Berlin. Einem Nordkoreaner ist auf direktem Wege die Flucht nach Südkorea gelungen. Es ist der erste solche Fall seit mehr als einem Jahr.

Flucht gilt in Nordkorea als Staatsverbrechen. Folter oder gar die Todesstrafe drohen. Trotzdem nehmen Menschen immer wieder große Risiken in Kauf, um der Schreckensherrschaft von Machthaber Kim Jong-un zu entgehen.

Aus guten Gründen fliehen sie nicht direkt über die Grenze nach Südkorea. Sie nehmen riesige Umwege in Kauf: auf dem Landweg heimlich über China, Laos nach Thailand. Von dort geht es dann unbehelligt weiter nach Südkorea.

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Die Landgrenze ist die weltweit am besten überwachte und gefährlichste Nahtstelle. Über das Meer ist die Erfolgschance nur geringfügig größer. Aber genau das hat ein Nordkoreaner jetzt mit geschafft; die erste solche Erfolgsstory seit 15 Monaten.

Zweiter Fluchtversuch ein Fehlschlag?

„Die südkoreanische Armee hat einen mutmaßlichen Nordkoreaner in ihre Obhut genommen und an die zuständigen Behörden überstellt“, teilte der Generalstab in Seoul am Donnerstag mit. Er sei auf der an der Demarkationslinie gelegenen südkoreanischen Insel Gyodong an der Westküste aufgegriffen worden, berichtete die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap. Ursprünglich seien zwei Männer ausgemacht worden. Es bestehe die Möglichkeit, dass der Fluchtversuch des zweiten fehlgeschlagen sei.

Für Machthaber Kim Jong-un ist jeder Fluchtversuch ein Staatsverbrechen.
Für Machthaber Kim Jong-un ist jeder Fluchtversuch ein Staatsverbrechen. © DPA Images | Uncredited

Der Nordkoreaner habe die „neutrale Zone der Mündung des Han-Flusses westlich der innerkoreanischen Landgrenze“ überquert und dann die Insel Gyodong erreicht, berichtete Yonhap zudem unter Berufung auf Militärkreise. Der südkoreanische Verteidigungsminister Shin Won-sik sagte demnach vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, die Angelegenheit werde von den Behörden untersucht. 

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Selbst die Elite nimmt Reißaus

Zuletzt war im Mai 2023 Menschen aus Nordkorea die Flucht über das Meer in den Süden gelungen. Damals überquerte eine neunköpfige Familie in einem Holzboot die Grenze. Seit der politischen Teilung der koreanischen Halbinsel im Zuge des Koreakriegs Anfang der 1950er Jahre sind bereits zehntausende Nordkoreaner in den Süden geflohen. 

Nach Beginn der Corona-Pandemie war die Zahl in den Süden geflohener Nordkoreaner zunächst deutlich zurückgegangen. Im vergangenen Jahr hatte sie sich im Vergleich zu 2022 aber mehr als verdoppelt: 196 Menschen war im vergangenen Jahr die Flucht gelungen, im Vorjahr waren es 67 gewesen. Dem südkoreanischen Wiedervereinigungsministerium zufolge nahm insbesondere die Zahl der geflohenen Angehörigen der nordkoreanischen Elite zu.