen stellen – die sind jedoch oft in dem Konflikt, dass sie sich auch mit den Schwiegereltern verstehen möchten.
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Was kann ich vor den Festtagen tun, um mich innerlich zu stärken?
Hoffmann: Was hilfreich sein kann, ist einen Brief an die Person zu schreiben, mit der ein Konflikt besteht. Der wird nicht abgeschickt, sondern dient nur dazu, für sich selbst runter zu schreiben, wie man empfindet und was einen stört. So kann man ein bisschen Ballast loswerden. Man kann sich auch vorstellen, dass man mit der Person spricht und in diesem fiktiven Gespräch die ganze Wut, die Trauer und die Konflikte abgeben.
In der Praxis arbeite ich viel mit Stellvertretern, zum Beispiel Stühlen – dabei stellt man sich die Konfliktpartner vor und wird erst mal die ganzen Emotionen los, die einen beschäftigen. Außerdem macht es Sinn, sich bereits vorab Strategien zu überlegen, wie man in der Situation reagieren kann. Ich finde es total wichtig, dass der Kontakt nicht passiv geschieht und man der Situation nicht so ausgeliefert ist. Stattdessen sollte man aktiv in die Kontaktgestaltung gehen und sich einen Plan machen, wie man mit der Situation umgehen kann: Was möchte ich und wo ist meine Grenze? So kann man vielleicht ein bisschen entspannter ins Fest gehen.