Berlin. Der Osten ist nach der Bundestagswahl AfD-blau eingefärbt. Doch auch zwei Linken-Politiker und ein SPD-Mann gewannen dort ein Direktmandat.

Der Blick auf die Karte zeigt nach der Bundestagswahl ein geteiltes Land: Während im Westen Deutschlands der Großteil der Wahlkreise von der Union und einige von SPD und Grünen gewonnen wurden, war im Osten die AfD in fast allen Wahlkreisen siegreich. Nur drei Inseln stechen hier im blauen AfD-Meer hervor: In Thüringen und Sachsen ging jeweils ein Direktmandat an die Linke, in Brandenburg eins an die SPD. Wer sind die Helden des Ostens? Nur so viel vorweg: Einer von ihnen ist eigentlich der größte Verlierer der Wahl.

Ex-Ministerpräsident Bodo Ramelow gewinnt in Erfurt

Eigentlich hätte das Jahr 2024 das Ende der politischen Karriere Bodo Ramelows (69) sein können. Seit 2014 war der westdeutsche Gewerkschafter Ministerpräsident von Thüringen und damit der erste Regierungschef der Linkspartei überhaupt. Mit den Jahren entwickelte er sich vom Linken-Pragmatiker zum allseits beliebten Landesvater, der trotz politischer Differenzen selbst bei Konservativen Ansehen genoss. Dennoch stürzte seine Partei bei der Landtagswahl im vergangenen Jahr ab. Infolgedessen bildete der CDU-Politiker Mario Voigt eine Koalition mit BSW und SPD.

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Einen ähnlichen Absturz wie in Thüringen drohte der Linken im Herbst vergangenen Jahres auch auf Bundesebene. Retten sollte die Partei die „Mission Silberlocke“, bei der die drei Urgesteine Gregor Gysi (77), Dietmar Bartsch (66) und Ramelow Direktmandate gewinnen wollten, damit die Linke auch bei einem möglichen Verfehlen der Fünfprozenthürde erneut in den Bundestag einzieht. Ramelow trat hierfür im Wahlkreis Erfurt – Weimar – Weimarer Land II an, wo er auch schon bei der Landtagswahl ein Direktmandat gewonnen hatte.

Ramelow gewann den Wahlkreis am Sonntag mit 36,8 Prozent der Stimmen. Und auch wenn die Linke am Ende die Mandate der „Silberlocken“ nicht brauchte, um in den Bundestag zu kommen, wird der 69-Jährige nun nach 2005 schon ein zweites Mal im Parlament sitzen. Und als Ex-Ministerpräsident in der neuen Fraktion wohl auch eine prominente Rolle spielen.

Sören Pellmann holt zum dritten Mal Leipzig II

Landesvertreterversammlung der Linken Sachsen zur Bundestagswahl
Sören Pellmann gab sich im Wahlkampf kämpferisch. Der Linken-Politiker konnte sein Direktmandat im Leipziger Süden nun schon zum dritten Mal gewinnen. © DPA Images | Jürgen Lösel

2021 war Sören Pellmanns Direktmandat eines von dreien, das die Linke trotz der damaligen 4,9 Prozent ins Parlament rettete. Nun zog die Linke mit 8,8 Prozent locker in den Bundestag ein. Und auch Pellmann legte deutlich zu und gewann seinen Wahlkreis Leipzig II mit 36,8 Prozent der Stimmen. Mit für linksextreme Krawalle berüchtigten Stadtteilen wie Connewitz ist der Leipziger Süden traditionell eine Hochburg der Linken.

1993 trat der gebürtige Leipziger und Förderschullehrer Pellmann in die Linken-Vorgängerpartei PDS ein. Seit 2009 sitzt der 48-Jährige für die Linke im Leipziger Stadtrat. Bei der Bundestagswahl 2017 konnte er dann erstmals den Wahlkreis für die Linke gewinnen.

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Als sich die Linksfraktion im Bundestag aufgrund der Abspaltung von Sahra Wagenknechts BSW im Dezember 2023 auflösen musste, wurde Pellmann neben TikTok-Ikone Heidi Reichinnek zu einer der beiden Vorsitzenden der neuen Linken-Gruppe gewählt. Dass er nun derart fulminant sein Direktmandat verteidigt hat, dürfte seine Positionen stärken, nun auch in der neuen Linksfraktion den Vorsitz zu übernehmen.

Wahlverlierer Olaf Scholz gewinnt Potsdam

Wahlkampf SPD mit Bundeskanzler Scholz - Potsdam
Olaf Scholz beim Wahlkampf in Potsdam. In seinem Wahlkreis dürfte der baldige Ex-Kanzler nun häufiger zu sehen sein. © DPA Images | Kay Nietfeld

Für Olaf Scholz (66) dürfte es nur ein schwacher Trost sein: Schon zum zweiten Mal gewann der nun scheidende Bundeskanzler am Sonntag seinen Wahlkreis 61 (Potsdam – Potsdam-Mittelmark II – Teltow-Fläming II) und damit den einzigen Wahlkreis für die SPD in Ostdeutschland. Mit 21,8 Prozent bekam er allerdings deutlich weniger Erststimmen als noch 2021. Auf den zweiten Platz kommt CDU-Kandidatin Tabea Gutschmidt mit 20,6 Prozent, gefolgt von AfD-Bewerber Alexander Tassis mit 19,0 Prozent. Nur Rang vier erreicht die Grünen-Außenministerin Annalena Baerbock mit 15,9 Prozent

Der langjährige Hamburger Bürgermeister lebt seit 2017, als er Bundesfinanzminister wurde, mit seiner Frau Britta Ernst in Potsdam – wo er ab und zu beim Joggen zu sehen ist. 2021 gewann Scholz als SPD-Kanzlerkandidat die Bundestagswahl. Doch nach nur dreieinhalb Jahren im Amt muss er das Kanzleramt in wenigen Wochen für seinen voraussichtlichen Nachfolger Friedrich Merz räumen.

Minister in der neuen Regierung will Scholz nicht werden, so wird er voraussichtlich die Legislaturperiode als Hinterbänkler im Bundestag verbringen. Dass er das Direktmandat auch bei einer Abwahl als Kanzler annehmen würde, hatte er schon im Herbst klargemacht: „Das höchste Amt, in das man in Deutschland direkt gewählt werden kann, ist das des Abgeordneten im Deutschen Bundestag“, sagte er bei seiner Nominierung. Am Montag, einen Tag nach der Bundestagswahl, bestätigte er das noch einmal in Berlin nach Beratungen der Parteigremien.