Berlin. Bundeskanzler Scholz reagiert auf den Angriff von Mannheim: Straftäter sollen auch nach Afghanistan und Syrien abgeschoben werden.

Es ist kurz nach 9 Uhr am Donnerstagmorgen, als Olaf Scholz eine Kehrtwende verkündet. Der Kanzler, weißes Hemd, dunkle Krawatte, tritt ans Rednerpult im Bundestag. Hinter ihm ist Regierungsbank voll besetzt. Ihm ist wichtig, was er jetzt sagt. Er betont jeden einzelnen Satz: „Nicht diejenigen sollen sich fürchten müssen in Deutschland, die in Freiheit und Frieden leben wollen. Sondern diejenigen müssen sich fürchten, die unsere Freiheit angreifen und unseren Frieden stören!“

Die Botschaft des Kanzlers nach dem Messerangriff von Mannheim ist damit klar. Es wird eine härtere Linie gegen ausländische Straftäter und Gefährder geben. Und künftig auch Abschiebungen nach Afghanistan. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte am Donnerstag nach der Regierungserklärung von Scholz dieser Redaktion: „Islamistische Hetzer, die geistig in der Steinzeit leben, haben in unserem Land nichts zu suchen.“ 

Scholz äußerte sich in einer Regierungserklärung im Bundestag allein zum Thema Sicherheit – von der Ukraine über Angriffe auf Politiker bis zu der Tat von Mannheim. „Lassen Sie mich klar sagen: Es empört mich, wenn jemand schwerste Straftaten begeht, der hier bei uns Schutz gesucht hat“, sagte der Kanzler. „Solche Straftäter gehören abgeschoben – auch wenn sie aus Syrien oder Afghanistan stammen.“

Scholz: „Schwerstkriminelle und terroristische Gefährder haben hier nichts verloren“

Abschiebungen in die beiden Krisenländer sind derzeit nicht möglich. Aus Sicht von Menschenrechtsorganisationen hat das gute Gründe. „Scholz irrt, wenn er Abschiebungen nach Afghanistan fordert, wo Folter, Misshandlungen und weitere Menschenrechtsverletzungen durch die Taliban drohen“, sagte Karl Kopp, Geschäftsführer von Pro Asyl, dieser Redaktion. Abschiebungen dorthin seien nicht mit dem Rechtsstaat und dem Völkerrecht vereinbar. Das gelte auch für den „Folterstaat“ Syrien.

Auslöser der aktuellen Debatte ist der tödliche Messerangriff eines Afghanen in Mannheim auf den Polizisten Rouven L. „Dafür gibt es nur einen Begriff: Terror. Terror sagen wir den Kampf an“, versprach Scholz. Die politische Diskussion um Abschiebungen verurteilter Schwerkrimineller nach Syrien und Afghanistan läuft jedoch bereits seit längerer Zeit. Die Landesinnenminister hatten Faeser im Dezember aufgefordert, bis zu einer gemeinsamen Sitzung am 19. und 20. Juni alle Optionen zu prüfen.

Bisher war die Haltung der Bundesregierung eindeutig. „Rückführungen nach Syrien und nach Afghanistan sind laut Aussagen der Bundesregierung seit geraumer Zeit bereits aus praktischen Gründen nicht durchführbar“, fasste der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags Anfang April die Lage zusammen. „Schwerstkriminelle und terroristische Gefährder haben hier nichts verloren“, sagte Scholz nun. „In solchen Fällen wiegt das Sicherheitsinteresse Deutschlands schwerer als das Schutzinteresse des Täters“, erklärte er den neuen Kurs.

Grüne bezweifeln Erfolg von Scholz‘ Abschiebeplan

„Das Bundesinnenministerium arbeitet daran, Abschiebungen von Straftätern und Gefährdern nach Afghanistan zu ermöglichen“, sagte Scholz. Über die praktische Umsetzung verhandele das Ministerium mit Nachbarländern. Die Bundesregierung hatte Abschiebungen nach Afghanistan infolge der erneuten Machtübernahme der Taliban 2021 ausgesetzt. Die Rede ist nun von einer Zusammenarbeit mit Pakistan. Sie prüfe „intensiv, wie wir schwere Straftäter und islamistische Gefährder schnellstmöglich auch wieder nach Afghanistan und Syrien abschieben können“, sagte Faeser.

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Zu den radikalislamischen Taliban pflegt die Bundesregierung keine offiziellen Kontakte. Die Grünen bezweifeln daher die Erfolgsaussichten des Abschiebeplans. „Menschen, die schwere Straftaten begehen, müssen nach Verbüßung der Strafe abgeschoben werden“, sagte Fraktionschefin Britta Haßelmann. Zudem: Für welches Drittland sei es attraktiv, Terroristen oder schwere Straftäter aufzunehmen?

„Wer einen Polizisten tötet, der muss auf das Härteste bestraft werden“

Scholz nannte weitere Punkte, in denen der Staat härter durchgreifen solle. „Wer einen Polizisten tötet, der muss auf das Härteste bestraft werden“, sagte der Kanzler. „Wer Frauen und Männer, die helfen und Leben retten wollen, hinterrücks angreift oder in Hinterhalte lockt, der muss die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommen.“ Deswegen wolle er das Strafrecht gezielt schärfen. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) begrüßte die Ankündigung. „Die Beamtinnen und Beamten brauchen insgesamt einen besseren Schutz der Politik, den vermissen wir bislang“, sagte GdP-Vorstandsmitglied Roland Voss dieser Redaktion.

Scholz und Faeser wollen zudem Gewalttaten mit Messern unterbinden. „Messerverbote müssen konsequent durchgesetzt werden, so wie es die Bundespolizei mit Kontrollen an Bahnhöfen macht“, sagte Faeser. „Aber wir brauchen das bundesweit – vor allem an Hotspots und bei Großveranstaltungen“, forderte Scholz.

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„Nicht länger dulden werden wir auch, wenn terroristische Straftaten verherrlicht und gefeiert werden“, sagte der Kanzler weiter. „Deshalb werden wir unsere Ausweisungsregelungen so verschärfen, dass aus der Billigung terroristischer Straftaten ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse folgt“, kündigte Scholz an. „Wer Terrorismus verherrlicht, wendet sich gegen alle unsere Werte – und gehört abgeschoben.“ Faeser kündigte an, einen entsprechenden Gesetzentwurf „in Kürze“ vorzulegen.