Chicago. Neue Wendung im US-Wahlkampf: Ein Kennedy will Kamala Harris ein Bein stellen und Donald Trump ins Weiße Haus verhelfen.
Über sein Spielverderber-Potenzial für die etablierten Präsidentschafts-Kandidaten von Republikanern und Demokraten wird debattiert, seit Robert F. Kennedy Junior, der Neffe des ermordeten Präsidenten John F. Kennedy, 2023 seinen Hut als Dritt-Kandidat in den Ring geworfen hat; damals noch, wie es die Tradition des berühmten Familien-Clans gebietet, zunächst als Demokrat, dann zuletzt als Parteiunabhängiger.
Dahinter stand stets die Annahme, dass bei einem erwarteten Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Donald Trump und Kamala Harris (früher Joe Biden) in umkämpften Battleground-Bundesstaaten wie Michigan oder Pennsylvania ein paar Tausend Stimmen, die Kennedy bei den „Großen” abschöpft, am Ende über Sieg und Niederlage entscheiden können.
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Am Freitag wurde dieses Szenario ein erhebliches Stück realistischer – und könnte der gerade im Aufwind befindlichen demokratischen Kandidatin Harris die Tour vermiesen. Der 70-Jährige kündigte bei einer Rede in Phoenix im Südstaat Arizona an, in den umkämpften Swing States seinen Wahlkampf zu beenden. Sein Name werde dort vom Wahlzettel gestrichen, kündigte er an. Er werde seinen Namen in etwa zehn Staaten vom Wahlzettel nehmen, wo seine „Anwesenheit eine Störung darstellen würde“, erklärte Kennedy.
Der Schritt hilft vor allem Trump. Zuvor hatten US-Medien berichtet, dass Kennedy plane, den 78-Jährigen im Wahlkampf zu unterstützen. Der Parteilose betonte in seiner langen Rede nun explizit, dass er sich nicht komplett aus dem Wahlkampf zurückziehe. In den übrigen Staaten könne weiterhin für ihn gestimmt werden, ohne dass dies Trump oder der demokratischen Kandidatin Kamala Harris schaden würde.
Wie denkt Trump wirklich über Kennedy?
Voraussetzung für einen solchen Schritt sei, so hatte es Larry Sharpe, Direktor von Kennedys Super-Pac „American Values 2024“ zuvor formuliert: Trump sichert Kennedy für den Fall seiner Wiederwahl einen attraktiven Kabinettsposten zu. Zu der Möglichkeit befragt, erklärte Trump, dass er Kennedy „sehr mag und respektiert” und sich eine Kooperation durchaus vorstellen könne.
Vor einigen Monaten hörte sich das ganz anders anders. In einem Video bezeichnete er Kennedy als „trojanisches Pferd” der Demokraten. Der Sohn des ebenfalls ermordeten Justizministers Robert F. Kennedy sei ein „radikaler Linker, der aufgestellt worden ist, dem betrügerischen Joe Biden zu helfen”. Kennedy sei ein „großer Steuereintreiber“, „gegen das Militär“ eingestellt, „Anhänger offener Grenzen“ und „ein extremer Umweltschützer“. Alles an ihm und seiner Kandidatur sei „fake“.
Inzwischen hat sich der Wind um 180 Grad gedreht. Auf Druck seines Familien-Clans und der Demokratischen Partei hat Kennedy seine Kandidatur neu etikettiert: als Parteiunabhängiger.
Kennedy sackt in Umfragen ab
Als solcher war der frühere Umweltanwalt, der einst heroinabhängig war und dem nach eigenen Worten ein Wurm Teile des Gehirn zerstört hat, in Umfragen zunächst eine relevante Größe. In der Spitze bis zu 16 Prozent der Wähler, die dem Angebot der großen Parteien überdrüssig waren, sahen in dem Spross der großen Ostküsten-Politik-Dynastie eine Alternative. Obwohl Kennedy bis zuletzt bis auf vage Andeutungen und den Allgemeinplatz, gegen Korruption und den „tiefen Staat” vorzugehen, nach Ansicht von US-Politikwissenschaftlern „konzeptionell kaum etwas zu bieten hat”.
Diese partielle Attraktivität ist dahin, seit Kamala Harris bei den Demokraten das Rennen binnen vier Wochen komplett neu aufgemischt hat und gegen Trump massiv aufholt. Kennedy dümpelt noch bei vier bis fünf Prozentpunkten. Tendenz fallend. Seither ist der immer schon überdreht gewesene Satz, er könne Präsident werden, von Kennedy nicht mehr zu hören.
Die Gründe für die kurz vor der Implosion stehende Kandidatur sind simpel: Kennedy hat kein Geld mehr. Seine Kampagne, die rund 55 Millionen Dollar an Spenden eintrieb, hat drei Millionen Dollar Schulden und nur noch eine geringe einstellige Millionensumme „in cash” zur Verfügung, um Verbindlichkeiten zu bestreiten, belegen offizielle Papiere.
Kennedy hat ein Stimmzettel-Problem
Nicole Shanahan, seine wichtigste Unterstützerin, die gleichzeitig als Vize-Präsidentschaftskandidatin fungiert und bereits über zehn Millionen Dollar in „Bobby” gesteckt hat, will schlechtem Geld offenbar kein gutes mehr hinterherwerfen.
Dazu kommen massive Justizstreitigkeiten in mehreren Bundesstaaten, in denen Kennedy rund 70 Tage vor der Wahl immer noch nicht die formalen Voraussetzungen erfüllt hat, um auf die Stimmzettel zu kommen.
Bisher ist ihm das erst in 19 von 50 Bundesstaaten gelungen. In New York saß Kennedy in der vergangenen Woche in einem Gerichtssaal, um sich gegen ein erstes Urteil zu wehren, das ihn dort unwählbar machen würde. Eine Richterin hatte befunden, dass der im kalifornischen Los Angeles lebende Millionär im „Big Apple” eine Scheinadresse angegeben hat, um dort bei der Wahl im November als Parteiunabhängiger anzutreten; ein schwerer Form-Fehler. Spiegelgleich drohen in den nächsten Wochen in anderen Regionen ähnliche Hindernisse. Kennedy und Shanahan machen dafür Kräfte in der Demokratischen Partei verantwortlich, die ihn unbedingt verhindern wollten. Darum die Hinwendung zu Trump?
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Nun, nach Kennedys Entschluss vom Freitag, werden Wahlexperten die Taschenrechner herausholen. Derzeit ist die unübersichtliche Lage kurz gefasst die: In einigen Bundesstaaten würde seine Kandidaturaufgabe laut Umfragen Trump, in anderen Harris nutzen. Ein genaues Bild, dass verlässlich in wahrscheinliche Wahlmännerstimmen übersetzt werden kann (270 ist das Quorum zum Sieg), gibt es derzeit nicht.
Wahlforscher sieht Risiko für Trump
Kennedys Sympathisanten, davon ist der Wahlforscher Larry Sabato von der Universität Virginia überzeugt, würden sich bei der Wahl am 5. November zwischen Harris und Trump aufteilen. Neben Trump und dessen umstrittenen Vize-Kandidaten J.D. Vance auch noch den für seine Nähe zu Verschwörungstheorien bekannten Kennedy auf dem Ticket zu haben, könnte für viele Wähler abtörnend sei, so Sabato.
Allerdings räumen Insider bei Republikanern wie Demokraten ein, dass in Swing States wie Michigan oder North Carolina, wo Kennedy es auf den Stimmzettel geschafft hat, bei knappem Ausgang zwischen Harris und Trump Zehntel-Prozentpunkte-Verschiebungen durch Kennedy-Anhänger am Ende den Ausschlag geben könnten. Jean O‘Malley Dillon, die Chefin der Harris-Kampagne, will davon heute noch nichts wissen. Auf dem Parteitag in Chicago sagte sie, Kennedy werde wohl keine nennenswerte Rolle spielen.
Entscheiden Impfgegner die Wahl?
Im Trump-Lager sieht man das anders. Dort geht die Denke so: Würde Trump Kennedy etwa die Zuständigkeit für die in der Corona-Pandemie in die Kritik geratenen Gesundheitsbehörden (HHS) übertragen, könnten parteiunabhängige Impfgegner, die einen Gutteil der Kennedy-Sympathisanten darstellen, Trump ihre Stimme geben und ihm so zum Sieg verhelfen.
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