Washington. Der US-Präsident hat bewiesen: Wer tiefe Taschen und kein Schamgefühl hat, steht über dem Gesetz. Die traurigste Konsequenz folgt noch.
Er hat es wirklich geschafft. Donald Trump ist Justitia entkommen. Obwohl er weder von einem Richter noch von Geschworenen freigesprochen wurde, hat der 78-Jährige in mehreren hochkarätigen Fällen dem Rechtsstaat eine lange Nase gezeigt.
Als Richterin Tanja Chutkan am Montagabend dem erwartbaren Antrag von Sonder-Ermittler Jack Smith nachkam und die letzten noch in der Schwebe befindlichen Prozessvorbereitungen einstellen ließ, war der Hoffnungsschimmer dahin, dass sich der 45. und 47. Präsident der Vereinigten Staaten vor einer Jury aus der Mitte des Volkes verantworten muss.
Trump hat ein Dauer-Abonnement – oberhalb des Gesetzes
Der amerikanische Rechtsstaat hat sich damit als unfähig erwiesen, die beispiellosen Vorwürfe gegen Trump, die von illegaler Lagerung von Geheimdokumenten bis hin zu versuchter Wahlmanipulation samt Aufstands-Inszenierung reichen, in gebotenem Abstand zur Wahl vom 5. November in einem ordentlichen Prozess klären zu lassen.
Das System, das sich rühmt, niemand stehe über dem Gesetz, ist kollabiert. Weil es zuließ, dass ein Mann mit sehr tiefen Taschen und null Schamgefühl die Verfahren hinauszögern und die prozessualen Schutzmechanismen zu seinen Gunsten restlos ausschöpfen konnte. Donald Trump hat ein Dauer-Abonnement – oberhalb des Gesetzes.
Garland zögerte lange, Trump zur Rechenschaft zu ziehen
Weil klar war, dass sich nach geltender Praxis Strafverfolgung gegen einen amtierenden oder werdenden Präsidenten verbietet, kommt man nicht umhin bei der Suche nach Schuldigen auf die Zeitschiene zu schauen.
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Sämtliche Taten, die Trump in Form von detaillierten Anklagen zur Last gelegt wurden, haben sich in den Jahren 2020/2021 zugetragen. Sieht man von dem Immunitäts-Schutzschild ab, den der Oberste Gerichtshof erst im Sommer 2024 für Trump zusammenbastelte, lastet die Verantwortung also bei Justizminister Merrick Garland.
Der Demokrat, behäbig und risikoscheu, zögerte zu lange, Trump zur Rechenschaft zu ziehen. Präsident Bidens Verständnis von Nichteinmischung in die Angelegenheiten des „Department of Justice” begünstigte passiv die Untätigkeit Garlands, der Sonder-Ermittler Jack Smith verheizt hat.
Müssen Ermittler nun selbst Anklagen fürchten?
Die theoretische Aussicht, dass die Prozesse auf Bundesebene wiederaufgenommen werden könnten, wenn Donald Trump im Januar 2029 aus dem Amt scheidet und wieder Privatmann wird, gleicht Augenwischerei. Rund zehn Jahren nach den attestierten Vergehen wird niemand mehr erfolgreich vor Gericht aufrollen, was Trump und seine Mitstreiter der amerikanischen Demokratie ab der Wahl im November 2020 angetan haben.
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Für Trump sind die Niederlagen, die sich die Justiz und ihre gewählten Aufpasser selbst zugefügt haben, wie Steroide. Sein gewaltiger Appetit auf Vergeltung wird dazu führen, dass Pam Bondi, die designierte neue Justizministerin und Vertraute, schon sehr bald den Trump-Ermittlern nachstellen wird; Anklage und Prozess nicht ausgeschlossen.
Die traurigste Konsequenz dieses Desasters wird sein, dass die Geschichte umgeschrieben wird. Im ersten Kapitel werden wohl Hunderte Strafgefangene, die am 6. Januar 2021 auf Trumps Zuruf das Kapitol in Washington stürmten und dabei schlimmste Gewalt verübten, begnadigt.
Nach dem Schlusswort wird im kollektiven Gedächtnis rechts der politischen Mitte ausradiert sein, dass Trump im Winter 2020/2021 gewillt war, die Verfassung aus den Angeln zu heben, um an der Macht zu bleiben. 77 Millionen Amerikaner sahen darüber vor drei Wochen bereitwillig hinweg und gaben Trump ihre Stimme. Das wird sich rächen.
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