Berlin. „Ruby“ hat 20.000 Tonnen Ammoniumnitrat an Bord. Kein Hafen Europas will das Schiff, das in Russland ablegte. Ein Manöver Putins?
Die „Ruby“ war unter maltesischer Flagge ursprünglich auf der nordrussischen Halbinsel Kola in See gestochen. Unter unklaren Umständen zog sie sich kurz nach dem Verlassen des russischen Hafens Schäden am Rumpf zu, fuhr jedoch weiter. Nach kurzem Zwischenstopp in Norwegen dümpelte das 183 Meter lange Schiff die vergangenen Tage in der Nordsee, ohne einen Hafen zum Einfahren zu finden. Der Kurs des Frachters war wegen seiner brisanten Ladung von mehreren Anrainerstaaten der Nord- und Ostsee in den vergangenen Tagen genau verfolgt worden.
Wann wird Ammoniumnitrat gefährlich?
Es ist üblich, dass Ammoniumnitrat per Schiff transportiert wird. Aber die Chemikalie gilt als Auslöser der Katastrophe im Hafen der libanesischen Hauptstadt Beirut im August 2020, wo über Jahre große Mengen der Chemikalie unsachgemäß im Hafen gelagert worden waren. Mehr als 200 Menschen kamen damals bei einer gewaltigen Explosion ums Leben. Der kristalline Stoff dient vor allem als Hauptbestandteil von Düngemittel, kann aber auch als Sprengstoff verwendet werden.
Peter Hald ist Sprengstoff-Experte und Forscher an der dänischen Universität Aarhus. Hald sagte gegenüber dem „Tagesspiegel“: „Der Stoff selbst ist recht schwer entzündbar. Ammoniumnitrat ist ein tertiärer Sprengstoff. Er braucht eine starke Sprengladung oder ein langanhaltendes Feuer, um zu detonieren.“
Zum Vergleich: bei der Katastrophe von Beirut explodierten etwa 2750 Tonnen Ammoniumnitrat. Die „Ruby“ hat 20.000 Tonnen an Bord. Laut Hald hat die Ladung eine Sprengkraft von zehn Kilotonnen TNT: „Das entspricht etwa einer Atombombe der ersten Generation, allerdings ohne deren Radioaktivität und mit deutlich weniger Wärmestrahlung.“
Will Putin seine Gegner provozieren?
Experten warnen seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor einer „Schattenflotte“ aus häufig veralteten und schlecht gewarteten Schiffen unter Flagge von Drittstaaten, die russische Güter durch Ost- und Nordsee transportieren.
Jacob Kaarsbo vom dänischen „Think Tank Europa“ sagte, die „Ruby“ verhalte sich „verdächtig“. Er schließe nicht aus, dass das Schiff Teil eines hybriden Kriegs ist, mit dem Russland die Reaktion der nordeuropäischen Staaten testen wolle, sagte Kaarsbo.
Susanne Schattenberg, Osteuropahistorikern der Universität Bremen, widerspricht im „Tagesspiegel“ dieser Theorie: „Ich denke nicht, dass es sich hier ursprünglich um einen Teil der Verunsicherungspolitik oder der hybriden Kriegsführung handelte. Vielmehr sollten mit diesem Frachter Sanktionen unterlaufen werden.“
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Und wie geht die Odyssee jetzt weiter? Am Montag änderte „Ruby“ ihren Kurs und gab als Zielort den Hafen von Marsaxlokk im Südosten Maltas an. Ankunft sollte der 8 .Oktober sein.
Auch Inselstaat Malta im Mittelmeer verweigert die Einfahrt
Die Behörden dort verweigern nun auch die Einfahrt. Das Schiff dürfe nur dann in einen maltesischen Hafen einlaufen, wenn es zuvor seine Ladung entladen habe, teilte die Verkehrsbehörde in Valletta mit. Die Behörde wies die Crew an, die Ladung auf Schiffe außerhalb der maltesischen Hoheitsgewässer umzuladen.
Sprengstoff-Experte Peter Hald zum „Tagesspiegel“: „Das größte Risiko besteht darin, dass das Schiff seine Seetüchtigkeit verliert und an einen unerwünschten Ort treibt, sinkt und das Meer verschmutzt.“
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