Washington. Plötzlich ist Donald Trump im Wahlkampf der Alte und hat mit Kamala Harris eine jüngere Gegnerin, die ihm gefährlich werden könnte.

Gesagt hatte der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump, dass es ihn nicht interessiere, wen die Demokraten gegen ihn ins Rennen schickten. Trumps selbstbewusste Worte können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass bei den Republikanern die Nerven blank liegen. Sie müssen nämlich angesichts des sicher erscheinenden Duells mit Vizepräsidentin Kamala Harris komplett umdenken.

Der Gegner ist nicht mehr ein schwächelnder alter Herr namens Joe Biden, der sich ständig verspricht und beunruhigende Gedächtnislücken aufweist. Trump wird nun aller Voraussicht nach einer dynamischen, 19 Jahre jüngeren Staatsanwältin gegenüberstehen, die sich von seinen persönlichen Angriffen nicht wird beirren lassen.

Plötzlich hat sich die Ausgangslage im US-Wahlkampf komplett verändert: Jetzt ist der 78-jährige Trump der älteste Bewerber im Rennen um das Weiße Haus. Der hatte in der Vergangenheit keine Gelegenheit ausgelassen, um den 81-jährigen Biden wegen dessen Alters und seiner körperlichen Gebrechen lächerlich zu machen. Ein „schwacher alter Mann“ sei dieser, vollkommen ungeeignet für das Präsidentenamt. Auch Trump redet häufig wirres Zeug, auch er wirkt mitunter desorientiert. Neben Biden fiel das nur weniger auf. Das könnte sich jetzt ändern.

„Die erste Partei, die ihren 80-jährigen Kandidaten zurückzieht, wird die Wahl gewinnen“

Im Internet kursieren in diesen Tagen wieder Aufnahmen eines Auftritts der Politikerin Nikki Haley vom Januar. Damals kämpfte die ehemalige Gouverneurin und UN-Botschafterin um die Nominierung als republikanische Präsidentschaftskandidatin, konnte sich aber schließlich nicht gegen Trump durchsetzen. Bei ihrem Auftritt kam sie ehedem auf die beiden greisen Bewerber Trump und Biden zu sprechen. Die meisten Amerikaner wollten keine Neuauflage dieses Duells. „Die erste Partei, die ihren 80-jährigen Kandidaten zurückzieht, wird diejenige sein, die die Wahl gewinnt“, sagte Haley ehedem.

Der Clip wird in den sozialen Medien von Demokraten und Trump-Gegnern gerade nach Kräften geteilt. Auf dem X-Kanal „Republicans against Trump“ hatte er am Dienstagmittag mehr als sechs Millionen Aufrufe. Auch einflussreiche Medien kamen in den vergangenen Tagen auf die Sequenz zurück. Haley dürfte das eher peinlich sein, sie hat sich längst auf die Seite ihres einstigen Widersachers Trump geschlagen.

Nun läuft es also auf ein Duell Donald Trump gegen die deutlich jüngere Kamala Harris hinaus. Die hatte nur wenige Tage nach Bidens Rückzug die notwendige Zahl von Delegierten hinter sich, um demokratische Kandidatin zu werden. Mit dem Verzicht potenzieller Anwärter wie Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom und Michigans Regierungschefin Gretchen Whitmer galt ihr die Spitzenposition ohnehin schwer zu nehmen.

Trump: „Harris noch schlimmer als Biden“

Das wiederum hat Konsequenzen für Trump. Der Kandidat selbst versuchte, die Sorgen innerhalb der Partei herunterzuspielen. Harris sei „noch schlimmer als Biden“, geißelte er die Vizepräsidentin unmittelbar, nachdem ihr Chef das Handtuch geworfen hatte. Dabei ist von einer strategischen Anpassung wenig zu spüren. Nur, dass Harris vorgeworfen wird, an einem „Cover-Up“ beteiligt gewesen zu sein.

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Die Republikaner behaupten nun, Harris habe seit geraumer Zeit gewusst, wie schlecht es um Bidens Zustand bestellt ist, die Öffentlichkeit aber darüber belogen. Auch nimmt der republikanische Kurswechsel rassistische Züge an. Trumps Nummer Zwei JD Vance warnte vor einem „Bürgerkrieg“, sollte Harris gewinnen. Zudem meinten konservative Kongressmitglieder, sie habe nur deswegen eine Karriere als Staatsanwältin gemacht, weil sie als dunkelhäutige Frau von Quotenregelungen profitiert habe. 

Unterdessen täuscht die demonstrative Gelassenheit nicht über die Herausforderungen hinweg, vor denen die Trump-Kampagne nun steht. Da nämlich sie und Biden als gemeinsames Team angetreten waren, hat Harris sofortigen Zugang zu seinen Wahlspenden. Diese wuchsen allein in den 24 Stunden nach Bidens Ausstieg um mehr als 80 Millionen Dollar. Auch erbt sie die Wahlhelfer, Berater und anderes Personal, die eine Wahlmaschinerie auf Touren bringen.  

Abtreibungsrecht könnte sich für Trump als politische Hypothek erweisen

Kamala Harris spricht am Montag in der Zentrale ihrer Kampagne.
Kamala Harris spricht am Montag in der Zentrale ihrer Kampagne. © DPA Images | Erin Schaff

Ebenso wichtig sind aber die politischen Inhalte. Obwohl sie ihm fast vier Jahre lang als loyale Stellvertreterin zur Seite gestanden hat, sind die politischen Positionen von Harris und Biden nicht alle deckungsgleich. Eine zentrale Rolle wird in dem Zusammenhang der hitzigen Debatte über Abtreibungsrechte zukommen, die sich für Trump als politische Hypothek erweisen könnte.

Schließlich hat der Ex-Präsident wiederholt gesagt: „Ich allein habe Roe gegen Wade gekippt.“ Er meinte damit das legendäre Urteil des Verfassungsgerichts, das 1973 den Schwangerschaftsabbruch legalisierte. Der oberste Gerichtshof, zu dem Trump drei erzkonservative Richter ernannt hat, entschied letztes Jahr, dass der Bund nicht über Schwangerschaftsabbrüche entscheiden dürfe, sondern dies den einzelnen Staaten überlassen werden müsste. Seitdem haben über 20 konservative Staaten Abtreibungen teilweise oder komplett verboten. 

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Dass Trump dies sogar als Erfolg für sich in Anspruch nimmt, verärgert selbst Republikanerinnen und könnte ihm bei Wechselwählern zum Verhängnis werden. Harris hingegen ist eine konsequente Befürworterin des Rechts jeder Frau, über einen Schwangerschaftsabbruch frei entscheiden zu dürfen. Sie plant, die Verwundbarkeit der Republikaner in diesem Punkt politisch auszuschlachten.

Harris stellt für Trump ein Problem dar

Biden hingegen vertrat zwar eine ähnliche Position, wurde aber mit seinen Äußerungen wegen seines katholischen Glaubens nicht so deutlich wie seine Stellvertreterin. Einen Vorteil hat Harris gegenüber Trump auch in Bezug auf die Nahostpolitik. So hat Trump sich während des Gaza-Kriegs konsequent auf die Seite Israels gestellt. Harris hingegen bezieht eine differenzierte Position. Sie hat sich mehrfach für einen Waffenstillstand ausgesprochen und eine „humanitäre Lösung“ gefordert. 

Weitere Vorteile für die Demokratin kristallisierten sich am Tag nach Bidens Ausstieg heraus. So sagten mehrere Gewerkschaften, die Trump vorher umworben hatte, Harris ihre Unterstützung zu. Dasselbe gilt für Anhänger der ehemaligen republikanischen Kandidatin Nikki Haley. Sie hatten seit Bidens katastrophaler TV-Debatte zu Trump geneigt, organisierten sich nun aber über soziale Medien und sprachen der Vizepräsidentin das Vertrauen aus. Dazu gesellen sich afroamerikanische Wähler und Vertreter anderer Minderheiten, bei denen sich die Republikaner ebenfalls Hoffnungen gemacht hatten.

„Trump und die Republikaner tun nur so, als wären Siege bei der Präsidentschafts- und den Kongresswahlen schon in trockenen Tüchern“, so Larry Sabato, Politik-Professor an der University of Virginia. Sie wüssten aber sehr wohl, dass Harris ein großes Problem darstellt. Insbesondere wegen ihrer Vergangenheit als Staatsanwältin. Ihre Strategie ist nämlich klar definiert: ein Duell auszufechten mit Harris in der Rolle der Chefanklägerin, die dem bereits vorbestraften Republikaner Trump den nächsten Prozess macht.