Berlin. SPD-Bauministerin Klara Geywitz will Leute ermutigen, raus aus den Städten zu ziehen. Das ist ein Eingeständnis ihres eigenen Versagens.
Auf den ersten Blick passt es zusammen. In den Großstädten gibt es Menschen, die verzweifelt eine bezahlbare Wohnung suchen, oder immer öfter: überhaupt eine Wohnung. Und auf dem Land und in kleineren Gemeinden gibt es leerstehende Häuser. In die könnten ja die Leute aus den Städten einziehen. Häuser bewohnt, Suchende versorgt – super Sache, oder?
So oder so ähnlich muss der Gedankengang von Bauministerin Klara Geywitz ausgesehen haben, als sie in einem Interview die Menschen ermutigte, raus aus den Metropolen zu ziehen. Mit Homeoffice und mobilen Arbeiten gebe es da schließlich ganz neue Möglichkeiten, und Kitas, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten und Ärzte gebe es in kleinen und mittelgroßen Städten auch.
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Auf den zweiten Blick ist das, was Geywitz da vorschlägt, nicht nur keine Lösung. Es ist auch eine Frechheit.
Um Missverständnissen vorzubeugen: In vielen kleineren Städten lässt es sich sehr gut leben, auch auf dem Land. Und es ist die politische Anstrengung wert, dafür zu sorgen, dass Infrastruktur, Daseinsvorsorge und Wohnungsangebot überall so verfügbar sind, dass jeder, der dort wohnen will, das auch tun kann. Aber genau dasselbe gilt eben auch für Großstädte.
Feuerwehrleute, Erzieherinnen, Pfleger: Die Städte brauchen Menschen
Geywitz führt mobiles Arbeiten ins Feld – als würde jemand, der in Berlin-Kreuzberg oder der Hamburger Schanze eine Wohnung sucht, das in erster Linie tun, weil er nur dort Arbeit findet, und nicht, weil er in ganz genau diesen Kiezen mit genau diesem Lebensgefühl wohnen will.
Und so wie viele Menschen ganz konkret die Stadt wollen, brauchen die Städte auch Menschen, und zwar nicht nur diejenigen, die die inzwischen zum Teil absurden Mieten und Kaufpreise halt zahlen können. Mobiles Arbeiten kommt längst nicht für alle infrage. Feuerwehrleute, Erzieher, Pflegerinnen, Verkäufer gehören alle zu einer funktionieren Stadt dazu. Und sie haben ein Recht darauf, dort auch zu wohnen, wo sie arbeiten.
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Dasselbe gilt für Studierende. Die Wohnheime platzen aus allen Nähten, WG-Zimmer kosten in vielen Uni-Städten – und längst nicht nur in den ganz großen – inzwischen deutlich mehr als im Bafög für Miete vorgesehen ist. Will die Ministerin jungen Menschen nach mehreren Jahren Corona und Online-Lehre vorschlagen, sie könnten ja alle bei Mama und Papa in der Kleinstadt bleiben und sich an einer Fern-Uni einschreiben?
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Geywitz‘ Einlassung ist ein Eingeständnis des politischen Versagens der SPD-Ministerin selbst und der ganzen Koalition beim Thema bezahlbarer Wohnraum und Mieten.
Die nicht enden wollende Bergfahrt der Mieten in Ballungsräumen und Großstädten ist eines der größten sozialen Probleme in diesem Land. Und die Ampel-Koalition war einmal angetreten, das zu lösen – oder zumindest ein großes Stück besser zu machen.
Keine 400.000 Wohnungen pro Jahr, keine Senkung der Kappungsgrenze
Stattdessen werden die Neubauziele von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr immer wieder und mit Ansage gerissen. Die zahnlose Mietpreisbremse soll zwar verlängert werden, aber die vereinbarte Senkung der Kappungsgrenze auf 11 Prozent ist immer noch nicht beschlossen. Nicht einmal die kleinsten Korrekturen sind offenbar möglich. Von dieser Koalition haben alle, die in attraktiven Städten oder in deren (längst auch sehr begehrten) Umland Wohnungen suchen, offenbar nicht mehr viel zu erwarten.
Ihr wollt Restaurants und Kultur, Stadtleben und halbwegs kurze Arbeitswege? Ihr wollt euer soziales Umfeld in der Nähe – und gleichzeitig bezahlbar wohnen? Pech gehabt, sagt dieser Vorschlag, ihr werdet euch entscheiden müssen.
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