Berlin. Nancy Faeser macht einen Aufschlag im Kampf gegen Extremisten. Dabei hängen wichtige Reformprojekte fest – manche seit einem Jahr.
Eines ist sicher: Nancy Faeser ist auf dem rechten Auge nicht blind. Seit Tag 1 ihrer Amtsübernahme im Bundesinnenministerium stehen Maßnahmen gegen Neonazis und extreme Rechte oben auf ihrer Agenda. Es folgten Verbote der „Hammerskins“ und der „Artgemeinschaft“. Ihr Verfassungsschutz stuft den Ex-Behördenchef Hans-Georg Maaßen jetzt selbst als Extremisten ein – unter Innenminister Horst Seehofer war er lange hofiert worden. Faeser erreichte, dass Messengerdienste wie Telegram zumindest ein wenig mehr versuchen, dem Hass auf ihrer Plattform Herr zu werden.
Dennoch fühlen sich Rechtsextremisten im Aufwind, vernetzen sich bis in die bürgerliche Mitte, reisen zu Waffentrainings ins Ausland. Die Behörden registrieren immer mehr gewaltbereite Neonazis. Nun legt Faeser nach, will Desinformation mit einer eigenen „Frühwarn“-Abteilung in ihrem Ministerium enttarnen, will Neonazis an der Ein- und Ausreise hindern.
Es sind Maßnahmen, die spektakulär klingen. Deren Wirkung jedoch begrenzt bleiben dürfte. Bereits jetzt fungieren die Nachrichtendienste als „Frühwarn-System“, sollen Kampagnen von Extremisten aufdecken. Zudem: Auf welcher Rechtsgrundlage soll das maximal scharfe Schwert der Reiseverbote legitim sein? Selbst wenn es gegen Verfassungsklagen Erfolg hätte: Wer soll das Verbot an der Grenze kontrollieren?
Nicht das Waffenrecht ist das Problem, sondern die fehlende Kontrolle von Waffenbesitzern
Die Pläne von Faeser klingen spektakulär entschlossen, sind vom Willen des Kampfes gegen Verfassungsfeinde angetrieben – und verpuffen doch am Realitätscheck. Oder scheitern am Koalitionspartner. So wie viele wichtige Vorhaben im Kampf gegen rechts: verschärftes Waffenrecht? Faeser streitet mit der FDP. Gesetz zur Speicherung von Telekommunikationsdaten? Faeser kann sich nicht mit der FDP einigen.
? Hängt im Bundestag fest. Neue Gesetzesgrundlage für verdeckte Ermittler bei der Polizei? In der Ampel umstritten.
Waffenrecht: Faeser will das Waffenrecht verschärfen. Doch nicht das Gesetz ist das Problem, sondern die Kontrolle des Gesetzes vor Ort, in den Kommunen. Waffenbehörden sind in Deutschland in der Regel die Landratsämter. Und die laufen über an Arbeit. Ohnehin gilt: Täter besorgen sich illegal Waffen auf dem digitalen Schwarzmarkt, präparieren illegal Schreckschusswaffen um. Die halten sich ohnehin nicht an Recht, auch nicht an ein schärferes.
Vorratsdatenspeicherung: Noch immer fehlt den Sicherheitsbehörden ein Gesetz, mit dem sie Internetdaten von potenziellen Kriminellen abfangen können. Faeser will, dass die Anbieter wenigstens für einen Zeitraum von einigen Monaten die Grunddaten im Internetverkehr speichern. Der Vorstoß ist richtig. Aber Faeser scheitert an der FDP, die hart blockiert. Und sich – zu Recht – auf den Koalitionsvertrag beruft, der anlassloses Speichern ausschließt. Faesers Plan, den Behörden mehr Befugnisse bei der Datenüberwachung zu geben, ist richtig. Aber sie kann sich nicht durchsetzen.
Ein Konjunkturprogramm für den Maschinenraum des Antifaschismus
Das wichtigste Instrument ist das Demokratiefördergesetz. Es soll Aussteigerprogrammen und Bildungsvereinen helfen, vor Ort gegen Neonazis zu kämpfen. Es soll ihnen ihre Finanzierung sichern, die seit Jahren prekär ist. Ein Konjunkturprogramm für den Maschinenraum des Antifaschismus. Nancy Faeser hat ihre Arbeit getan, die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf ins Parlament gebracht. Doch der Bundestag zögert. Die Koalitionspartner von SPD, Grünen und FDP streiten sich, wer gefördert werden soll – und wer nicht. Der Streit hilft vor allem einer Gruppe: den Rechtsextremen.
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