Berlin. Der Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz warnt vor einer akuten Bedrohung durch Russland und fordert einen drastischen Kurswechsel.

Deutschland soll einen nationalen Sicherheitsrat bekommen, sich stärker in Europa engagieren und Entwicklungshilfe auch an die Rücknahme illegaler Migranten knüpfen: Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) hat angekündigt, im Fall einer Regierungsübernahme die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik grundsätzlich neu auszurichten und viel stärker im Kanzleramt zu konzentrieren. „Wir brauchen einen Politikwechsel, um unsere Interessen und Werte effektiv zu vertreten“, sagte Merz in einer außenpolitischen Grundsatzrede bei der Körber-Stiftung in Berlin.

Merz zeichnete ein düsteres Bild der Lage: „Unsere europäische Sicherheit ist akut bedroht durch Russland. Der Angriffskrieg gegen die Ukraine ist nicht nur eine Zeitenwende, es ist ein wirklicher Epochenbruch.“ Die Welt stehe vor der Ära einer neuen Systemkonfrontation zwischen anti-liberalen, revisionistischen Mächten wie China und Russland und den liberalen Demokratien, für die der bisherige Instrumentenkasten der Außen- und Sicherheitspolitik nicht genüge. Aufgabe einer von ihm geführten Bundesregierung werde es zunächst sein, wieder volle Handlungsfähigkeit in der Außenpolitik herstellen.

Merz setzt auf ein Signal: „Auf Deutschland ist wieder Verlass“

Dazu gehöre ein Ende des öffentlichen Streits in der Regierung, der in den Jahren der Ampel-Koalition Vertrauen bei Partnern und Verbündeten beschädigt habe. Das Signal müsse sein: „Auf Deutschland ist wieder Verlass.“ Zu den wichtigsten Plänen des CDU-Chefs gehört die Einrichtung eines nationalen Sicherheitsrats im Kanzleramt, dem die Bundesminister für Außen- und Sicherheitspolitik, Entwicklungs- und Europapolitik sowie Vertreter der Bundesländer und der Sicherheitsbehörden angehören sollten. Das Gremium soll „Dreh- und Angelpunkt“ für gemeinsame strategische Entscheidungen sein, die dann auch nach außen gemeinsam vertreten werden sollen.

Merz warb zugleich für eine stärkere Rolle Deutschland in der EU: Er wolle das Verhältnis zu Frankreich und Polen reparieren, beide Hauptstädte werde er schon am ersten Tag einer Kanzlerschaft besuchen. Im Verhältnis zu Polen wolle er die bisherige „Sprachlosigkeit“ beenden, mit dem französischen Präsidenten „die Vision eines souveränen Europa verwirklichen“. Die europapolitische Koordinierung soll stärker beim Kanzleramt liegen. Die Bundesminister müssten regelmäßig an den EU-Treffen teilnehmen, eine Voraussetzung für ein Ministeramt sei „alltagstaugliches Englisch“.

Merz: Entwicklungshilfe nur noch gegen Kooperation bei Abschiebungen

Der CDU-Chef skizzierte auch eine Neuordnung der Entwicklungspolitik, die klare Bedingungen für Hilfen formulieren müsse: „Ein Land, das ausreisepflichtige Migranten nicht zurücknimmt, wird künftig keine Entwicklungshilfe mehr bekommen“, sagte er. Maßstab müsse aber auch der Kampf gegen Korruption oder die Rolle des jeweiligen Landes als Absatzmarkt für die deutsche Wirtschaft sein.

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Meine schwerste Entscheidung

Mit Blick auf Israel forderte Merz, das „faktische Embargo“ für deutsche Rüstungsexporte aufzuheben: Israel müsse bekommen, was es benötige. Merz bekräftigte auch die Forderung, die militärische Unterstützung für die Ukraine konsequent fortzusetzen. „Wir alle wollen so schnell wie möglich Frieden“, sagte Merz, aber es müsse ein Frieden in Freiheit und Sicherheit sein: „Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen“. Klar sei aber auch, dass Deutschland nicht Kriegspartei werden dürfe.

Mit Blick auf US-Präsident Donald Trump warb Merz erneut dafür, dessen zweite Amtszeit „auch als Chance für Europa zu sehen“. Um von Trump ernst genommen zu werden, müsse Europa seine Hausaufgaben machen und einen klaren Blick auf die eigenen Interessen richten. Merz betonte, er rechne nicht damit, dass Trump seine Äußerungen über eine mögliche Annexion Grönlands wahr machen werde. Es sei vielmehr Trumps Methode, so den Blick für Herausforderungen in einer geostrategisch wichtigen Region zu öffnen. „Ich gehe davon aus, dass sich Amerika auch an die Regeln halten wird“, sagte Merz. „Und wenn nicht, dann werden wir mit ihm darüber ernsthaft reden müssen.“