Brüssel. Neue Zolldrohungen des US-Präsidenten alarmieren die EU. Ein Geschäft könnte die Lösung sein – doch Vergeltung ist eine Option.
Neue Zolldrohungen von US-Präsident Donald Trump gegen Europa haben in der Europäischen Union Alarm ausgelöst: Ein Handelskonflikt mit den USA rückt näher. Die EU ist zwar vorbereitet – auf Vergeltungszölle ebenso wie auf Verhandlungen mit dem selbst erklärten Dealmaker im Weißen Haus. Doch die Nervosität ist groß, denn der Wirtschaft des Kontinents und vor allem in Deutschland droht immenser Schaden.
Trump hatte die Stimmung am zweiten Tag seiner Amtszeit in einer Pressekonferenz im Weißen Haus angeheizt: „Sie behandeln uns sehr, sehr schlecht“, sagte er über die europäischen Staaten. „Also werden sie mit Zöllen rechnen müssen.“ Zölle seien der einzige Weg, um Fairness zu erreichen und sich zu revanchieren. Trump verwies dabei auf den Exportüberschuss der EU gegenüber den USA – der lag zuletzt bei rund 156 Milliarden Euro im Jahr. Trump hatte die EU schon im Wahlkampf als „Mini-China“ beschimpft und sich offen feindselig gezeigt: „Die Europäische Union klingt so nett, so wunderbar, nicht wahr?“, erklärte er. Aber die „netten kleinen“ europäischen Länder „nehmen unsere Autos nicht ab, sie nehmen uns unsere landwirtschaftlichen Produkte nicht ab, sie verkaufen Abermillionen von Autos in den Vereinigten Staaten. Nein, nein, nein, sie werden einen hohen Preis dafür zahlen müssen“.
Trump skizziert einen möglichen Deal: EU soll mehr Öl und Gas von den USA kaufen
Wie und wann die US-Regierung nun Zölle auf Importe aus der EU einführen würde, ist offen. Für Kanada und Mexiko hat Trump schon konkret einen Importzoll von 25 Prozent ab dem 1. Februar ankündigt. In Europa orientiert man sich hingegen an Plänen aus Trumps Wahlkampf, nach denen die USA einen allgemeinen Zoll von 10 oder sogar 20 Prozent für Importe aus der EU einführen würden. Unter den EU-Staaten würde das Deutschland am härtesten treffen – über die vier Jahre von Trumps Amtszeit werde ein Importaufschlag von 20 Prozent die deutsche Wirtschaft mit 180 Milliarden Dollar belasten, rechnet das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) vor.
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Doch hat Trump einen Ausweg skizziert: Er drängt die Europäer, zum Ausgleich mehr Öl und Gas aus den USA zu importieren – das könnte eine Alternative zu Zöllen sein. Durchaus eine Option für Brüssel: Eine „Taskforce Trump“ der EU-Kommission, die der Präsidentin Ursula von der Leyen unterstellt ist, hat in den vergangenen Monaten unter Hochdruck eine Doppelstrategie entwickelt: Mit Trump soll erst mal das Gespräch geführt werden, die EU bietet eine Steigerung der Importe aus den USA an und eine engere Abstimmung in der Handelspolitik gegenüber China. In diesem Sinne hat von der Leyen Trump schon kurz nach seinem Wahlsieg im November in einem Telefongespräch offeriert, die EU könne mehr Flüssiggas aus den USA kaufen – doch der Republikaner soll in dem Gespräch nicht näher darauf eingegangen sein.
Es gibt ohnehin gleich zwei Probleme: Erstens haben die USA kurzfristig wohl gar nicht die Kapazitäten für die Ausweitung der Liefermengen, sie liefern ja schon jetzt knapp die Hälfte des von der EU importierten Liquefied Natural Gas (LNG). Trump hat zwar in einem seiner ersten Dekrete den „nationalen Energienotstand“ ausgerufen, um die Öl- und Gasförderung massiv auszuweiten und mit den Exporten das riesige Handelsbilanzdefizit auszugleichen – aber die Umsetzung des Mottos „Drill, baby, drill“ dürfte Jahre dauern, wenn sich überhaupt genügend private Investoren finden. Die für Handelsfragen zuständige EU-Kommission wiederum hat kein Mandat, den Kauf von Öl und Gas verbindlich zuzusagen. Der Chef-Handelspolitiker im EU-Parlament, Bernd Lange (SPD), nennt als Option für einen Deal mit Trump neben LNG auch den verstärkten Kauf von US-Rüstungsgütern oder Absprachen für den Agrarsektor.
Drohender Handelskrieg mit den USA: EU-Kommission hat Vergeltungszölle vorbereitet
Sollte das alles nicht reichen, hat die „Taskforce Trump“ auch den alternativen Weg schon ausgeschildert: Auf Gegenzölle in gleicher Höhe zur Vergeltung ist die EU präzise vorbereitet. Eine geheime Liste mit betroffenen Produkten liegt in der Schublade der Kommission. Es wäre nicht das erste Mal. Im letzten heftigen Handelsstreit mit den USA hatte Trump 2018 Sonderzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte eingeführt, die EU schlug mit Sonderzöllen auf US-Produkte wie Bourbon-Whiskey, Harley-Davidson-Motorräder und Jeans zurück – die Vergeltungsaufschläge waren so ausgewählt, dass sie gezielt die Wirtschaft in solchen US-Regionen trafen, in denen Trump nahestehende Kongressabgeordnete ihre Wahlkreise hatten.
Die republikanischen Politiker, so das Kalkül, würden dann ihren Einfluss auf den Präsidenten geltend machen, die Zölle wieder zu kippen; tatsächlich gab es danach entsprechende Aufrufe einzelner Republikaner. Am Ende löste aber der damalige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker den Konflikt, indem er Trump beim Besuch im Weißen Haus 2018 versprach, die Europäer würden mehr Sojabohnen und Flüssiggas aus den USA kaufen. Juncker hatte dazu weder die Befugnis noch Möglichkeiten, ein solches Versprechen umzusetzen, Trump aber gab sich mit der öffentlichen Simulation eines Deals zufrieden.
EU-Kommissar warnt: Handelskrieg würde Europa „enorm viel kosten“
Nach Trumps neuen Drohungen bekräftigt Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Verhandlungsbereitschaft. Washington bleibe ein wichtiger Partner, betont sie, verweist aber auch darauf, dass die EU Handelsbeziehungen in andere Weltregionen ausbaue. Lange, der Vorsitzende des Handelsausschusses, sieht die EU im Fall einer Eskalation besser gerüstet als in Trumps erster Amtszeit. Es gelte „verhandeln, wenn möglich, verteidigen, wenn nötig“.
Die große Sorge ist aber, dass Trump versuchen könnte, die EU zu spalten, indem er die einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich hart behandelt, was in der Folge die Brüsseler Handlungsfähigkeit schwächen dürfte. EU-Industriekommissar Stéphane Séjourné warnt: „Wir können nicht einen Handelskrieg führen und gleichzeitig ein Europa der Verteidigung aufbauen.“ Ein Handelskrieg werde die EU „enorm viel kosten“. Kanada ist das abschreckende Beispiel: Dort droht die Regierung jetzt eine „robuste“ Antwort auf etwaige US-Zölle an, nach dem Grundsatz „Dollar-für-Dollar“.
Die deutsche Industrie ist besorgt, weil sie zunehmend auf den Export in die USA angewiesen ist. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) mahnt deshalb, Gegenmaßnahmen der EU sollten „nicht der erste Reflex sein“. Wolfgang Niedermark von der BDI-Hauptgeschäftsführung sagt: „Möglichkeiten, zum beiderseitigen Nutzen enger zusammenzuarbeiten, gibt es weiterhin viele, etwa bei Regulierungsfragen, technischen Standards oder resilienten Lieferketten.“ Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) fordert zügige Verhandlungen mit der neuen US-Regierung.