Berlin. Vor allem Mütter erleben beim Wiedereinstieg in den Beruf häufig Benachteiligung – bis hin zur Kündigung. Eine Betroffene berichtet.

An den Moment, als sie ihrem damaligen Vorgesetzten von ihrer Schwangerschaft erzählte, erinnert sich Jacqueliné Glauch noch genau. Es war 2016. Die damals 35 Jahre alte Projektmanagerin erwartete ihr erstes Kind – und war eigentlich voller Vorfreude. Eigentlich. „Mein Vorgesetzter hat mir deutlich zu verstehen gegeben, dass man mir den Zeitpunkt der Schwangerschaft übelnimmt“, erinnert sie sich. Noch heute fällt es ihr schwer, über ihre Erfahrungen zu sprechen.

Glauch sagt, sie habe damals trotzdem erst mal versucht, sich keine Sorgen zu machen – auch weil es während ihrer Elternzeit einen Wechsel in der Geschäftsführung geben sollte. „Ich hatte die stille Hoffnung, dass ich dann in eine andere Umgebung zurückkommen kann.“ Dann wurde ihr Sohn geboren – für Gedanken an den Job blieb keine Zeit mehr. Als das Ende ihrer Elternzeit schließlich näher rückte, wendete sich Glauch wieder an ihren Arbeitgeber. Sie wollte das letzte halbe Jahr ihrer Elternzeit halbtags arbeiten und anschließend wieder in Vollzeit einsteigen.

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So hatte sie es auch in ihren Elternzeit-Antrag geschrieben. Ihr Arbeitgeber habe ihr damals nur mitgeteilt, dass noch keine Aussage darüber getroffen werden könne. Sie solle sich vor dem Wiedereintritt noch einmal melden. Glauch schrieb Mails und hakte nach – doch immer wieder wurde sie vertröstet.

Elternzeit: 62 Prozent der Eltern beim Wiedereinstieg benachteiligt

Wenige Monate vor ihrem geplanten ersten Arbeitstag erhielt sie dann plötzlich einen Brief. „Darin stand, dass sie mir keine Teilzeitstelle anbieten könnten“, erzählt sie – obwohl die junge Mutter rechtlich einen Anspruch darauf gehabt hätte. Glauch suchte sich daraufhin einen Rechtsbeistand und reichte Klage auf Wiedereinstieg ein. Anstelle eines Entgegenkommens teilte ihr der Arbeitgeber jedoch mit, dass sie nach dem Ende der Elternzeit ohnehin mit einer Kündigung rechnen müsse.

Fast jeder dritte Deutsche fühlte sich nach der Geburt des Kindes vom Arbeitgeber diskriminiert.
Fast jeder dritte Deutsche fühlte sich nach der Geburt des Kindes vom Arbeitgeber diskriminiert. © DPA Images | Friso Gentsch

Jacqueliné Glauch ist kein Einzelfall. In einer Befragung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aus dem Jahr 2022 gaben 56 Prozent der Eltern an, in Zusammenhang mit der Geburt eines Kindes Diskriminierungserfahrungen gemacht zu haben. Mütter waren dabei sehr viel stärker betroffen als Väter: Insgesamt 72 Prozent der befragten Mütter erlebten Formen der Herabwürdigung. Beim Wiedereinstieg in den Beruf nach der Elternzeit machten sogar 62 Prozent der Eltern negative Erfahrungen – Mütter mit 69 Prozent erneut häufiger als Väter mit 48 Prozent.

Besonders brisant: 15 Prozent der Frauen gaben zudem an, dass ihnen in Zusammenhang mit ihrer Elternschaft gekündigt oder ihr Arbeitsplatz gestrichen worden sei. Acht Prozent wurde ein Aufhebungsvertrag aufgezwungen. „Es gibt zwei besonders sensible Phasen für Eltern im Berufsleben. Zum einen der Zeitpunkt der Verkündung einer Schwangerschaft und zum anderen der Wiedereinstieg nach der Elternzeit“, sagt Sandra Runge. Die Anwältin für Familienrecht hat sich auf die Beratung von Eltern spezialisiert. „Ich erlebe tagtäglich Fälle von Eltern, die im Arbeitsmarkt Benachteiligung erfahren.“

Diskriminiert nach Elternzeit: Arbeitgeber sperren sich gegen Teilzeit

Insbesondere die Rückkehr aus der Elternzeit stelle Mütter und Väter häufig vor Probleme. Gebe es während dieser Phase Veränderungen im Unternehmen, würden Eltern oft nicht mitgedacht. Eltern würden bei Gehaltserhöhungen oder Beförderungen außen vor gelassen und sie könnten oft nicht dort weitermachen, wo sie aufgehört hatten. „Auch wenn sich Eltern wünschen, zunächst in Teilzeit wieder anzufangen, sperren sich viele Arbeitgeber“, fügt Runge hinzu.

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So war es auch bei Jacqueliné Glauch. Nachdem ein erster Termin mit ihrem Arbeitgeber ergebnislos verlaufen war, erschien sie auf Anraten ihrer Anwältin an ihrem ersten offiziellen Arbeitstag wieder bei der Arbeit. „Dort wurde ich aber direkt abgewiesen, mit den Worten, man habe keinen Arbeitsplatz mehr für mich“, erinnert sie sich. Daraufhin erweiterte sie die Klage um einen finanziellen Ausgleich für die Zeit, die sie nicht arbeiten durfte.

Es dauerte mehrere Monate, bis Glauch schließlich wieder etwas von ihrem Arbeitgeber hörte. „Natürlich wurden alle Rechtsmittel ausgeschöpft, bis hin zum mehrmaligen Verschieben der Termine“, erzählt sie. Die 42-Jährige bekam zu diesem Zeitpunkt schon kein Elterngeld mehr, stand also ohne eigenes Einkommen da. Im Frühjahr 2019 habe sich ihr Arbeitgeber dann plötzlich gemeldet und ihr mitgeteilt, dass man ihr nun doch eine Stelle anbieten könne.

Anwältin: „Fürsorgeverantwortung“ als Diskriminierung anerkennen

Doch die hatte nichts mehr mit ihren vorherigen Aufgaben zu tun. „Statt meine Fähigkeiten und Erfahrungen zu nutzen, sollte ich Excel-Listen abarbeiten, die die Praktikantin danach ins System einpflegen musste – alle Zugriffe auf mein altes Postfach, meine Daten und auf das Projektsystem wurden mir entzogen“, erzählt Glauch. Am Ende habe sie den Druck nicht mehr ausgehalten und einen Aufhebungsvertrag unterschrieben – ohne eine Ausgleichszahlung zu bekommen. „Das war vor allem finanziell ein großer Verlust“, sagt sie heute. Am schlimmsten sei allerdings etwas anderes gewesen.

Jacqueliné Glauch klagte gegen ihren Arbeitgeber – und gewann. Doch das half ihr nicht auf Dauer.
Jacqueliné Glauch klagte gegen ihren Arbeitgeber – und gewann. Doch das half ihr nicht auf Dauer. © Foto: THEO KLEIN | Foto: THEO KLEIN

Man habe ihr das Gefühl vermittelt, für ihren Arbeitgeber nur etwas wert gewesen zu sein, solange sie voll einsetzbar war. „In dem Moment, in dem ich schwanger wurde, war ich quasi kaputte Ware“, sagt sie. Grundsätzlich bestehe bei Unternehmen mit mehr als 15 Mitarbeitenden ein Recht auf Teilzeit während der Elternzeit, erklärt Anwältin Runge. Der Arbeitgeber könne das nur aus dringenden betrieblichen Gründen ablehnen. Und es gibt weitere gesetzliche Regelungen, die Eltern im Berufsleben schützen sollen.

„Während der Elternzeit gilt ein Sonderkündigungsschutz“, erklärt Runge. Kündigungen, die während dieser Phase ausgesprochen werden, seien oftmals nicht rechtmäßig. Das Problem ist, dass betroffene Mütter und Väter rechtlich gegen solche Schritte vorgehen müssen. Das machen aber nur die wenigsten: In der Studie der Antidiskriminierungsstelle gaben lediglich zwei Prozent der Eltern an, als Reaktion auf die Benachteiligung Klage eingereicht zu haben. Die Arbeitgeber kommen in den allermeisten Fällen also mit ihrem Vorgehen durch.

Schutz von Eltern: Vorhaben aus Koalitionsvertrag nicht umgesetzt

„Viele Eltern sind sich nicht bewusst, dass sie Diskriminierung erleben und dass es rechtliche Möglichkeiten geben würde, dagegen vorzugehen“, schätzt Runge. Eine Klage sei immer ein schwerer Schritt und gerade bei einem Arbeitsverhältnis auch eine Frage der beruflichen Existenz. Runge plädiert deshalb dafür, die Möglichkeiten für Eltern zu verbessern, um sich zu wehren. „Wir fordern schon länger, dass Elternschaft beziehungsweise Fürsorgeverantwortung offiziell als Diskriminierungsmerkmal ins Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz aufgenommen wird“, sagt Runge.

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Zu diesem Schluss kam 2022 auch ein Rechtsgutachten der Antidiskriminierungsstelle. Im vergangenen Jahr hatte die Antidiskriminierungsbeauftragte der Bundesregierung, Ferda Ataman, Vorschläge für eine Reform des Gesetzes vorgelegt. Seitdem hat sich nichts getan – obwohl die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt hatte, Schutzlücken schließen zu wollen. Auch andere Vorhaben von SPD, Grünen und FDP würden Eltern helfen – etwa den Sonderkündigungsschutz während der Elternzeit auf die Phase nach der Rückkehr zu erweitern.

Jacqueliné Glauch belasten die Geschehnisse bis heute. „Diese Zeit hat insgesamt sehr an meinem Selbstwertgefühl genagt“, sagt die 42-Jährige. Auch eine zweite Klage auf Schadenersatz brachte ihr nur einen Teil des Geldes zurück. Mittlerweile ist Glauch Mutter von zwei Kindern und hat sich selbstständig gemacht. „Ich hätte mir einfach gewünscht, dass Arbeitgeber mit ihren Arbeitnehmenden anders umgehen“, sagt sie. „Und sie als Menschen anstatt Handelsgut sehen.“