Hagen. Der Umzug von Essen nach Hagen hätte Karin Köster fast ihren Job gekostet. Die Misere der fehlenden Plätze im Offenen Ganztag wird hier deutlich.

  • Karin Köster ist mit ihrer Tochter Johanna von Essen nach Hagen gezogen, das hätte sie fast den Job gekostet
  • Erst in letzter Minute hat sie für die Siebenjährige einen Platz im Offenen Ganztag gefunden.
  • Platz in Hagen kostet 80 Euro mehr – die Betreuungszeit ist aber eine Stunde kürzer

Jung, erfolgreich im Beruf, Mutter einer Tochter (7) — und mit ihrem Lebensgefährten von der boomenden Ruhr-Metropole Essen nach Halden gezogen: Karin Köster könnte die Protagonistin für einen Werbeflyer der Stadt Hagen sein, in dem um Neu-Bürger, um junge Familien geworben wird.

Eine Stunde Betreuungszeit weniger

Doch die 35-Jährige hadert mit ihrer neuen Heimatstadt: Nicht nur, dass sie hier für die Offene Ganztagsschule (OGS) 80 Euro mehr zahlen muss als in Essen — und das für eine Stunde Betreuungszeit weniger. Sie hat auch nur mit sehr viel Glück und in allerletzter Minute einen Platz für ihre Tochter Johanna gefunden.

Anderenfalls hätte sie ihren Job aufgeben müssen — eine Horrorvorstellung für Karin Köster. „Ich bin eine berufstätige Frau, ich will arbeiten, das ist Teil meines Lebens.“ Und so ist ihr Fall doch weniger für eine Werbebroschüre geeignet, er ist vielmehr Symbol für die OGS-Misere in Hagen. 359 Kinder warten derzeit auf einen Platz (WP berichtete).

Kein Chance in naher Schule

In Essen kannte die 35-Jährige solche Probleme nicht. Ganz in der Nähe ihrer Wohnung im angesagten Stadtteil Rüttenscheid fand sie eine geeignete Grundschule für ihre Tochter Johanna aus erster Ehe und auch einen OGS-Platz. Für den musste sie in Essen 100 Euro zahlen. Die Wohnung dort wurde aber zu klein, gemeinsam mit ihrem heutigen Lebensgefährten suchte sie ein Haus.

Die  Kinderbetreuung im Offenen Ganztag ist in Hagen ein großes Thema.
Die Kinderbetreuung im Offenen Ganztag ist in Hagen ein großes Thema. © Michael Kleinrensing

In Essen allerdings war das Ziel für die junge Familie nicht finanzierbar – und auch in anderen Städten war die Suche in Zeiten eines überhitzten Immobilienmarktes aussichtslos. Doch dann konnte Hagen, die Geburtsstadt von Karin Kösters Lebensgefährten, einen Pluspunkt ausspielen: relativ günstige Immobilien. In Halden konnten sie sich den Traum vom Eigenheim verwirklichen. Ende Mai 2017 wurde der Vertrag besiegelt, gleich am Tag darauf wollte Karin Köster ihre Tochter Johanna für das zweite Schuljahr anmelden.

Ihre Hoffnung, dass die Siebenjährige in die wenige Gehminuten entfernte Grundschule in Halden gehen könnte, wurde allerdings jäh zerstört: „Man hat mir gleich gesagt, dass kein Platz frei und die Warteschlange lang sei.“ Von einem OGS-Platz ganz zu schweigen. Doch auf den ist Karin Köster angewiesen. Sie muss nicht nur arbeiten, um gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten das Haus zu finanzieren: Sie will vor allen Dingen auch arbeiten.

In Overbergschule Platz gefunden

Karin Köster ist beim Erzbistum Essen beschäftigt, ist dort als stellvertretende Abteilungsleiterin für die Weiterbildung von ehrenamtlichen Mitarbeitern in der Jugendbildung im gesamten Bistum verantwortlich und pendelt zur Arbeit von Hagen nach Essen. „Ich kann meine Arbeit nicht einfach liegen lassen. Ich bin natürlich völlig überzeugte Mutter. Aber ich habe auch hart dafür gearbeitet, dass ich stellvertretende Abteilungsleiterin geworden bin.“

Sie fühlte sich allein gelassen mit ihren Sorgen. „Die Schulsekretärin hat mich gefragt, ob wir denn keine anderen Alternativen habe. “ Letztlich war es der Rat aus der Familie ihres Lebensgefährten, der sie zur Overbergschule in Boelerheide führte. „Da habe ich mich dann auch erstmals von der Schulleiterin richtig verstanden gefühlt. Sie hat gesagt, dass sie selbst berufstätige Mutter ist und sich für mich reingehängt.“ Letztlich, so Karin Köster, habe sie sowohl einen Grundschulplatz als auch einen Platz im Offenen Ganztag bekommen. „Die Schulleiterin hat mir gesagt, dass es der letzte in Hagen gewesen sei.“

Dass sie jetzt 80 Euro mehr bezahlen muss, dafür ihr Kind aber nicht mehr bis 17 Uhr, sondern maximal bis 16 Uhr betreut wird, nimmt Karin Köster dafür zähneknirschend hin. Was bleibt, ist aber ihr Eindruck von einer wenig frauenfreundlichen Haltung in Hagen: „Ich hatte das Gefühl, dass viele das nicht so dramatisch sehen wie ich. Ich frage mich, was das für ein Frauenbild ist“, sagt Karin Köster und hofft auf einen Sinneswandel in ihrer neuen Heimat.

>>HINTERGRUND: 359 Kinder auf der Warteliste

  • Der Mangel an Plätzen in der Ganztagsbetreuung ist inzwischen auch ein großes Thema in der Kommunalpolitik. Weil die Stadt selbst zu wenig Geld für mehr Offene Ganztagsschulen hat, will sie, dass das Land fünf Grundschule zu gebundenen Ganztagsschulen macht – die müsste das Land finanzieren.
  • Von 6689 Grundschülern in Hagen werden 2185 im Offenen Ganztag betreut (32,6 Prozent). 359 Kinder sind auf der Warteliste, 83 gelten als dringende Fälle.