San Francisco. Die SPD will eine Neuwahl bis März hinauszögern, die Grünen nicht: Robert Habeck verrät bei „Markus Lanz“, warum er Bauchschmerzen hat.
Markus Lanz weiß, was er will. Bei seiner ZDF-Talkshow am Donnerstag wollte er vor allem eines hören: Dass der Zeitplan von Kanzler Olaf Scholz (SPD) illusorisch ist, die Vertrauensfrage bis Anfang nächsten Jahres, Neuwahlen sogar bis zum Frühling hinauszuzögern. „Wir brauchen schnell klare Verhältnisse“, befand Markus Lanz. 66 Prozent der Deutschen „wollen diese Hängepartie nicht“.
Die Sendung empfand er als „sehr intensiv“ und „nicht ganz einfach“, aber sie habe „Spaß gemacht“. Ein Gast hat geliefert, Wirtschaftsminister Robert Habeck. Er gab Lanz recht. „Ich habe schon Bauchschmerzen, wie lange der ganze Prozess dauert“, gestand der Grünen-Minister.
Mit der Wahl sei es nicht getan. Danach kämen Koalitionsverhandlungen, die sich Wochen hinziehen könnten. Die Entlassung von Finanzminister Christian Lindner markiere die Endphase der Ampel, nicht den Beginn, den Durchstart einer Minderheitsregierung. Man müsse den Übergang „so zügig und geordnet wie es geht“ hinbekommen.
Habeck bei „Markus Lanz“: Scholz und die „Einsamkeit des Amtes“
Habeck machte klar, dass der SPD-Kanzler die „Einsamkeit des Amtes“ gewählt habe. Er allein entscheidet, ob und wann er die Vertrauensfrage stellt. So ist es verfassungsrechtlich gebeten, so lebt es Scholz vor. „Ich respektiere die Entscheidung des Bundeskanzlers.“ An dieser Stelle hätte man dem Gast im Studio in Hamburg ein Handtuch reichen sollen. Er hatte gerade seine Hände gewaschen, in Unschuld.
Irgendjemand sitzt bei Lanz immer auf dem heißen Stuhl, an diesem Abend Saskia Esken, die SPD-Vorsitzende, „die ich persönlich sehr mag“ (Lanz). Darauf wäre man nun wirklich nicht gekommen.
Esken sollte sich im Verlauf der Sendung noch über einen „Delay“ beschweren. Gemeint war eine Verzögerung des Tons, weil sie zugeschaltet war, und eine Verzögerung der Argumente, weil Habeck ausreden durfte und sie hingegen im Verhörstil befragt wurde.
Esken zum Lanz-Rapport
Das ist nun das richtige Stichwort, um zwei weitere Gäste einzuführen: Die Korrespondentin Antje Höning von der „Rheinischen Post“ und Michael Bröcker, den Chefredakteur von „Table.Media“. Höning versuchte, bei den Dialogen mit Esken oder Habeck dazwischenzureden. Die andere Stimme aus dem Off fand es „anmaßend“, dass die Kanzlerpartei die Mithilfe der CDU-Opposition für ihren Zeitplan fordere, „wirklich frech“, meinte Bröcker.
Da war Esken, eigentlich schmerzfrei, dann doch pikiert. „Das ist nicht der Stil, in dem ich Diskussionen führe.“ Das Problem war, dass Lanz auf die beiden Journalisten, die er als Wirtschaftsexperten angekündigt hatte, nicht neugierig war.
Ihnen war die Rolle von Büchsenspannern zugedacht, so wie der Brüsseler ZDF-Korrespondent Ulf Röller, der kurz zugeschaltet wurde, und die Botschaft zum Besten gab, dass die EU-Regierungschefs natürlich auch eine „schnelle und eine eindeutige Entscheidung“ aus Berlin erwarten. Damit wurde er entlassen.
Lindner „prinzipiell“ und „rechthaberisch“
Bei Habeck war klar, dass er mit der „Ampel“ schon abgeschlossen und auch keine Lust hatte, Esken beizuspringen. Sie sollte erklären, warum die SPD-Fraktion Scholz mit stehenden Ovationen für die Entlassung von Finanzminister Christian Lindner gefeiert habe.
Esken war nicht schlagfertig genug für die naheliegendste Erklärung: Es war nicht Lust am Untergang, sondern Solidarität und Wärme, politische Nestwärme. Habeck bemerkte trocken, bei den Grünen hätten sie keine Kameras in den Saal gelassen. Keine Kameras, keine blöden Nachfragen, sollte das wohl heißen. Selber Schuld, SPD.
In einem Punkt war er nahe bei ihr: Beim entscheidenden Treffen der Koalitionsspitzen argumentierte Lindner „sehr prinzipiell“, so Habeck, auch „rechthaberisch“. Es habe wenig Raum für Handlungslösungen gegeben. Im Klartext: Lindner wollte den Bruch, Scholz ist ihm nur zuvorgekommen, um wenigstens das Heft des Handelns zu behalten.
Habeck hat das letzte Wort
Habeck hält es für möglich – da wurde es staatspolitisch gruselig –, dass nach einer Wahl nur die Farben ausgetauscht werden und (wir) „machen weiter wie bisher“. Es wurme ihn, „dass so getan wird, wenn wir gewählt werden, wird alles gut.“ Und immer grüßt das Murmeltier, das kennt man bisher nur aus dem Kino.
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Anders gesagt: Die nächste Regierung wird ebenfalls kein Geld, aber dieselben Probleme und annähernd gleiche ideologische Differenzen haben. Wenn Habeck eine neue Debattenkultur anmahnt, ist damit gemeint, dass sich alle demokratischen Kräfte um mehr gesellschaftliche Akzeptanz bemühen müssen und anders miteinander umgehen sollten.
In Wahrheit sei die Ampel „in den letzten 1,5 Jahren jeden Tag ein bisschen mehr gescheitert.“ Das war nun endgültig der Nachruf auf Scholz, dessen vornehmste Führungsaufgabe darin bestand, seine Koalition zusammenzuhalten.
Habeck war in düsterer Stimmung
Habeck war überhaupt in düsterer Stimmung, insbesondere in Erwartung, dass die deutsche Exportwirtschaft möglicherweise in ernsthafte Probleme gerät, wenn der neugewählte US-Präsident Donald Trump („der jetzt schon loslegt“) auf Abschottung und Abstrafung durch Einfuhrzölle pocht. Aber das Fass US-Wahl wollte Lanz nicht wirklich aufmachen. Anderes Thema, andere Sendung.
Stattdessen konfrontierte er Habeck mit seinem „kleinen süßen katzenhaften Video“ auf X, das voller Anspielungen auf eine Kanzlerkandidatur ist. „Alles hat seine Zeit, Herr Lanz“, antwortete Habeck süffisant. Und tatsächlich, nicht Lanz, Habeck hatte das letzte Wort.
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