Kiew. Seit Februar hat Russland 15 Militärflugzeuge verloren. Moskau verschleiert die Ursache – auch wegen einer möglichen Schwachstelle.

Seit dem Fall der Stadt Awdijiwka im Bezirk Donezk kämpft die Ukraine mit einer komplizierten Frontlage. Zwar gibt es Anzeichen dafür, dass die ukrainischen Streitkräfte die Lage in der Region, die eigentlich bereits seit dem Donbass-Krieg ab 2014 umkämpft ist, bald stabilisieren könnte. Doch noch ist das nicht gelungen – und die Truppen verlieren weiter an Gelände, auch wenn von einem strategischen Durchbruch Russlands keine Rede sein kann. Umso erstaunlicher, dass sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zuletzt zufrieden zeigte – zumindest in einem Punkt.

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„Alleine in dieser Woche ist es uns gelungen, sieben russische Militärflugzeuge abzuschießen“, erklärte Selenskyj in einer seiner jüngsten Abendansprachen. „Es geht um Flugzeuge, die Gleitbomben abwerfen und damit töten. Seit Anfang Februar hat Russland 15 Militärflugzeuge verloren. Das ist die richtige Dynamik. Je mehr russische Kampfjets wir abschießen, desto mehr ukrainische Leben werden gerettet.“ Ob die Ukraine seit Februar tatsächlich 15 Flugzeuge abschießen konnte, ist schwer zu verifizieren. Fakt ist jedoch, dass die Ukraine beim Kampf in der Luft zuletzt tatsächlich größere Erfolge vorweisen kann.

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Erfolge, die genau zum richtigen Zeitpunkt kommen. Sie sind sogar bitter nötig. „Die Schlacht um Awdijiwka war der erste Moment in diesem Krieg, in dem Russland seine Luftüberlegenheit bedeutend ausspielen konnte“, erklärte Roman Kostenko, Sekräter des Sicherheitsausschusses des ukrainischen Parlaments und selbst aktiver Offizier, dem Radiosender NV. „Der Einsatz von schweren Gleitbomben hat sich als effektiv erwiesen und die russischen Piloten haben es sich zugetraut, damit bis zur Frontlinie zu fliegen.“ Nun sei der Ukraine eine Antwort darauf gelungen.

Ukraine: Verlust von zwei A-50-Flugzeugen ist peinlich für Moskau

„Wir setzen die vorhandenen Flugabwehrsysteme nun verstärkt in der Nähe dieses Frontabschnitts ein“, so Kostenko weiter. „Das hat gedauert: Die Ukraine ist groß und man muss erst einmal schauen, wo man zusätzliche Systeme ohne bedeutende Folgen abziehen kann. Doch das war notwendig.“ Nach Abgaben der ukrainischen Luftwaffe waren in den vergangenen Tagen tatsächlich deutlich weniger Bewegungen von russischen Kampfjets zu beobachten. Bei den abgeschossenen Flugzeugen handelt es sich größtenteils um die vergleichsweise modernen Jagdbomber Su-34, die mit Gleitbomben bestückt werden können.

Weil Russland über insgesamt rund 300 Kampfjets dieser Art verfügt, dürften die Verluste zwar für Moskau zu verkraften sein – unangenehm sind die Abschüsse aber in jedem Fall. Und mindestens ebenso schmerzhaft ist, dass die ukrainische Armee offenbar bereits das zweite Frühwarnflugzeug der Klasse A-50 abgeschossen hat. A-50-Flugzeuge sind extrem teuer, Russland besitzt insgesamt weniger als zehn davon – zwei Verluste sind für Moskau deshalb offenbar derart peinlich, dass die russische Propaganda sie mit versehentlichen Treffern der eigenen Flugabwehr statt mit ukrainischem Beschuss zu erklären versuchte.

Fälle von sogenanntem „Friendly Fire“ auf russische Flugzeuge sind in diesem Krieg zwar bereits mehrfach vorgekommen. Im konkreten Fall ist es als Abschussursache jedoch sehr unwahrscheinlich. Doch wie kann es dann den Ukrainern gelungen sein? Zumal A-50 nie direkt in Frontnähe fliegen. Am wahrscheinlichsten ist, dass ein US-Flugabwehrsystem der Klasse Patriot, das Flugzeuge in einer Entfernung von bis zu 140 Kilometer treffen kann, die A-50 vom Himmel geholt hat. Auch das italienische System SAMP/T wäre dazu theoretisch in der Lage. Hinzu kommt, dass die Ukrainer seit einiger Zeit an der Modernisierung der alten sowjetischen Flugabwehrraketen S-200 arbeiten, die ebenfalls eine recht große Reichweite haben.

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Ukraine-Krieg: Abschuss russischer Su-34-Kampfjets – Abwehrradar ausgetrickst?

Der österreichische Militärexperte Tom Cooper hält es auch für möglich, dass die ukrainische Flugabwehr dank vertraulicher Informationen Frequenzen umgehen kann, auf denen das Abwehrradar der Kampfjets nach ankommenden Raketen sucht – und der Beschuss somit bis zum Treffer vom Piloten unbemerkt bleibt. Für Oleksij Melnyk, Oberstleutnant a.D. der ukrainischen Armee und Co-Direktor der Programme der internationalen Sicherheit an der Kiewer Denkfabrik Zentr Rasumkowa, ist vor allem eines klar: Die Ukraine brauche weiterhin viel mehr Flugabwehrsysteme, die sie mit gewissem Risiko in Frontnähe einsetzen kann.

Das US-Patriot-System ist in der Ukraine auch in Frontnähe im Einsatz.
Das US-Patriot-System ist in der Ukraine auch in Frontnähe im Einsatz. © picture alliance / abaca | ABACA

Denn letztlich bedeute der Abschuss einer Maschine laut Melnyk oft nur, dass es an einem konkreten Frontabschnitt für ein bis zwei Tage ruhiger wird. Umso wichtiger ist es für die Ukraine, die mit ihren Seedrohnen auch der russischen Schwarzmeerflotte – wie aktuell mit dem Patrouillenschiff „Sergej Kotow“ – schmerzhafte Verluste zufügt, dass die Blockade von Militärhilfen im US-Kongress schnellstmöglich endet. Denn die Zahl der Flugabwehrraketen für Patriot-Systeme ist nicht unbegrenzt.

Davon abgesehen geht es Kiew aber vor allem darum, dass sich die Frontlage am Boden rund um Awdijiwka stabilisiert. Dort arbeiten die Ukrainer aktuell an der Errichtung von Verteidigungslinien, die offenbar nicht rechtzeitig errichtet wurden. „Es scheint in der Tat so zu sein, dass der Aufbau von einigen Stellungen zu spät begonnen hat“, betont Oleksij Melnyk. „Das können wir allerdings erst dann wirklich beurteilen, wenn wir sehen, wo die Ukrainer sich letztlich tatsächlich befestigt haben.“