Washington. Fast 60 Jahre nach Martin Luther Kings Rede gehören Vorurteile und Diskriminierung in den USA zum täglichen Leben, wie Beispiele zeigen.
Vor 60 Jahren unterschrieb der damalige US-Präsident Lyndon Johnson ein Gesetz, das darauf abzielte, Rassismus und ethnischer Diskriminierung einen Riegel vorzuschieben. In den Dekaden seit der Unterzeichnung des „Civil Rights Act“ und 56 Jahre nach Martin Luther Kings „I Have A Dream“ Rede, hat die Nation bedeutende Fortschritte bei der Integration von Minderheiten erzielt.
Gleichwohl sind Rassismus und die Benachteiligung von Afroamerikanern, Latinos und anderen ethnischen Gruppen auch heute aus der US-Gesellschaft nicht wegzudenken. Geschürt werden die Vorurteile und Ängste, die das Potenzial haben, in Gewalt auszuarten, von einflussreichen Politikern. Insbesondere von dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump und dessen designierten Stellvertreter JD Vance.
Die National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) ist die mächtige Menschenrechtsorganisation, die Interessen von Afroamerikanern wahrnimmt. Der NAACP-Vorsitzender Leon W. Russell behauptet, dass „struktureller und institutionalisierter Rassismus“ sich in der US-Gesellschaft in fast allen Lebensbereichen widerspiegelt. Im Bildungssystem, in der Wirtschaft, der Justiz, bei Wahlrechten und selbst in der Krankenpflege. „Rassismus ist ein fester Bestandteil Amerikas“, glaubt Russell. Die Beispiele sind zahlreich.
Politik und Wahlrechte
6 Wochen vor den Präsidentschafts- und Kongresswahlen sind die Bemühungen republikanischer Organisationen, Minderheiten das Wahlrecht abzusprechen, dreister als in früheren Jahren. So haben die Republikanische Partei von North Carolina und das Republikanische Nationalkomitee (RNC) gemeinsam versucht, in dem kritischen „Swing State“ 225.000 schwarze Bürger – fast durchwegs Anhänger der demokratischen Kandidatin Kamala Harris – von der Teilnahme an den Wahlen abzuhalten.
Deren Begründung: Bei der Wählerregistrierung hätten die zuständigen Behörden in den afroamerikanischen Wohnbezirken es versäumt, von Kandidaten die Führerscheinnummer zu verlangen. Folglich seien die Registrierungen ungültig, argumentieren die Republikaner. Ähnliche Aktionen sind in auch in Pennsylvania und Arizona im Gange. Alle drei Staaten könnten bei der Auszählung der sogenannten „Elektoren“ durchaus das Zünglein an der Waage spielen.
Die NAACP hat gegen die Manipulationsversuche Klagen eingereicht. Das Ansinnen der Republikaner stelle eine grobe Verletzung des „National Voting Rights Act“ dar, der Pflichte und Rechte bei der Wählerregistrierung festlegt, sagt die Organisation. Unterdessen sendete NAACP-Präsident Derrick Johnson eine klare Botschaft an die Adresse aller Amerikaner: „Da gibt es absolut nichts zu beschönigen. Versuche, unseren Mitgliedern ihr Wahlrecht abzuerkennen, wurzeln in Rassismus und stellen eine direkte Bedrohung für schwarze Wähler dar“, so Johnson.
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Bildung
In den 60er und 70er Jahren wollten Politiker durch umstrittenes „Busing“ – wonach Schulbusse Kinder in Schulen brachten, die nicht zu ihrem Wohnbezirk gehörten – die Integration vorantreiben. Heute aber sind die meisten Nachbarschaften und somit auch die Schülerschaften weitgehend getrennt. Wie ein Bericht des Government Accountability Office (GAO) feststellt, „bleiben viele Schulen nach rassischen und ethnischen Kriterien getrennt“.
Auch stellt eine Studie der American Public Health Association (APHA) fest, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Gymnasiast, der zu einer Minderheit gehört, bestraft oder gar von der Schule gewiesen wird, deutlich größer ist als bei einem weißen Schüler. Folglich ist bei Afroamerikanern der Anteil der Schulabgänger, denen das US-Abitur fehlt, deutlich höher. Auch weist die Organisation auf die sogenannte „Schul- und Gefängnis-Pipeline“ hin. Deutlich größer ist nämlich auch die Chance, dass Vertreter von Minderheiten ohne High School Abschluss später im Gefängnis landen.
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Berufsleben
Obwohl viele Afroamerikaner und andere Minderheiten in den letzten 30 Jahren große Fortschritte gemacht haben, belegen die Zahlen, dass sie mit ihren weißen Kollegen noch keineswegs auf Augenhöhe sind. Wie das National Center for Education Statistics errechnet hat, beträgt das durchschnittliche Einstiegsgehalt eines weißen Akademikers, der einen Bachelor Abschluss hat, 70.250 Dollar. Afroamerikaner mit demselben akademischen Grad verdienen hingegen zu Beginn ihrer Karriere 56.030 Dollar und Latinos 57.100 Dollar, also 20 Prozent weniger.
Auch im weiteren Karriereverlauf bleiben die Diskrepanzen groß. So hat der Arbeitsmarktdienstleister Zippia festgestellt, dass Weiße etwas mehr als zwei Drittel der Führungskräfte in der US-Wirtschaft stellen. Auf Latinos entfallen etwas mehr als 15 Prozent der Managerpositionen und auf Schwarze nur 6,3 Prozent.
Kredite und Kapital
Auch hier gelten selbst im Jahr 2024 noch höchst unterschiedliche Maßstäbe. So gelangt ein Bericht der Organisation Urban Institute zu dem Schluss, dass Minderheiten bei der Kreditvergabe durch Privatbanken häufig Opfer von Diskriminierung sind. Demnach sei bei einem afroamerikanischen Antragsteller mit einem vergleichbaren Einkommen und ähnlicher Bonität wie ein weißer Kunde, „die Chance, dass die Bank ihm eine Absage erteilt, um bis zu 2,5 Mal größer ist“. Insbesondere, wenn es um die Finanzierung des Hauskaufs geht. Ähnlich wie die NAACP sieht das Urban Institute hierin „einen systemischen Rassismus, der im amerikanischen System der Eigenheimfinanzierung fest verankert ist“.