Berlin. Schornsteinfeger Julian Schwark sieht eine neue Zögerlichkeit beim Heizungskauf. Für wen abwarten jetzt sinnvoll ist – und für wen nicht.
Das Gebäudeenergiegesetz sollte die Wärmewende in Deutschland anschieben. Doch gut ein halbes Jahr nach Inkrafttreten ist der Markt erst einmal eingebrochen. Julian Schwark, Schornsteinfeger und Energieexperte, erklärt, was dahintersteckt, ob sich eine Trendwende abzeichnet und für wen es Sinn ergibt, jetzt noch zu warten mit dem Heizungstausch.
Herr Schwark, nach vier Jahren Wachstum auf dem Heizungsmarkt wurden im ersten Halbjahr 2024 43 Prozent Heizungen weniger verkauft als im Jahr vorher, bei Wärmepumpen sogar 54 Prozent weniger. Hat das GEG, das eigentlich die Wärmewende anstoßen sollte, sie stattdessen abgewürgt?
Julian Schwark: Die Diskussion um das Gebäudeenergiegesetz und die Kommunikation rund um die Wärmepumpe sorgen dafür, dass die Leute jetzt abwarten. Kaum jemand entscheidet sich noch, eine funktionierende Heizung außer Betrieb zu nehmen, wenn er nicht muss. Das war in den Jahren davor anders – entweder, weil die Leute während der Gaskrise wegwollten von fossiler Energie und Wärmepumpen eingebaut haben. Oder, im vergangenen Jahr, weil sie noch schnell eine neue Gasheizung gekauft haben, um nicht unter das GEG zu fallen. Beide Effekte fallen jetzt weg. Und die Leute machen lieber nichts, als etwas falsch zu machen, daher der Einbruch.
Ist es sinnvoll, jetzt abzuwarten mit dem Heizungstausch?
Schwark: Wenn das Abwarten eine bewusste Entscheidung ist, weil man sich mit seinem Gebäude auseinandergesetzt hat und zu dem Schluss kommt, dass es sinnvoller ist, erst baulich zu sanieren, dann kann das richtig sein. Aber häufig ist das Warten eine emotionale Entscheidung, keine rationale. Viele Leute haben keine Lust, sich mit dem Thema zu beschäftigen und hoffen, dass es von allein wieder weggeht. Das ist ein Fehler.
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Interessant ist auch die Art der Heizungen, die die Leute noch gekauft haben: In der ersten Hälfte des Jahres wurden deutlich mehr Gasheizungen gekauft als klimafreundliche Heizungen. Wie erklären Sie sich das?
Schwark: Das liegt an zwei Übergangsregelungen zum GEG: Neue Heizungen, für die der Liefervertrag vor dem 19. April 2023 geschlossen wurde, fallen noch nicht unter das neue Gebäudeenergiegesetz. In der Verkaufsstatistik tauchen viele davon aber erst in diesem Jahr auf. Dasselbe gilt, wenn die Arbeiten auf der Baustelle noch 2023 begonnen wurden. Viele nutzen das, um dem GEG zu entgehen und sich Zeit zu verschaffen.
Zuletzt ist die Zahl der verkauften Wärmepumpen wieder gestiegen, die der Gasheizungen gesunken. Ist das eine Trendwende?
Schwark: Es ist zu früh, um das zu sagen. Zuletzt kamen leider wieder negative Signale in den Markt durch die Änderung der Förderung für den individuellen Sanierungsfahrplan. Das schadet dem Vertrauen, das tut der Wärmewende nicht gut. Es braucht unbedingt Verlässlichkeit – man kann nicht alle drei Monate irgendeinen Fördertopf ändern oder zumachen. Die Menschen brauchen Zeit, um sich solche Entscheidungen zu überlegen. Wenn sie die nicht haben, weil in ein, zwei Monaten die Förderbedingungen schon wieder anders sind, ist das ein Problem. Man verursacht da Leid bei den Betroffenen.
Laut dem Bundesverband der Heizungsindustrie sind die Hälfte der Heizungen in Deutschland technisch veraltet. Was heißt das?
Schwark: Das meint alle Heizungen, die älter sind als 20 Jahre. Die funktionieren vielfach noch, aber man weiß, dass sie an die Grenze ihrer Lebensdauer kommen. Diese Anlagen werden zwar an sich nicht weniger effizient. Der Unterschied im Energieverbrauch zu neuen Heizungen wird aber natürlich immer größer, die möglichen Einsparungen werden immer größer.
Reicht das aktuelle Tempo bei der Wärmewende, um die Ziele der Bundesregierung zu erreichen?
Schwark: Nein. Mit den aktuellen Austauschraten wird es nichts mit Klimaneutralität bis 2045. Dieses Jahr rechnen wir mit 200.000 neuen Wärmepumpen statt 500.000, da muss dringend nachgesteuert werden. Der Verunsicherung und der Angst vor dem Thema kann man nur mit Beratung beikommen. Insofern ist es unglücklich, dass ausgerechnet die Förderung für den individuellen Sanierungsfahrplan kürzlich halbiert wurde.
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