Berlin. Um Präsidentin zu werden, muss Kamala Harris nicht nur Donald Trump, sondern auch einen Fluch besiegen, der auf Vizepräsidenten lastet.

Wenn Kamala Harris die US-Wahl gewinnt, wird sie – nach 235 Jahren – die allererste Präsidentin der USA. Dazu muss sie aber einen politischen Fluch überwinden: den sogenannten Van-Buren-Fluch.

Erst zweimal in der amerikanischen Geschichte war es einem amtierenden Vizepräsidenten vergönnt, zum neuen Staatschef gewählt zu werden. 1836 gewann Vizepräsident Martin Van Buren die Präsidentschaftswahlen. Weil es danach gut 150 Jahre dauerte, bis dieses Kunststück 1988 erstmals wieder George H. W. Bush gelang, sprechen die Amerikaner vom „Van-Buren-Fluch“.

Nach der Verfassung der USA ist die oder der Vize potenziell die Nummer eins, aber in der Realität waren sie oft genug zweite Wahl. Viel zugetraut wurde ihnen nicht. Richard Nixon war acht Jahre lang Vizepräsident, unterlag aber 1961 Kennedy. Er probierte es dann mit Erfolg 1968. Gerald Ford folgte Nixon verfassungskonform nach der Watergate-Affäre im Amt, verlor aber glücklos seine Wahl. Deswegen war es durchaus ungewöhnlich, dass Joe Biden für Kamala Harris Platz machte. Eben wegen des „Van-Buren-Fluchs“.

Lang ist die Liste der Vizepräsidenten, die kandidieren wollten, aber nicht zum Zuge kamen. Oder kandidieren durften, aber unterlagen. Biden, der Vizepräsident von Barack Obama war, wurde 2016 übergangen. Hillary Clinton machte das Rennen. Immerhin schaffte es Biden dann 2020, allerdings nicht aus einer Vizepräsidentschaft heraus.

US-Wahl: Experten sprechen vom „Van-Buren-Fluch“ – das Dilemma des Vizepräsidenten

Das Phänomen ist schon erstaunlich, weil eigentlich viel für eine Vizepräsidentin oder Vizepräsidenten spricht: die politische Erfahrung, die Insider-Kenntnisse der Exekutive. Aber gerade Kamala Harris hat aufgezeigt, worin das Dilemma der Vizepräsidenten besteht: in der Loyalität zum Präsidenten.

Wochenlang wurde jedes Interview von ihr darauf abgeklopft, ob sie sich von Biden emanzipiert, im Klartext: distanziert. Zumal zwei Drittel der Amerikaner in Umfragen klarmachten, dass sie von Harris einen Kurswechsel erwarten.

„Es ist lange her, Marty“

Sie selbst hat in NBC News dazu gesagt: „Um ganz offen zu sein, selbst wenn man Mike Pence (Trumps Vizepräsident) mit einbezieht, stehen Vizepräsidenten ihren Präsidenten nicht kritisch gegenüber.“ Vizepräsident Al Gore ist eine halbe Ausnahme. Er distanzierte sich zum Ende der Kampagne von „seinem“ Präsidenten Bill Clinton, was sich aber nicht auszahlte. So stand er nicht in der Kontinuität der guten Wirtschaftsdaten von Clinton. Er verlor im Jahr 2000 äußerst knapp gegen George W. Bush.

Bush Senior war sich einst bei seiner Kandidatur des Makels bewusst. Als er den Fluch überwunden hatte, dankte er in einer Rede ausdrücklich Van Buren dafür, dass er den Weg geebnet habe: „Es ist lange her, Marty.“ Wird Harris es Van Buren und Bush nachmachen?

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