Berlin. „All Eyes on Rafah“ trendet in den sozialen Medien. Was steckt hinter der Formulierung und warum machen so viele bei dem Trend mit?
Am Dienstag tauchte ein Slogan plötzlich überall auf: „All Eyes on Rafah“ hieß es in zahlreichen Posts auf der Plattform X, ein Sharepic mit demselben Slogan wurde über 39 Millionen Mal in Instagram-Storys geteilt. Auch in denen von Influencern, die sich sonst nicht politisch, geschweige denn zum hochkomplexen Nahost-Konflikt, äußern. Das vielfach geteilte Template stammt ebenfalls nicht von einem vornehmlich politischen Account, der Urheber scheint Fotograf zu sein, die Flaggen in seinem Instagram-Profil deuten auf eine Herkunft aus Malaysia und/oder Singapur hin.
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Zu sehen ist allerdings kein echtes Foto, das Bild ist entweder stark bearbeitet oder KI-generiert, in einer unendlich weit reichenden Zeltstadt bilden einige weiße Zelte den Schriftzug „All Eyes on Rafah“. Die Aussage ist klar, die Posts und Storys sollen Aufmerksamkeit auf die Stadt Rafah im Gazastreifen lenken, dort wo die israelische Armee (IDF) aktuell eine Militäroperation durchführt. Erklärtes Ziel: Befreiung der von der Terrororganisation Hamas gehaltenen Geiseln, die am 7. Oktober 2023 bei brutalen Angriffen entführt wurden, und das Ausschalten der islamistischen Terroristen.
Rafah: Israel verliert internationalen Rückhalt
Doch das Vorgehen der IDF sorgt inzwischen für internationalen Protest. Infolge eines Luftangriffs kam es in einer humanitären Zone in Rafah zu einem Großbrand. Laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde starben 45 Menschen. Die IDF verteidigt den Angriff damit, dass er einer nahegelegenen Hamas-Anlage gegolten habe, dort gelagerte Munition könnte den Brand ausgelöst haben.
Der Satz „All Eyes on Rafah“ selbst ist allerdings schon älter und wurde vermutlich erstmals vom Direktor des palästinensischen Büros der World Trade Organization (WTO), Rick Peeperkorn, im Februar formuliert. Verschiedene Organisationen griffen die Formulierung auf. Ein Foto zeigt ein Plakat mit entsprechender Beschriftung auf einer Demonstration am 18. Mai in Berlin.
Israel: Olaf Scholz übt Kritik
Doch schon vor dem verheerenden Brand wandte sich die internationale Gemeinschaft zunehmend von der israelischen Regierung um Benjamin Netanjahu, gegen den inzwischen ein internationaler Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit beantragt wurde, ab. „Die israelischen Operationen in Rafah müssen beendet werden“, forderte der französische Präsident Emmanuel Macron zuletzt. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verlangte: „Israel muss bei seinem Vorgehen das Völkerrecht achten.“
Andere Länder gingen einen Schritt weiter: Norwegen, Spanien und Irland erkannten Palästina als Staat an, damit setzen gleich drei europäische Staaten ein Zeichen in Richtung einer Zwei-Staaten-Lösung. Und selbst die USA, stärkster Verbündeter Israels, machten deutlich, dass sie das Vorgehen in Rafah nicht toleriere,n und setzten deshalb sogar Waffenlieferungen aus.
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Israel bringt mit Rafah auch die Zivilgesellschaft gegen sich auf
Offenbar haben die Berichte aus Rafah nun auch in großen Teilen einer eher unpolitischen Zivilgesellschaft einen Nerv getroffen. Möglich ist auch, dass einige Influencerinnen und Influencer sich unter Druck gesetzt fühlten, es gab Aufrufe zu einem sogenannten „Blockout“, bei dem Prominente, die sich nicht zu der Situation in Palästina äußern, auf sozialen Medien blockiert werden sollten. Die Aktion erinnert an schon länger laufende Boykottaufrufe gegen Firmen, die in Israel agieren, wie wirksam sie sind, ist nicht bekannt.
Ein Social-Media-Trend wird den seit über 70 Jahren schwelenden Konflikt nicht lösen, er ist aber Ausdruck davon, wie sehr Israel den Kampf um die öffentliche Meinung verloren hat. Im Nahost-Konflikt gibt es keine einfachen Wahrheiten, doch das ignorieren die Postings. Die von der Hamas gehaltenen Geiseln, die Verbrechen der Terroristen, gegen drei ihrer Anführer wurde der gleiche Haftbefehl wie gegen Netanjahu beantragt, spielen bei der „All Eyes on Rafah“-Kampagne keine Rolle.
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Nahost-Konflikt: Kommt eine Resolution des UN-Sicherheitsrats?
Einem Bericht der Deutschen Presse-Agentur (dpa) zufolge, könnte aber tatsächlich schon an diesem Mittwoch weiterer politischer Druck entstehen. Ein Resolutionsentwurf im UN-Sicherheitsrat, über den möglicherweise schon heute abgestimmt wird, soll ein sofortiges Ende der israelischen Militäroffensive fordern. Außerdem müsse es eine sofortige und von allen Seiten respektierte Waffenruhe im Gazastreifen geben, heißt es in der von Algerien erstellten Beschlussvorlage, die der dpa vorliegt. Auch die Freilassung der von der Hamas gehaltenen Geiseln ist darin enthalten.
Eine entscheidende Rolle in der Abstimmung wird den USA zukommen. Enthält sie sich, könnte der Weg für die Resolution frei sein. Der Sicherheitsrat ist das einzige UN-Gremium, dessen Resolutionen tatsächlich völkerrechtlich verbindlich sind, bei Nichteinhaltung also Konsequenzen haben. Im ersten Schritt sind das friedliche, reichen diese nach Meinung des Sicherheitsrates nicht aus, kann er laut UN-Charta auch Militär zur Wiederherstellung und Wahrung des Friedens einsetzen.
mit dpa