Dinslaken. Der Dinslakener Frank Mones (52) wog 266 Kilo, war lebensgefährlich erkrankt. Dann stellte er seine Ernährung um - mit durchschlagendem Erfolg.
Früher war Frank Mones Schlosser unter Tage auf der Zeche Lohberg und nach der Schließung Ende 2006 System- und Netzwerkadministrator. Dann wurde er unfreiwillig Rentner. 266 Kilo wog der 52-Jährige im Jahr 2020. Im Juni ging es im so schlecht, dass er ins Krankenhaus musste. Er habe wegen seines miserablen Gesundheitszustands nur noch wenige Wochen zu leben, befürchteten die Ärzte und sahen als einzigen Ausweg eine Operation an. „Ich schaffe es auch ohne Magenverkleinerung“, entschied Frank Mones mutig. Er nahm seitdem 80 Kilo ab – so viel wie ein großer erwachsener Mensch wiegt. Das ständige Fast Food ersetzt er bis heute konsequent durch gesundes, selbst gekochtes Essen. Er entwickelte sich zum Experten für kalorienärmere und frische Mahlzeiten.
Adipositas ist eine eigenständige, komplexe chronische Erkrankung, die mit übermäßig viel Körperfett, hohen Gesundheitsrisiken, einem beeinträchtigten Allgemeinzustand, geringerer Lebensqualität, körperlichen und psychischen Begleiterkrankungen und einer reduzierten Lebenserwartung einhergeht. Übergewicht und Adipositas nehmen international kontinuierlich zu. Soziale Stigmatisierung belastet die Betroffenen zusätzlich.
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Ich will leben!
Seit Frank Mones 15 war, hatte er zugenommen. „In meinem Leben gab es schon früh viel Frust, Ausgrenzung, Probleme in der Schule und in der Lehre. Mit Freundinnen lief es auch nicht gut. Aber Essen half mir“, blickt er zurück. „Denn Essen tröstet und ist dein Freund. Der übervolle Magen überdeckt den Seelenschmerz.“ Döner, Pizza, Gummibärchen, Cola – rein damit, Hauptsache süß und fettig. Mit 20 Jahren wog Frank Mones 110 Kilo, ab 140 Kilo war ihm dann alles egal. Die Folgen: Adipositas, Diabetes Typ 2, Herzschwäche, Rückenschmerzen, Depressionen, Atemnot und andere Erkrankungen. Der beruflich qualifizierte Mann wurde arbeitsunfähig, lebte von Hartz 4 und aß nur noch billige und ungesunde Lebensmittel.
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Im Krankenhaus beschloss der Dinslakener vor dreieinhalb Jahren: Ich will leben! Er dachte viel nach, durfte nach zwei Wochen nach Hause und reduzierte seine Essensportionen. Er verwendete kleinere Teller, aß Obst und Gemüse und begann, selbst zu kochen. In seinem Foodblog auf Facebook kann man seitdem sehen, was er isst: selbst gebackenes Vollkornbrot, Müsli mit Nüssen, Obst und Rohkost, Rote Beete-Salat mit Avocado und Feta, gedämpften Fisch, Salzkartoffeln statt Pommes und mageres Fleisch.
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Frank Mones informiert im Blog auch über Lebensmittel, Ernährung, Zusatzstoffe und Ähnliches. „Einige Mitleser sehen mich als ihr Vorbild beim Abnehmen, oder sie bewundern meine Fortschritte. In schlechten Momenten geben sie mir Mut und ermuntern mich zum Durchhalten“, berichtet der Dinslakener. „Man darf nicht den Mut verlieren und muss weiter machen, das Ding weiter durchziehen.“
Aus der Wohnung nur mit Schmerzmittel
Aber der Weg ist lang: „Das Abnehmen geht trotz der gesunden Ernährung nur noch sehr langsam“, erzählt Frank Mones. „Durch Adipositas-bedingte Schäden an Herz und Nieren kämpfe ich gegen Wasseransammlungen im Körper, besonders in den Beinen.“ Ein toller Fortschritt ist aber, dass er in Absprache mit seiner Hausärztin drei Monate lang testet, ob er ohne das Diabetes-Medikament Metformin auskommen kann, das den Blutzucker reguliert. „Zuletzt musste ich zweimal täglich je 1000 Milligramm nehmen“, erklärt Frank Mones. „Im Januar wird sich zeigen, ob oder inwieweit ich noch Diabetes mellitus Typ 2 habe. Meine persönlichen Messungen mit dem Blutzucker-Messgerät zeigen einen Nüchternwert um oder unter 100 mg/dl. Nach selbst gekochten Speisen und gesunder Ernährung ist der Blutzucker nach dem Essen ebenfalls im guten, akzeptablen Bereich. Ich bin also auf dem besten Weg, den Diabetes mellitus Typ 2 zu besiegen. Bei konsequenter Lebens- und Ernährungsumstellung ist das möglich, solange die Bauchspeicheldrüse noch nicht zu sehr geschädigt ist. Das Glück habe ich wohl gehabt,“ freut er sich. Ein weiterer großer Erfolg: „Ich war kürzlich für vier Tage im Krankenhaus. Im Gegensatz zu 2020 war ich in einem normalen Zimmer mit normalem, stabilen Krankenbett untergebracht. Alltägliche Dinge konnte ich ohne Probleme selbst erledigen. Vor dreieinhalb Jahren war ich in einem speziellen Schwerlastzimmer mit Schwerlastbett untergebracht und brauchte fürs Waschen die Hilfe von Schwestern und Pflegern. Das war mir sehr unangenehm, und ich hätte vor Scham im Boden versinken können. Doch das ist jetzt vorbei. Juhuuu!“
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Nun schafft es der Noch-180-Kilo-Mann auch wieder, regelmäßig zum Lohberger Wochenmarkt in seiner Nachbarschaft zu gehen. „Meine Lieblingshändler Silke, Renate, Patrick, Bernd und Marcel haben mich sicher vermisst“, meint Frank Mones. Da ihm seine Erkrankungen zu schaffen machen, ist sein Bewegungsradius sehr eingeschränkt. Weiter als zum Markt, in die umliegenden Geschäfte oder zum türkischen Imbiss auf einen Tee schafft er es nicht zu Fuß.
Ein Meilenstein war es für ihn, zum ersten Mal bis in den Lohberger Bergpark zu gelangen, etwa 200 Meter weit weg von zu Hause. „Etwa alle drei Tage gehe ich raus“, erzählt Frank Mones. Das kann er nur mit starken Schmerzmitteln. „Aber dann könnte ich Bäume ausreißen“, sagt der Frührentner freudig.
Weil er nicht zu viele Schmerzmedikamente nehmen darf, verbringt er jedoch die meiste Zeit in seiner Wohnung.
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Jeder Tag ist ein Kampf
„Mein Lieblingsmensch in der schwersten Zeit war meine Nachbarin“, erzählt der Lohberger. „Sie war meine Vertraute und hat mir immer gesagt ‚Du schaffst das‘.“ Aber nach einem schwierigen Leben starb sie 2021 jung an den Folgen einer Krankheit. Frank Mones vermisst sie immer noch. Ihr war sein Gewicht egal. Menschen, die ihn anstarren und ihm ungebeten Tipps geben, verletzen ihn. Was weiß schon jemand, der ihn zum ersten Mal sieht, über ihn? „Du musst jeden Tag laufen“, „Du solltest weniger essen“, „Ändere Dein Leben“, „Lass Dich operieren“ und ähnliche Ratschläge nerven ihn nur.
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„Ich bemühe mich jeden Tag, zu kämpfen und mein Leben neu zu gestalten“, betont Frank Mones. Leute, die leichtfertig daherreden, sollten sich erstmal darüber informieren, dass starkes Übergewicht eine chronische Krankheit ist, die man auch mit starkem Willen nicht einfach überwinden kann. „Ich will und kann nicht so schnell abnehmen“, erklärt Frank Mones. „Die Organe und der Kopf müssen mitkommen. Es gibt nur langsame Fortschritte, und manchmal stockt das Abnehmen, da brauche ich dann Geduld. Aber der Kopf will raus, etwas erleben, das neue Leben möglichst genießen.“
Viele Leidensgenossen
Frank Mones hat viele Leidensgenossen: In Deutschland sind laut Adipositas-Gesellschaft rund zwei Drittel (67 %) der Männer und gut die Hälfte (53 %) der Frauen übergewichtig, mit einem BMI über 25 kg/m2. Fast ein Viertel der Erwachsenen ist sogar stark übergewichtig, also adipös mit einem BMI über 30 kg/m2: 23 Prozent der Männer und 24 Prozent der Frauen schleppen viel zu viel Fett mit sich herum. Der BMI als Maßstab ist allerdings auch umstritten, da Muskeln mehr wiegen als Fett, und sehr muskulöse Menschen folglich einen hohen BMI haben. Die meisten hohen BMI dürften aber an einem enormen Übergewicht liegen. Die Prävalenz – die Kennzahl für Krankheitshäufigkeit von Adipositas – nimmt mit dem Alter zu, so die Adipositas-Gesellschaft. Bei Personen mit hohem sozioökonomischem Status sei sie wesentlich geringer. Ein riesiges gesellschaftliches Problem: Armut macht oft dick, denn die ungesündesten Lebensmittel sind oft die billigsten, und bildungsferne Menschen wissen oftmals wenig über gesunde Ernährung. In den beiden letzten Jahrzehnten ist das starke Übergewicht weiterhin angestiegen, besonders bei Männern und im jungen Erwachsenenalter.
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Den gesundheitsgefährdenden Trend zu mehr Körperfett bestätigen Zahlen des Robert Koch-Instituts von 2021: Nach Selbstangaben aus den Jahren 2019/2020 seien in Deutschland 46,6 Prozent der Frauen und 60,5 Prozent der Männer von Übergewicht einschließlich Adipositas (19 %) betroffen. Bis 2023 sind es demgemäß 6,4 Prozent mehr Frauen und 6,5 Prozent mehr Männer. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) waren bereits im Jahr 2016 weltweit 1,9 Milliarden Menschen, also 39 Prozent der Weltbevölkerung ab 18 Jahren, von Übergewicht betroffen, davon 13 Prozent der erwachsenen Weltbevölkerung von Adipositas. Seit 1980 hat sich die Zahl der Menschen mit Adipositas weltweit verdoppelt, meldete die Wiener Klinische Wochenschrift im Juni 2023. Das sind alarmierende Entwicklungen.
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Abfällige Blicke
Zwei Beispiel aus Europa: In Österreich hatte im Jahr 2019 jede dritte Person im Alter ab 15 Jahren einen BMI zwischen 25 und 30 kg/m2, die Adipositasprävalenz lag bei 16,5 Prozent. Anfang Dezember 2023 gab laut Süddeutscher Zeitung eine Studie des Tony Blair Institutes bekannt, dass inzwischen zwei Drittel der britischen Erwachsenen übergewichtig sind. „Der durchschnittliche britische Mann wiegt heute sechs Kilo mehr als 1993, die durchschnittliche Frau fünf Kilo.“ Den Staat koste das Übergewicht der Bevölkerung 98 Milliarden Pfund pro Jahr (etwa 114 Milliarden Euro). Es habe bereits Pläne gegeben, nach denen etwa Werbung für Junkfood verboten werden sollte, nach denen man in vielen Supermärkten bei Produkten wie Schokoriegeln zusätzlich einen umsonst bekomme. Diese Pläne wurden auf 2025 vertagt – auf die Zeit nach der nächsten Wahl in Großbritannien.
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Frank Mones ist bewusst, dass er sich täglich selbst darum kümmern muss, weiter abzunehmen und seine Gesundheit zu stärken. Seine Ärztin und Bekannte unterstützen ihn. Aber sobald er sich draußen aufhält, treffen ihn abfällige Blicke.
Dies ist ein Artikel der Digitalen Sonntagszeitung. Die Digitale Sonntagszeitung ist für alle Zeitungsabonnenten kostenfrei. Hier können Sie sich freischalten lassen. Sie sind noch kein Abonnent? Hier geht es zu unseren Angeboten.