Berlin. Hinter den Kulissen spielt sich ein Polit-Krimi ab: Karl Lauterbach gegen den Rest der Welt. Er hat noch eine letzte Hoffnung.
Karl Lauterbach hat echte Lieblingsgesetze. Und er hat Pflichtübungen. Das Cannabis-Gesetz gehört in die zweite Kategorie. An diesem Freitag muss Lauterbach das Gesetz, das kaum noch einer will, durch den Bundesrat bringen. Die Chancen, dass die Legalisierung wirklich kommt, sind seit Wochen im Sinkflug. Jetzt droht das endgültige Scheitern.
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Zum 1. April, so der Ampel-Plan, soll der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum erlaubt sein. In der eigenen Wohnung wären drei Cannabispflanzen legal und bis zu 50 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum. Zudem dürfen Anbauvereine den Eigenanbau organisieren. So hat es die Koalition Ende Februar im Bundestag beschlossen.
Cannabis-Gesetz: Widerstand kommt aus drei Richtungen
Der Widerstand ist seitdem weiter angeschwollen – er kommt vor allem aus drei Richtungen: von Ärzten, Juristen und Sicherheitsexperten. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagt, was viele denken: „Die Polizisten werden auf der Straße sein und feststellen müssen: Ist das legaler Handel, ist das illegaler Handel, wurden drei Gramm zu viel angebaut, haben die noch eine Oma zu Hause, die auch noch anbauen durfte? Ich sage Ihnen, ich habe keine Lust, meine Polizisten mit so einem Scheiß zu beschäftigen.“ Die Union bekämpft das Gesetz vom ersten Tag an, viele Ampel-Leute fremdeln damit – und Lauterbachs Kollege Justizminister Marco Buschmann (FDP) würde inzwischen zumindest Teile des Gesetzes am liebsten verschieben.
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An diesem Freitag entscheidet sich, ob die Protestwelle Erfolg hat: Lauterbachs Gesetz ist in der Länderkammer nicht zustimmungspflichtig. Die Länder können es also nicht einfach ablehnen. Sie können es aber politisch aushungern: Sollte am Freitag eine Länder-Mehrheit das Cannabis-Gesetz in den Vermittlungsausschuss schicken, könnte das zum faktischen Aus führen.
„Jedes von SPD und Grünen mitregierte Land muss wissen, dass das Cannabis-Gesetz am nächsten Freitag stirbt, wenn man den Vermittlungsausschuss anruft“, schrieb Lauterbach am Wochenende auf der Plattform X, ehemals Twitter. „Die Unionsländer würden sich bedanken und mit allen Verfahrenstricks das Gesetz im Vermittlungsausschuss beerdigen.“ Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte bereits erklärt, sein Ziel sei es, dass das Gesetz niemals wieder aus dem Vermittlungsausschuss herauskomme.
Cannabis: Fachminister der Länder mehrheitlich gegen die Legalisierung
Hinter den Kulissen spielt sich in diesen Tagen ein Polit-Krimi ab: Will die Ampel ihr Gesicht wahren, muss sie die Länder, in denen SPD und Grüne regieren, auf ihre Seite ziehen. Keine einfache Sache: Die Fachminister der Länder sind mehrheitlich gegen die Legalisierung. Lauterbach kämpft – aber er scheint mittlerweile der einzige zu sein. Dabei war es just der Gesundheitsminister, der lange gezögert hatte, bevor er sich überhaupt vor den Karren der Legalisierer spannen ließ. Seine ärztlichen Kollegen sehen ihm das Dilemma an: „Ich glaube nicht, dass der Minister als Arzt wirklich hinter dem Gesetz steht“, sagt Michael Hubmann, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, dieser Redaktion.
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Die Kinderärzte gehören zu den Kritikern der ersten Stunde. Eine Legalisierung ab 18 Jahre? Hubmann winkt ab: „Wir sehen aber schon bei Alkohol und Nikotin, dass das in der Lebensrealität nicht gelingt, weil Konsum problemlos an den gesetzlichen Regeln vorbei möglich ist.“ Wenn Jugendliche Zigaretten kaufen wollten, bekämen sie die meistens auch. Schutz und Kontrolle würden nicht leichter, wenn mit der Cannabis-Legalisierung jetzt eine dritte Substanz dazu komme.
Kinderärzte fordern: „Die Bundesregierung sollte das Gesetz zurückziehen“
Die Ampel-Koalition, so der Kinderärztepräsident, wolle „mit dem Kopf durch die Wand“. Sie ignoriere einfach die berechtigten Einwände von Ärzten und Juristen. Die Kindermediziner fordern deswegen eine Umkehr in letzter Sekunde: „Die Bundesregierung sollte das Gesetz zurückziehen.“ Die Ampel müsse sich stattdessen überlegen, was ihr ernsthaft wichtig sei: „Statt an der Cannabis-Legalisierung festzuhalten, sollte die Koalition die wirklich wichtigen Probleme des Gesundheitswesens angehen.“
Umstritten ist die Frage, wie groß die Belastung der Justizbehörden durch die Legalisierung wäre: Zwar wird es durch den Schritt mittelfristig weniger Strafverfahren geben – kurzfristig aber kommt viel Arbeit auf die Länder zu. Sie müssen prüfen, in welchen Fällen bereits bestehende Strafen nach dem 1. April aufgehoben werden müssen. Die Länder sprechen von über 200.000 Strafakten, Lauterbachs Haus hält dagegen, dass unmittelbar zum 1. April nur die rund 7500 Haftfälle geprüft werden müssten, die im Zusammenhang mit dem Betäubungsmittelgesetz stehen.
Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hofft, dass der Bundesrat die Pläne verhindern wird. „Wir bedauern insbesondere, dass das Gesetz keinerlei Übergangsfristen vorsieht, die ermöglichen würden, dass sich Polizei, Zoll, Justizbehörden und Jugendämter hierzulande auf die neue Gesetzeslage vorbereiten können“, heißt es in einem Brief an die Länderkammer. Die Polizeigewerkschaft befürchtet außerdem, dass sich kriminelle Banden schnell auf die neue Rechtslage einstellen und ihr Gewinnmodell anpassen könnten. Nicht abschließend geklärt sei auch, wie sich der Cannabiskonsum auf den Straßenverkehr auswirken werde. Studien aus den USA und Kanada legen nahe, dass das Unfallrisiko durch die Legalisierung steigen könnte.