Berlin. Umfragen, Skandale, Gerichtsurteile: Es läuft schlecht für die AfD. Jetzt hat die Partei mit Europa-Kandidat Maximilian Krah gebrochen.
Nicht einmal drei Wochen sind es noch bis zur Europawahl (9. Juni) – und die Alternative für Deutschland (AfD) gerät immer tiefer in die selbst verschuldete Krise. Der umstrittene Spitzenkandidat Maximilian Krah wird ab sofort keine Wahlkampfauftritte mehr für die Rechts-außen-Partei absolvieren und sich auch aus dem Bundesvorstand zurückziehen, wie die Parteiführung am Mittwoch nach einer Telefonkonferenz des Vorstands sowie der Landeschefs mit Krah mitteilte. „Dieser konsequente Rückzug aus der Öffentlichkeit wurde mehrheitlich begrüßt“, hieß es.
Die Rede ist von einem Auftrittsverbot, das gegen Krah verhängt wurde. Hintergrund sind Interview-Äußerungen Krahs über die nationalsozialistische SS, welche wiederum die französische Partnerpartei Rassemblement National (RN) in Rage gebracht hatten.
Damit bricht die AfD offiziell mit ihrem Spitzenkandidaten für den Urnengang am 9. Juni. Krah wird dann trotzdem ganz oben auf dem Wahlzettel stehen, denn Änderungen bei der Kandidatenaufstellung sind jetzt rechtlich nicht mehr möglich. Auch die Nummer 2 auf der Europaliste, der Bundestagsabgeordnete Petr Bystron, soll wegen Ermittlungen der Justiz nicht mehr im Wahlkampf auftreten.
Der 47-jährige Krah steht in der Partei bereits seit einiger Zeit wegen seiner Russland- und China-Nähe unter Druck. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden prüft mögliche Geldzahlungen an Krah aus diesen Ländern. Ein langjähriger Mitarbeiter des Politikers sitzt wegen Spionageverdachts für China in Untersuchungshaft. Bei Bystron geht es ebenfalls um mögliche Geldzahlungen aus Russland.
AfD-Spitze: Für die Partei ist ein „massiver Schaden“ entstanden
Der Dresdner Europa-Abgeordnete Krah hatte am Wochenende in einem Interview mit einer italienischen Zeitung gesagt, dass nicht alle Mitglieder der SS kriminell gewesen seien. Daraufhin kündigte der französische Rassemblement National um die Rechts-außen-Politikerin Marine Le Pen an, künftig nicht mehr mit der AfD in einer Fraktion im Europaparlament zusammenarbeiten zu wollen. In Frankreich sind die SS-Verbrechen im kollektiven Gedächtnis allgegenwärtig – etwa die Ermordung von fast 650 unbewaffneten Bewohnern des Dorfes Oradour-sur-Glane im Jahr 1944.
In der Erklärung der beiden AfD-Chefs Alice Weidel und Tino Chrupalla von Mittwoch heißt es nun, bei der Telefonkonferenz mit Krah sei „ein massiver Schaden für die Partei im laufenden Wahlkampf festgestellt“ worden, für den der Spitzenkandidat „den Vorwand geliefert“ habe. Krah selbst sagte: „Man kann nie tiefer fallen als in Gottes Hand. Ich nehme zur Kenntnis, dass sachliche und differenzierte Aussagen von mir als Vorwand missbraucht werden, um unserer Partei zu schaden. Das Letzte, was wir derzeit brauchen, ist eine Debatte um mich.“
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Der Rassemblement National, der bis 2018 Front National hieß, wirft der AfD jetzt vor, „Linien überschritten“ zu haben. Die beiden Parteien gehören seit fünf Jahren gemeinsam der Fraktion „Identität und Demokratie“ im Europaparlament an – neben Parteien wie der FPÖ aus Österreich oder der Lega aus Italien. Der RN-Vorsitzende Jordan Bardella sagte, seine Partei wolle nicht mehr mit den Deutschen zusammen im Parlament sitzen.
Rassemblement National: Marine Le Pen will Staatspräsidentin werden
Aus Sicht der Franzosen geht es um eine strategische Entscheidung: Die langjährige RN-Chefin Le Pen und ihr Nachfolger Bardella wollen ihre Rechts-außen-Partei auch für die politische Mitte wählbar machen. Le Pen macht sich Hoffnungen, 2027 im vierten Anlauf die Präsidentschaftswahlen in Frankreich gewinnen zu können und dem gegenwärtigen Amtsinhaber Emmanuel Macron nachzufolgen.
Um dieses Ziel zu erreichen, verzichtet die Partei seit geraumer Zeit auf allzu harsche Rhetorik, etwa in Bezug auf Zuwanderer und Minderheiten. Auch die Forderung nach einem EU-Austritt Frankreichs wurde fallen gelassen. Bei der bevorstehenden Europawahl im Juni wird der RN voraussichtlich triumphieren und als stärkste Kraft aus dem Urnengang hervorgehen. Rund ein Drittel der Wähler gibt in Umfragen derzeit an, die Partei wählen zu wollen.
Zwischen dem RN und der AfD hatte es Anfang des Jahres schon einmal gekracht: Auslöser damals waren Enthüllungen über ein Geheimtreffen von Neonazis und rechten Aktivisten in Potsdam. Dabei sollen Pläne diskutiert worden sein, Millionen von Menschen aus Deutschland zu vertreiben. Auch AfD-Kader nahmen an dem Treffen teil. RN-Frontfrau Le Pen distanzierte sich daraufhin öffentlich von der AfD. Um die Wogen zu glätten, kam es zu einem Treffen Le Pens mit AfD-Chefin Weidel in Paris. Das scheint die Verstimmungen zwischen beiden Parteien aber nicht dauerhaft beseitigt zu haben.
Alternative für Deutschland: Pleiten am laufenden Band
Für die AfD läuft es in Deutschland derzeit ohnehin nicht gut. In der Wählergunst hat sie seit Jahresbeginn deutlich nachgelassen, wie Umfragen belegen. Durch die Gründung der Wagenknecht-Partei BSW ist ein Konkurrent im populistischen Spektrum entstanden. Hinzu kamen die Massendemonstrationen gegen rechts, die den Enthüllungen über das Potsdamer Geheimtreffen folgten. Eine wichtige Rolle dürfte auch die Debatte über die beiden Europa-Spitzenkandidaten Krah und Bystron sowie deren internationale Verbindungen spielen.
Erst in der vergangenen Woche war der Chef der rechtsextremen Thüringer AfD, Björn Höcke, wegen der Verwendung einer Naziparole zur Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von 13.000 Euro verurteilt worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Ebenfalls in der vergangenen Woche entschied das Oberverwaltungsgericht Münster, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die gesamte AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstufen und weiterhin mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachten darf.
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