Berlin. Die russischen Behörden haben einen engen Nawalny-Verwandten zur Fahndung ausgeschrieben. Die Mutter richtet emotionale Worte an Putin.
Die Familie von Alexej Nawalny trauert um den Verlust des Kremlkritikers – und wird sogleich zur Zielscheibe des Regimes. Am Dienstag hat das russische Innenministerium ein neues Strafverfahren gegen Nawalnys Bruder eingeleitet, wie die staatliche Nachrichtenagentur Tass berichtet. Der 40-jährige Oleg ist erneut zur Fahndung ausgeschrieben, wobei unklar blieb, was ihm die Behörden vorwerfen.
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Oleg Nawalny saß bereits über drei Jahre in Haft
Dass sie auch gegen den Bruder vorgehen, ist nicht neu: 2021 wurde Oleg Nawalny bereits zu einer einjährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Ihm und seinen Mitstreitern wurde damals vorgeworfen, bei kremlkritischen Protesten gegen die damals geltenden Corona-Regeln verstoßen zu haben. Auch sollen die Behörden verärgert gewesen sein, dass Oleg zu Kundgebungen seines Bruders Alexej aufgerufen hatte.
Wenig späte drohte ihm dann ein ähnliches Schicksal, als ihn ein Gericht wegen Verstoßes gegen die Bewährungsauflagen zu einer Haftstrafe in einem Arbeitslager verurteilt hatte. Oleg war bei der Verhandlung nicht anwesend, da er sich Berichten zufolge nach Zypern abgesetzt hatte. Sollte er nach Russland zurückkehren, könnte er wie sein Bruder sofort in Gewahrsam genommen werden. Von 2014 bis 2018 saß er bereits in Haft.
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Nawalnys Mutter fordert in emotionaler Botschaft die Herausgabe des Leichnams
Während Frau, Kinder und Bruder im sicheren Ausland verweilen, kämpft die Mutter des Oppositionspolitikers verzweifelt darum, den Leichnam ihres Sohnes zu Gesicht zu bekommen. Die russischen Behörden hatten angekündigt, ihn für zwei Wochen unter Verschluss zu halten. Jetzt wandte sich Ludmilla Nawalnaja mit emotionalen Worten an den Kremlchef.
„Ich wende mich an Sie, Wladimir Putin. Die Entscheidung der Frage hängt nur von Ihnen ab. Lassen Sie mich doch endlich meinen Sohn sehen“, sagte Ludmilla Nawalnaja. Schon den fünften Tag warte sie darauf, Nawalny sehen zu dürfen, sagte sie in der am Dienstag veröffentlichten Videobotschaft.
„Ich fordere, unverzüglich den Körper Alexejs herauszugeben, damit ich ihn auf menschliche Weise beerdigen kann“, erklärte sie. Sie erhalte bisher weder den Leichnam, noch werde ihr gesagt, wo der Körper aufbewahrt werde. Nach der kurzen Ansprache der von Trauer sichtlich gezeichneten Nawalnaja war in dem Video hinter dem Stacheldraht die orthodoxe Kirche auf dem Gelände des Straflagers zu sehen. Nach russisch-orthodoxem Brauch werden Verstorbene eigentlich spätestens am dritten Tag nach ihrem Ableben beerdigt.
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Kremlsprecher weist Vorwürfe als „unbegründet und unverschämt“ zurück
Die Behörden verweigern den Angehörigen trotz auch internationaler Proteste bis heute den Zugang zu Nawalnys Leiche. Sein Team, das dem russischen Machtapparat Mord vorwirft, sieht darin einen Vertuschungsversuch. In Russland haben bereits mehr als 70.000 Menschen einen Aufruf zur Herausgabe des Leichnams an die Angehörigen unterzeichnet.
Zu dem Aufruf und der Bitte von Nawalnajas Mutter hat sich der Kreml bislang nicht geäußert. Stattdessen hat Kremlsprecher Dmitri Peskow in Moskau die Vorwürfe von Nawalnys Witwe Julia Nawalnaja als „unbegründet und unverschämt“ zurückgewiesen. Die 47-Jährige hatte am Montag in einer Videobotschaft Putin für den Tod Nawalnys im Straflager mit dem inoffiziellen Namen „Polarwolf“ verantwortlich gemacht und angekündigt, den Kampf ihres Mannes gegen das System des Kremlchefs fortzusetzen.
Peskow sagte, dass weder er noch Putin die Videobotschaft angeschaut hätten. Vor dem Hintergrund, dass „Julia Nawalnaja gerade verwitwet ist“, wolle er sich mit Kommentaren zurückhalten.
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