Kirchveischede/Schwerte. Auf Karneval folgt in NRW der Politische Aschermittwoch von CDU und SPD. Beide Parteien warnen eindringlich vor der AfD.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst hat beim politischen Aschermittwoch der NRW-CDU erneut für eine „Allianz der Mitte“ in der Asylpolitik geworben. Alle Demokraten auf allen staatlichen Ebenen müssten gemeinsam für tragfähige Lösungen eintreten, forderte Wüst im sauerländischen Kirchveischede vor etwa 500 Zuhörern. Zentrale Ziele seien, den Menschen zu helfen, die vor Krieg und Vertreibung fliehen, irreguläre Migration zu beenden, Kommunen nicht zu überfordern und das Sterben im Mittelmeer zu beenden. Im Frühjahr sei wieder mit steigenden Flüchtlingszahlen zu rechnen. „Dann fragen die Menschen zu Recht: Was hat die Ampel umgesetzt von den Verabredungen?“

Wüst warnt: Bei der Europawahl stehe viel auf dem Spiel

Wüst betonte, dass bei der Europawahl im Juni viel auf dem Spiel stehe. Kein Land profitiere von diesem Europa mehr als Deutschland, sagte der CDU-Politiker. Der größte Feind Europas in Deutschland sei die AfD. Sie wolle aus der Nato und aus der EU aussteigen. Ein EU-Austritt würde zwei Millionen Arbeitsplätze in Deutschland zerstören. „Da bekommt AfD eine ganz neue Bedeutung. AfD heißt: Armut für Deutschland.“

Der Bundesregierung warf der Ministerpräsident vor, den Aufstieg der AfD zu begünstigen. Die Ampel-Koalition sei unfähig, die Probleme der Menschen zu lösen, ihnen die Sorgen zu nehmen und Zuversicht zu geben. Seit Antritt der Ampel hätten sich die bundesweiten Umfragewerte der AfD verdoppelt. „Die Ampel muss endlich kapieren: Demonstrieren ersetzt kein Regieren. Haltung ersetzt kein Handeln“, sagte Wüst.

Jochen Ott (SPD) nimmt sich Ministerpräsident Wüst zur Brust

SPD-Landtagsfraktionschef Jochen Ott hat beim 30. Politischen Aschermittwoch der NRW-SPD in Schwerte vor den Gefahren des Rechtsextremismus und des Rechtspopulismus: „Wenn die neuen Faschisten von der AfD glauben, sie könnten das Land übernehmen. Sie irren sich gewaltig. Wir haben sie schon einmal besiegt, und werden sie wieder besiegen.“

Der Kölner Ott arbeitete anschließend sich vor etwa 500 Zuschauern im Waldrestaurant “Freischütz“ wie ein professioneller Büttenredner intensiv an NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, CDU-Chef Friedrich Merz und der Union ab und brachte Schwung in den Politischen Aschermittwoch. „Wir müssen unseren Sozialstaat mit aller Macht gegen den neoliberalen Wahn eines Friedrich Merz verteidigen. Merz ist ein Mann von gestern. Wir wollen nach vorn. Wir wollen ein soziales, tolerantes, europäisches Deutschland“, rief Ott.

SPD-Spott: „NRW-Ministerpräsident ist nur ein Scheinriese“

Wüst, den die meisten Bürgerinnen und Bürger von „hübschen Fotos“ kennen würden, mache „den ganzen Tag nichts anderes als nach Berlin zu zeigen.“ Der Ministerpräsident sei „das teuerste Autobahnschild, das NRW je hatte.“ Wüst sei der Liebling der Berliner Journalisten. „Von Berlin aus mag Wüst groß aussehen, aber er ist nur ein Scheinriese“, spottete Ott.

Neigt sich der Karneval dem Ende zu, ist es an der Zeit für den Politischen Aschermittwoch. Seit Jahren organisieren die CDU und SPD die größten Treffen dieser Art für ihre Parteimitglieder in Nordrhein-Westfalen. Die Veranstaltungen sind geprägt von deftigem Essen, Bier und politischen Reden. Ist so etwas überhaupt noch zeitgemäß?

Die CDU NRW sieht den Politischen Aschermittwoch als wichtige Tradition – auch mit Blick auf die Zukunft. 2001 gab es die Premiere im sauerländischen Kirchveischede. Seitdem gehört er zu den großen Events in dem nur etwa 1000-Einwohner kleinen Ort im Kreis Olpe.

Die Ex-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers und Armin Laschet und CDU-Urgesteine wie Karl-Josef Laumann haben dort schon die Stimmung angeheizt, berichten der Ex-Landtagsabgeordnete Theo Kruse sowie CDU-Landesgeschäftsführer Thomas Breuer. Kruse gehört zu den Mitbegründern des Aschermittwochstreffens.

Politischer Aschermittwoch der CDU: „Es ist nicht an der Zeit auszuteilen“

Eine Besonderheit im Sauerland: Die Sprache falle nicht so derb aus, wie man es zum Beispiel aus Bayern kenne. Die Tonalität sei eine andere, eine seriösere, meint Breuer. „In Zeiten wie diesen muss man die Probleme klar benennen, aber gleichzeitig auch den Grundkonsens der demokratischen Parteien betonen. Unsere gemeinsamen Gegner sind die Extremisten und Populisten, die unsere Demokratie zerstören wollen“, erklärt er. Die aktuelle politische Stimmungslage spiele demnach eine große Rolle, ergänzt Theo Kruse.

Politischer Aschermittwoch: Interview mit Thomas Breuer

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    „Die politische Grundstimmung in Deutschland und in NRW ist sehr angespannt“, erklärt er sowohl mit Blick auf die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus in den vergangenen Wochen als auch auf die bevorstehende Europawahl und die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Daher sei es nicht an der Zeit auszuteilen. Vielmehr werde von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst erwartet, in seiner Rede auf den Zusammenhalt der demokratischen Parteien zu dringen.

    Der Politische Aschermittwoch ist für die CDU NRW zur Tradition geworden. Mitbegründer Theo Kruse stand schon selbst auf der Bühne. (Archivbild)
    Der Politische Aschermittwoch ist für die CDU NRW zur Tradition geworden. Mitbegründer Theo Kruse stand schon selbst auf der Bühne. (Archivbild) © FFS | Lars Heidrich

    Gäste aus ganz NRW: Warum der Politische Aschermittwoch noch immer in der CDU überzeugt

    Landesgeschäftsführer Thomas Breuer rechnet wieder mit mehr als 500 Gästen beim Politischen Aschermittwoch. Auch außerhalb des Sauerlandes finde die Veranstaltung Anklang. Es fahren unter anderem Busse aus dem Ruhrgebiet und dem Rhein-Sieg-Kreis nach Kirchveischede.

    Doch warum kommt ein altmodisches Veranstaltungsformat wie der Politische Aschermittwoch heute noch gut an? „Die Veranstaltung hat einen besonderen Charakter“, erklärt der Landesgeschäftsführer, „unsere eigene Partei-Seele steht im Vordergrund.“

    Für CDU-Landesgeschäftsführer Thomas Breuer hat der Politische Aschermittwoch einen besonderen Charakter. Die Seele der Partei stehe im Vordergrund. 
Foto: Kai Kitschenberg/FUNKE Foto Services
    Für CDU-Landesgeschäftsführer Thomas Breuer hat der Politische Aschermittwoch einen besonderen Charakter. Die Seele der Partei stehe im Vordergrund. Foto: Kai Kitschenberg/FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

    Zudem habe die CDU im Januar 500 Neumitglieder bekommen – laut Breuer mehr als doppelt so viele neue Parteimitglieder wie in den Vorjahren. „Man merkt, dass die Menschen wieder politischer sind und einen Beitrag zur Demokratie leisten wollen“, sagt er.

    CDU NRW will an Tradition des Politischen Aschermittwoch festhalten

    Eine Veranstaltung wie der Politische Aschermittwoch könne auch dafür einen wichtigen Beitrag leisten. Denn sie mache Politik anders erlebbar. Man komme ins Gespräch und rede darüber, wo die Partei stehe. Daher habe der Politische Aschermittwoch noch immer seine Daseinsberechtigung.

    An der Tradition möchte die CDU NRW also festhalten. Einen Anlass zur Modernisierung der Veranstaltung, etwa durch eine neue Location oder ein anderes Rahmenprogramm, sehen die beiden Parteivertreter nicht. „Die Anmeldezahlen zeigen, dass die Veranstaltung nach wie vor sehr gut ankommt“, meint Breuer.

    Politischer Aschermittwoch SPD – „So altmodisch, dass es wieder cool ist“

    Ähnlich wie die CDU steht auch die nordrhein-westfälische SPD zu ihrem Aschermittwochstreffen. Drei polternde Politiker, eine Jazz-Band aus der Region, auf den Tischen Bier, viel Wurst, wenig Vegetarisches, und nach gut zwei Stunden ist es schon wieder vorbei: Nach menschlichem Ermessen dürfte der Politische Aschermittwoch der NRW-SPD in Schwerte in einer Zeit, in der Event-Manager Ereignisse aller Art zum Glitzer-Erlebnis hochjazzen, nicht mehr funktionieren. Dirk Presch gibt auch unumwunden zu, dass der Aschermittwoch in Schwerte „aus der Zeit gefallen“ sei. Und genau das, vermutet er, sei auch der Grund dafür, warum auch in diesem Jahr wieder etwa 500 Gäste ins Schwerter Waldrestaurant „Freischütz“ pilgern dürften. Das Treffen ist so altmodisch, dass es schon wieder cool ist.

    SPD-Mitglied Dirk Presch organisiert seit fast 20 Jahren den Politischen Aschermittwoch der NRW-SPD in Schwerte.


Foto: Andreas Buck / FUNKE Foto Services
    SPD-Mitglied Dirk Presch organisiert seit fast 20 Jahren den Politischen Aschermittwoch der NRW-SPD in Schwerte. Foto: Andreas Buck / FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Andreas Buck

    Dirk Presch (64) ist ein SPD-Urgestein aus Bönen. Mehr als 20 Jahre führte der Mann mit dem privaten Faible für Oldtimer den SPD-Unterbezirk Soest. Schon seit 2006 ist er Organisator des Politischen Aschermittwochs und hat im „Freischütz“ Dutzende Redner erlebt. Lars Klingbeil machte 2023 vor, wie Karnevalsausklang geht. Katarina Barley, Gast im Jahr 2019, bevorzugte charakterbedingt eher leisere Töne. Die Liste der Partei-Promis, die schon mal ins „Waldschlösschen“ kamen, ist lang: Hannelore Kraft, Martin Schulz, Peer Steinbrück waren hier, zum Start im Jahr 1993 kam Rudolf Scharping, zwei Jahre später Johannes Rau. Diesmal dabei: Landtagsfraktionschef Jochen Ott, Landesparteichefin Sarah Philipp und Hamms Rathauschef Marc Herter.

    SPD hält an „Lagerfeuerromantik“ ihres Politischen Aschermittwoch fest

    „Die Frage, ob unser Politischer Aschermittwoch der Zeit angepasst werden sollte – anderer Ort, andere Band – stellt sich immer mal wieder. Ich glaube, nein. Das ist das richtige Format am richtigen Ort mit der richtigen Musik. Wenn wir das woanders machen würden, dann wäre die Veranstaltung tot“, sagt Presch.

    Politischen Aschermittwoch: Interview mit Dirk Presch

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      Dieser Aschermittwoch wirke erstaunlicherweise noch, biete eine Art „Lagerfeuerromantik“ am historischen Ort, inklusive Erinnerung an eine Zeit, in der die SPD im Ruhrgebiet noch unangefochten war. Historisch ist der „Freischütz“ für die NRW-SPD, weil hier nach dem Krieg, im Frühjahr 1946, der Parteibezirk Westliches Westfalen wieder gegründet wurde.

      Die Frage, ob der derbe Ton des Politischen Aschermittwochs in eine Zeit passe, in der ohnehin zu viele Menschen verbal aufrüsteten, beantwortet Presch übrigens ähnlich wie CDU-Geschäftsführer Thomas Breuer: „Bei uns in NRW hält sich die grobe Rede in Grenzen. Es geht nicht so unter die Gürtellinie, und die Leute hier wissen: Es handelt sich zwar um eine politische Abrechnung, aber die bleibt im Rahmen.“