Berlin. Während Harris den US-Wahlkampf rockt, ist Musik in der deutschen Politik ein heikles Thema – das liegt auch an berühmten Reinfällen.

SPD-Parteitag 2025: Generalsekretär Kevin Kühnert fordert seine Genossinnen und Genossen gerade dazu auf, ihre Stimmen für die Wahl des Kanzlerkandidaten abzugeben, als plötzlich der Beat des Raphits „Party Sahne“ ertönt. Die Scheinwerfer schwenken auf den Berliner Rapper Ski Aggu, der aus den Reihen der Delegierten hervortritt und seinen Song performt, während er immer wieder für Olaf Scholz als SPD-Kanzlerkandidaten wirbt.

So könnte das aussehen, wenn man den Parteitag der Demokraten in den USA vor wenigen Wochen nach Deutschland übertragen würde. Die Halle tobte, als Rapper Lil Jon eine unerwartete Performance startete, Videos davon sammeln auf TikTok und YouTube hunderttausende Klicks und tragen so auch Kamala Harris‘ Kandidatur an die junge Wählerschaft heran. Auch andere Stars wie P!nk oder John Legend traten beim Parteitag auf.

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In Deutschland ist so eine Aktion nahezu unvorstellbar. Das liegt nicht nur daran, dass der Wahlkampf in den USA seit jeher mehr auf Entertainment ausgelegt ist als hierzulande, erklärt Kampagnenberater Tim Herrmann. Künstlerinnen und Künstler würden in Deutschland ihre Musik eher selten für politische Zwecke zur Verfügung stellen. Der Grund? Anders als in den USA gebe es keinen Parteienzweikampf, sondern eine politischen Wettstreit mehrerer Parteien – weswegen sich Musiker schwerer damit tun, sich auf eine Seite zu stellen.

Helene Fischer & Co. wollen ihre Musik nicht im Wahlkampf hören

Ein bekanntes Beispiel: 2013 sprachen sich Die Toten Hosen gegen die Verwendung ihres Hits „Tage wie diese“ auf Wahlkampfveranstaltungen aus. Die Band empfand es als „unanständig und unkorrekt“, dass ihre Musik missbraucht und von Leuten vereinnahmt werde, die ihr in keiner Weise nahestehen. Allerdings könnte sie rechtlich nichts dagegen tun. Es gibt aber auch zahlreiche Fälle, in denen Musiker einzelnen Parteien verboten hatten, ihre Songs abzuspielen – etwa DJ Paul van Dyk der AfD oder Helene Fischer der NPD. Auch in den USA verboten einzelne Künstler bereits Donald Trump, ihre Musik abzuspielen.

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Der Rechtsanwalt und Experte für Urheberrecht Christian Kube schätzt die Rechtslage für diese Redaktion ein: „Wenn Politiker ein Lied im Wahlkampf benutzen möchten, dann brauchen sie zunächst Lizenzen für die Verwertungsrechte der Urheber. Darüber hinaus dürfen die Politiker Urheber- und Künstlerpersönlichkeitsrechte nicht verletzen.“ Diese lägen beim Künstler selbst, der der Verwendung im Einzelfall zustimmen müsse.

Warum im deutschen Wahlkampf so wenig Musik drin ist

Im Klartext heißt das: Musik für den Wahlkampf geht nur, wenn der Musiker dem explizit zustimmt. Wer dagegen verstößt, muss laut Kube mit einer einstweiligen Verfügung rechnen. Wird die Musik dennoch weiter verwendet, drohen Ordnungsgelder von bis zu 250.000 Euro oder Ordnungshaft. Grundsätzlich kommen auch Schadensersatzklagen in Betracht, allerdings würden die Gerichte hier bisher sehr zurückhaltend urteilen, erklärt Kube.

In deutschen Wahlkämpfen ist also tendenziell weniger (bekannte) Musik drin. Vermutlich wurde das Thema deswegen hierzulande auch kaum erforscht. Eine Ausnahme ist die Abschlussarbeit von Sebastian Bermes. Der Mainzer Musik- und Politiklehrer forschte zum Thema „Musik als Einflussfaktor für die Wahlentscheidung“ und betrachtete dafür auch den Bundestagswahlkampf 2017. Damals gab es tatsächlich musikalische Unterstützung für einzelne Parteien.

Martin Schulz ist bei nahezu jedem Wahlkampfauftritt zur Bundestagswahl 2017 zu dem Song ‚Wie sehr wir leuchten‘ der Band GLORIA auf die Bühne gekommen“, erinnert sich Bermes. „Daran sieht man auch den Versuch, dem Kandidaten durch ein gewisses Soundbranding einen Wiedererkennungswert mitzugeben.“ Im Liedtext heißt es: „Ich bin dein Freund. Ich bin dein allerbester Freund. Was muss noch passieren, damit irgendwer bezeugt, wie sehr wir leuchten?“ Für Bermes besteht darin auch eine Verbindung zum Wahlkampf: „Damit wurde versucht, den Kandidaten nahbar, bürgerorientiert und optimistisch darzustellen.“

Wie Musik die Wahlkampfbotschaft unterstreichen kann

Dass zum Wahlkampf ein „Soundbranding“ dazugehört, bestätigt auch Berater Herrmann, der 2021 die Bundestagswahlkampagne der SPD verantwortete. Über bekannte Popsongs hätten er und sein Team damals aber nicht nachgedacht. „Für den ‚SPD-Sound‘ haben wir ein relatives simples und verhältnismäßiges günstiges Stockmusikstück (Musik, die für den Einsatz in Werbung o.Ä. produziert wird, Anmerkung der Redaktion) lizenziert. Das war ein energetischer Song, der aber auch die Hörgewohnheiten der Wähler widerspiegeln sollte“, verrät er. Das Ziel? „Einen Wiedererkennungswert schaffen und diese Energie auf die Parteimarke übertragen“.

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Von Volkslied bis zum spontanen Cover: So kreativ wurde Musik schon eingesetzt

Denn den Nutzen von Melodien im Wahlkampf erkennt Herrmann ganz klar: „Mit Musik kann man im Wahlkampf auch emotionalisieren und ein Gefühl übertragen. Die Leute haben nicht viel Zeit und hören sich selten lange Reden an. Wenn sie aber 20 Sekunden einen Sound gehört haben, der ihnen etwas ohne Worte erzählt, dann haben wir schon mehr erreicht als beispielsweise mit einem Positionspapier“, beschreibt er. Kein Wunder also, dass man in der deutschen Politik in der Vergangenheit durchaus kreativ wurde, um ein bisschen Musik hereinzubringen.

So gab es bei der Bundestagswahl 2021 gleich zwei bemerkenswerte Fälle. Zum einen der Wahlwerbespot der Grünen, die das alte Volkslied „Kein schöner Land in dieser Zeit“ umdichteten und von verschiedenen Menschen singen ließen. Damit umgingen sie auch das Urheberrechtsproblem, denn dieses läuft 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers ab, erläutert Kube. Zum anderen gibt es da einen Clip von Armin Laschet (CDU) und seinen Unterstützern, die sich nach dem TV-Triell schon als sichere Wahlsieger wähnten und kurzerhand auf die Musik des Songs „Seven Nation Army“ den Text „Armin Laschet wird Kanzler“ dichteten.

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Da diese gesungene Prophezeiung sich nicht erfüllte, erlangte der Moment eher traurige Berühmtheit und kursiert heute vor allem als Meme. Beim Streamingriesen Spotify gibt es sogar einen Techno-Remix. Doch beim Covern und Umdichten von Songs zu Wahlkampfzwecken ist laut Rechtsanwalt Kube Vorsicht geboten. Auch hier muss die Erlaubnis des Urhebers eingeholt werden.

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Besser also, wenn man sich gleich einen eigenen Wahlkampfsong komponieren lässt. So wie die nordrhein-westfälische CDU, die zur Landtagswahl 2010 mit „NRW in guten Händen“ ein Lied inklusive Musikvideo präsentierte, über das bis heute eher gelacht wird. Auch politisch half der Song nicht, die CDU büßte ganze 10,2 Prozent ein.

Wie Experte Bermes sagt: „Man kann mit der richtigen Musikauswahl viel richtig, aber auch viel falsch machen.“ Er stellt allerdings auch klar: „Niemand wird aufgrund der Songauswahl bei Wahlkampfveranstaltung einen Kandidaten wählen oder nicht.“ Es hängt also nicht nur vom richtigen Sound ab, ob Politiker den Wahlkampf „rocken“.

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