Berlin. Wer in Elternzeit geht, erlebt noch immer Unverständnis von Chefs und Auftragsverluste. Eine Anwältin erklärt, welche Rechte Sie haben.

„120.000 Euro Umsatzverlust, weil ich als Unternehmerin vor Kurzem Mutter geworden bin?“ Diese Frage stellt Marina Zubrod in einem Beitrag des Business-Netzwerks LinkedIn. Die Agenturinhaberin berichtet darin von den Reaktionen ihrer Kunden nach der Verkündigung ihrer Schwangerschaft. „Ich habe einem Kunden geschrieben, dass ich in sechs Wochen mein Baby bekomme und danach für zwei Wochen nicht erreichbar sein werde“, schreibt Zubrod.

Der Vertrag wurde daraufhin seitens des Auftraggebers außerordentlich gekündigt. „Hätte ich statt meiner Babypause lieber eine Krankheit erfinden sollen, damit ich die zwei Wochen nach der Geburt zu Hause bleiben kann?“, fragt Zubrod.

Elternzeit angekündigt: Können Auftraggeber einfach abspringen?

Die Geburt eines Kindes könne schwerlich ein außerordentliches Kündigungsrecht eines Auftragsverhältnisses begründen, sagt Susan Wittig, Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht und Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Hamburger Kanzlei Römermann.

„So etwas geht nur, wenn es sich um einen Just-in-time-Auftrag handelt und die Unternehmerin die Leistung zum Zeitpunkt ihrer Abwesenheit erbringen hätte müssen.“ Marina Zubrod, so die Anwältin, hätte andernfalls einen Anspruch auf Vertragserfüllung und gegebenenfalls auf Schadensersatz.

Die Konsequenz, die Marina Zubrod aus dem Vorfall des Mama-Mobbings gezogen hat, ist, nicht mehr all ihren Kunden von ihrem Privatleben zu erzählen. „Ich weiß selbst am besten, ob meine Arbeit von meinem Privatleben beeinflusst wird“, sagt die Unternehmerin.

Schwangerschaft: Firma droht mit unbefristeter Ersetzung

Familiengründung ist spätestens mit der Geburt des Kindes unweigerlich mit Ausfällen verbunden. Für Frauen geht bereits die Schwangerschaft mit eventuellen Risiken wie einem Beschäftigungsverbot einher. Ein Umstand, auf den Arbeitgeber immer wieder mit Unverständnis reagieren.

So berichtet die Kölner Personalleiterin eines Schweizer Konzerns ebenfalls auf einem Karrierenetzwerk, wie ihr nach der Verkündung ihrer Schwangerschaft mit einer unbefristeten Ersetzung gedroht wurde – wenig später folgte die Forderung nach Rückgabe jeglichen Firmeneigentums.

Ein Baby im Haushalt bedeutet nicht, dass damit auch die Arbeitsleistung der Eltern sinkt.
Ein Baby im Haushalt bedeutet nicht, dass damit auch die Arbeitsleistung der Eltern sinkt. © iStock | istock

„Karriere vergessen“: Vater mit Wunsch nach Elternzeit abgespeist

Auch bei männlichen Arbeitnehmern werden Elternzeit und Familienplanung nicht immer gerne gesehen. Davon weiß Sebastian Marquart (Name von der Redaktion geändert), Bankkaufmann aus Münster, zu berichten.

Als der heute 44-Jährige 2008 seine Elternzeit beantragte, war eine erzieherische Auszeit unter Vätern noch die Ausnahme. „Ich musste damals aus einem Notfall heraus in Elternzeit gehen“, berichtet Marquart. „Meine Frau hatte sich das Bein gebrochen und ging deshalb auf Krücken – das machte es unmöglich, sich um ein sechs Monate altes Baby und drei weitere Kinder zu kümmern.“

Marquart bat seinen Vorgesetzten deshalb um ein Gespräch und stieß auf Unverständnis. „Zuerst wurde mir von der Personalabteilung gesagt, es gäbe keine Antragsformulare, deshalb sei eine Elternzeit nicht möglich. Der Bereichsleiter meinte dann im persönlichen Gespräch zu mir, ich könnte meine Karriere vergessen, wenn ich so etwas mache: ‚Finden Sie doch einen anderen Weg!‘ Ich meinte, dass es wirklich nicht anders geht – und habe es gemacht.“

Gut habe er sich damit zunächst nicht gefühlt, sagt der Banker. Heute ist er dankbar für die Erfahrung: „Ich habe dadurch gelernt, was zu Hause überhaupt alles zu tun ist, was mir vorher so gar nicht klar war.“ Als Vater habe er so die Zeit mit dem Kind zudem besonders intensiv genießen und die Partnerin entlasten können. Seiner Karriere hat die Elternzeit nicht geschadet.

Anwältin: Elternzeit oft Frage der Firmengröße und Organisation

Heute ist Sebastian Marquart Vorstand einer mittelgroßen Bank im Rhein-Neckar-Kreis und ermuntert Kollegen, die Eltern werden, sich ebenfalls eine Auszeit für die Kindererziehung zu nehmen. „Bei uns liegt die Quote der Väter, die in Elternzeit gehen, bei 82 Prozent. Die meisten gehen auch recht lange und bleiben drei Monate weg“, sagt Marquart. „Ich finde es gut, dass sich das gesellschaftlich geändert hat.“

Am Ende sei die Elternzeit eine Organisationsfrage. Das bestätigt Anwältin Susan Wittig: „Abhängig von der Größe des Unternehmens trägt der Unternehmer das Risiko, seine Kunden und Geschäftspartner in der gewohnten Qualität und Quantität bedienen zu können. In kleineren Unternehmen ist das Risiko naturgemäß stärker zu spüren – gerade aufgrund des Fachkräftemangels.“

Väter stoßen beim Wunsch nach Elternzeit bei Vorgesetzten nicht selten immer noch auf taube Ohren.
Väter stoßen beim Wunsch nach Elternzeit bei Vorgesetzten nicht selten immer noch auf taube Ohren. © iStock | istock

Bei Problemen oder Mobbing an Beschwerdestelle richten

Um Probleme durch die Elternzeit zu minimieren, kommuniziert Marquart in seinem Unternehmen Ausfälle rechtzeitig: „Die Last muss natürlich gerecht verteilt werden. In großen Unternehmen ist das leichter zu managen als in kleinen.“

Auch Selbstständige müssen sich in der Elternzeit besonders organisieren: Marina Zubrod arbeitet heute wieder. Wie geplant ist sie zwei Wochen nach der Geburt ihrer Tochter wieder in den Berufsalltag eingestiegen. Dass ihr Baby schlief und sie eine Milchpumpe in der Hand hielt, während sie parallel Mails beantwortete, habe ihrer Leistung keinen Abbruch getan.

Elternfreundlicher Umgang heute für Firmen wichtiger

Für Personen, die sich – anders als Zubrod oder Marquart – durch Kritik oder gar Mobbing-Handlungen ihrer Arbeitgeber, Kunden oder Kollegen verunsichern lassen, hat Anwältin Susan Wittig einen Tipp: „Unternehmen sind zur Einrichtung einer umfassenden Beschwerdestelle für die Arbeitnehmer verpflichtet.“

Die Reputation von Unternehmen am Markt, aber auch bei den Arbeitnehmern hänge mittlerweile von einem verantwortungsbewussten, gesetzeskonformen und in alle Richtungen ordnungsgemäßen Verhalten ab – insbesondere auch auf der Führungsebene, so die Anwältin. Ein mitarbeiterfreundlicher Umgang sei heute ein Marketing- und Reputationsfaktor.