Hagen. . 318 Kinder in Hagen können nicht in den Offenen Ganztag aufgenommen werden, obwohl ihre Eltern dies wünschen. Kapazitäten sind nahezu erschöpft.

  • In Hagen besteht ein akuter Mangel an Plätzen für den OffenenGanztag
  • Insgesamt können derzeit 318 Kinder nicht in den Offenen Ganztag aufgenommen werden
  • Sozialdezernentin Margarita Kaufmann will sich einschalten

Simone Eichler (42) hat eine erwachsene Tochter und einen siebenjährigen Sohn. Nachdem die zweifache Mutter eine Vollzeitstelle gefunden hatte, wollte sie ihren Jungen im Offenen Ganztag der Grundschule unterbringen – und wäre fast gescheitert: „In der Grundschule sagte man mir, die Warteliste für die OGS-Plätze sei sehr lang und man könne mich nicht berücksichtigen.“

Kapazitäten erschöpft

So wie Simone Eichler geht es zahlreichen Eltern in Hagen. 318 Kinder können derzeit nicht in den Offenen Ganztag aufgenommen werden, obwohl ihre Mütter und Väter dies wünschen.

Die Kapazitäten in den OGS-Bereichen der 29 städtischen Grundschulen sind nahezu erschöpft, nur vereinzelt wird mal ein Platz frei. Die Eltern von 55 Kindern auf der Warteliste haben sogar dringenden Bedarf angemeldet, sie würden ihr Kind am liebsten sofort im OGS betreuen lassen.

„Die Situation ist sehr unbefriedigend, wir würden gern mehr für die betroffenen Familien tun“, gibt Sozialdezernentin Margarita Kaufmann zu: „Es kann und darf einfach nicht sein, dass Eltern ihren Beruf nicht ausüben können, weil im Ganztagssystem kein Platz für die Kinder vorhanden ist.“

6518 Grundschüler (ohne Freie evangelische Schule, Waldorfschule und Hagen-Schule) gibt es derzeit in Hagen, 2163 von ihnen werden nach Unterrichtsschluss im Offenen Ganztag betreut. Das entspricht einer Quote von 33,2 Prozent. „Zu wenig“, so­ Kaufmann, die weitere OGS-Plätze schaffen will: „Damit Männer und Frauen, die oft selbst eine teure Ausbildung hinter sich haben, ihrem Beruf nachgehen können.“

Nur so könne eine moderne und gleichberechtigte Gesellschaft verwirklicht werden.

Stadt fehlt das benötigte Geld

Doch der finanziell klammen Stadt fehlt das Geld für eine OGS-Offensive. 917 Euro beträgt der städtische Anteil pro Schüler im Jahr, für Kinder mit Förderbedarf ist er weitaus höher.

Insgesamt wendet die Stadt im Jahr 4,75 Millionen Euro für die Ganztagsbetreuung auf – eine Aufstockung wäre nur möglich, wenn eine Mehrheit im Rat den Kurs der Haushaltsdisziplin verlässt und die Bezirksregierung in Arnsberg zustimmen würde.

Zwar soll an der Grundschule in Helfe ein neuer Ganztag entstehen, ein Ausbau vorhandener Bereiche ist aber nicht möglich und wäre angesichts der Vielzahl von betroffenen Familien auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Kaufmann fordert daher, das OGS-System von Grund auf zu reformieren und aus dem freiwilligen einen gebundenen Ganztag zu machen, an dem die Teilnahme, wie am Vormittagsunterricht, verpflichtend wäre.

Hilfskonstruktion

„Wir müssen ehrlich sein: Der OGS in seiner jetzigen Form ist eine Hilfskonstruktion.“ Doch die Landesregierung scheue die Kosten des pädagogisch eigentlich notwendigen gebundenen Ganztags. „Heutzutage wird auch beim Thema Schule auf die Finanzen geschielt.“

Dennoch: 2017 wollen die Sozialdezernentin und Fachbereichsleiter Jochen Becker den Ausbau des OGS in Hagen wieder auf die Tagesordnung bringen. „Vielleicht können ja durch eine Veränderung der Standards mehr Plätze für gleiches Geld angeboten werden“, überlegt Becker.

Unterstützung gefunden

Simone Eichler hatte Glück. Die Mutter fand Unterstützung beim Jobcenter, das die Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt, Patricia Reit, einschaltete, die sich gemeinsam mit Stadt und Schule um eine Betreuungsmöglichkeit bemühte. Nach wenigen Tagen hätte Simone Eichler einen OGS-Platz haben können. Doch sie entschied sich für eine andere Lösung: Ihr Sohn wechselte die Schule, um in der Nähe der Großeltern zu sein. „Manchmal muss ich länger als bis 16 Uhr arbeiten. Dann ist es gut, wenn meine Eltern ihn abholen“, berichtet Eichler.

Nun hofft sie wieder darauf, in der neuen Schule ab Januar einen OGS-Platz zu erhalten.