Hagen. . Die Nachfrage nach Betreuung am Nachmittag in Südwestfalens Grundschulen steigt. Doch mehr Betreuungsplätze einzurichten ist kaum möglich.

  • Nachfrage nach Betreuung am Nachmittag steigt in Südwestfalen weiter an
  • Weiterer Ausbau scheitert an Räumen, Personal und Geld
  • Bertelsmann-Stiftung fordert Investitionen in Höhe von 15 Milliarden Euro bundesweit

Der Ausbau der Ganztagsschulen ist vorangekommen – aber nicht so weit wie nötig. „Fast drei Viertel der Eltern wünschen sich einen Ganztagsplatz für ihr Kind“, so das Ergebnis einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung aus Gütersloh. Tatsächlich sind der Studie zufolge bundesweit gerade einmal 39,3 Prozent der Kinder versorgt (Schuljahr 2015/16).

Plätze im Offenen Ganztag in Südwestfalen - OGS
© Manuela Nossutta

Etwas niedriger noch die Quote in Südwestfalen: An den Grundschulen werden im Regierungsbezirk Arnsberg in diesem Schuljahr etwa 47 000 Kinder im offenen Ganztag betreut, ein Anteil von etwa 38 Prozent aller Grundschulkinder. Immerhin ein deutliches Plus gegenüber dem Schuljahr 2011/12, als nach Zahlen des statistischen Landesamtes gerade 27 Prozent der Grundschulkinder im offenen Ganztag (OGS) waren.

Wartelisten

Nicht nur Masse, sondern auch Klasse

Es geht nicht allein darum, die Zahl der Plätze auszubauen, sondern auch die Qualität der Betreuung, fordert Jochen Winter von der Awo im Ennepe-Ruhr-Kreis.

  • Anders als in den Kindergärten ist jedoch im offenen Ganztag weder ein Personalschlüssel vorgeschrieben, noch die Qualifikation der Betreuer oder die Raumausstattung.

  • Bessere Qualität müsse auch finanziert werden, so Johannes Anft von der Awo im Märkischen Kreis. Bisher zahle das Land eine Pauschale von knapp 1000 Euro pro Kind im Jahr, zwischen 450 bis 500 Euro zahlten die Kommunen, manche freiwillig mehr. Nur wenige aber kämen an die mehr als 3000 Euro heran, die die Wohlfahrtspflege fordert, so Anft.

  • Zu wenig aber für die Eltern. Im Kindergarten hatten sie noch Anspruch auf einen Betreuungsplatz und ihre Berufstätigkeit entsprechend geplant. Doch Grundschule und Arbeit miteinander zu vereinbaren, wird für manche Eltern schwierig: „Es gibt jede Menge Eltern, die keinen Platz bekommen“, so Jochen Winter, Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt (Awo) im Ennepe-Ruhr-Kreis. Die vorhanden Plätze vergibt er zunächst an Alleinerziehende, an Eltern mit mehreren Kindern, an Familien, in denen Vater und Mutter Vollzeit berufstätig sind.

    „Es gibt Wartelisten“, bestätigt Johannes Anft von der Awo Hagen-Märkischer Kreis. „Der Bedarf ist größer als die Kapazitäten“, so Christoph Söbbeler, Sprecher der Bezirksregierung Arnsberg. „Das Ziel der Vereinbarkeit von Familie und Beruf kann doch nicht mit dem Wechsel in die Grundschule aufgegeben werden“, kritisiert Jochen Winter.

    Gesellschaftlicher Wandel

    Die Nachfrage in den Grundschulen wird noch weiter zunehmen, so die Einschätzung aus der Bezirksregierung und der Träger der Ganztagsbetreuung. Nicht nur, weil die Geburtenzahlen steigen und Familien zuwandern, sondern auch, weil sich die Gesellschaft gewandelt habe, sagt Johannes Anft.

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    Väter und Mütter, die ihre Kinder in eine Betreuung gäben um zu arbeiten, würden nicht mehr als Rabeneltern angesehen. So verzeichnet Anft mittlerweile im ländlichen Südwestfalen auch Betreuungsbedarf aus Kommunen, die vor Jahren noch behaupteten, keine OGS zu brauchen. „Schulen, die keinen offenen Ganztag haben, sind mittlerweile nicht mehr konkurrenzfähig“, sagt Jochen Winter.

    Gruppen vergrößert

    Eine Ganztagsquote von 80 Prozent bis zum Jahr 2025 – das ist die Forderung der Bertelsmann-Stiftung. Ein Ziel, das allerdings kaum umsetzbar scheint. Es fehlt an Räumen. „Die Betreuung platzt aus allen Nähten“, erzählt Marietta Völlmecke vom Sozialdienst katholischer Frauen in Arnsberg. Noch kann sie den eigenen Anspruch halten, dass keine der Gruppen den Nachmittag in einem Klassenraum verbringen muss, in dem sie morgens Unterricht hatte. Einen Ruheraum aber, in den sich müde Kinder zurückziehen können, kann sie den Kleinen nicht bieten. Schulhof und Turnhalle sind zusätzliche Betreuungsräume, so Völlmecke.

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    Mancher Träger muss sich damit behelfen, dass Gruppen vergrößert werden auf bis zu 30 Kinder, räumt Jochen Winter ein. Ein weiterer Ausbau der Ganztagsbetreuung im Bestand der Schulgebäude sei vielerorts nicht mehr möglich. In Iserlohn hat die Stadt deshalb damit begonnen, auszubauen und Container aufzustellen. So kommt die Kommune auf eine Betreuungsquote von 51 Prozent. 15 Milliarden Euro müssten kommunale Schulträger bundesweit investieren, um die nötige räumliche Infrastruktur zu schaffen, schätzt die Bertelsmann-Stiftung.

    Schlechterer Tarifvertrag

    2,8 Milliarden Euro müssten für zusätzliche Personalkosten aufgebracht werden, um etwa 31 000 zusätzliche Lehrer und 16 000 pädagogische Fachkräfte einzustellen, schätzt die Stiftung. Woher aber das Personal nehmen? Es fehlten schon heute Erzieher, klagt Jochen Winter. Ein Grund: Für die Erzieher im offenen Ganztag würde ein schlechterer Tarifvertrag gelten als für Erzieher in Kindergärten, so Winter. „Das haben sie nicht verdient, aber sonst wäre das System nicht bezahlbar.“