Berlin. Die Hamas ist resistenter als gedacht. Die USA raten dazu, die Kriegsziele zu überprüfen. Israel steht vor einem strategischen Dilemma.
Seit Langem drängen die USA Israel, die Kampfhandlungen im Gazastreifen zu begrenzen. So sollen hohe Opferzahlen unter Zivilisten vermieden werden. Ein weiterer Grund ist offenbar, dass die israelische Offensive hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Das ist jedenfalls die Einschätzung der amerikanischen Geheimdienste.
Laut „Wall Street Journal“, das sich auf US-Geheimdienste beruft, hat Israels Armee IDF 20 bis 30 Prozent der Hamas-Kämpfer getötet. Darob erscheint das Kriegsziel zunehmend unrealistisch, die Terrororganisation vollständig zu vernichten.
Israel: Initiative für einen Waffenstillstand
Erst einmal setzt Israel seine Offensive im Süden des Gazastreifens fort. Das Militär durchkämmte die Großstadt Chan Junis und verlor dabei über 20 Soldaten. Derweil hat Regierungschef Benjamin Netanjahu offenbar der Hamas eine zweimonatige Feuerpause im Gegenzug für die Freilassung aller Geiseln angeboten. Berichten aus Ägypten zufolge lehnte die Hamas ab. Schließlich will Israel weiterhin verhindern, dass sie an der Macht bleibt.
Das könnte Sie auch interessieren: Einfach erklärt: Feuerpause oder Waffenstillstand?
Eine Feuerpause und anschließend ein Waffenstillstand wären allerdings die ersten Schritte zu einem diplomatischen Prozess. Hinter den Kulissen vermitteln insbesondere die USA, Ägypten und Katar.
Für USA geht es nicht mehr um die Zerstörung der Hamas
Prinzipiell schätzen Israel wie die USA die Zahl der Hamas-Kämpfer auf 25.000 bis 30.000. Die Israelis wollen 9.000 Terroristen getötet und gut 16.000 verwundet haben. Die Amerikaner kommen mit ähnlichen Ergebnissen zu einem ernüchternden Ergebnis, denn:
- der Großteil der Verwundeten sei genesen und kämpfe wieder gegen Israel;
- die Hamas habe auch genug Munition, um monatelang weiterzumachen;
- in Gaza-Stadt kehrten ihre Polizeikräfte zurück, um dort die Kontrolle zu übernehmen, wo sich die Israelis zurückziehen.
Das „Wall Street Journal“ berichtet, die US-Regierung habe ihre Erwartungen an die Kriegsziele heruntergestuft. Es gehe nicht mehr darum, die Hamas vollständig zu vernichten, sondern sie so zu schwächen, dass die Bedrohung abnimmt.
Hass für neue Generationen von Kämpfern
Zuletzt hatten die israelischen Militärs angekündigt, die Zahl der Truppen und der Angriffe im nördlichen Gazastreifen zu reduzieren. Und tatsächlich ging dort die Zahl der täglichen Todesopfer laut UNO signifikant zurück, seit Oktober um fast zwei Drittel.
Lesen Sie auch: Israel: Hamas-Opfer berichtet von unglaublicher Flucht
Das strategische Dilemma ist, dass eine Freilassung der Geiseln nur um den Preis eines Waffenstillstands zu haben ist; und ein Waffenstillstand wiederum nur um den Preis, dass die Hamas überlebt. Mehr noch: Mit dem derzeitigen Vorgehen Israels, gab der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Rande des EU-Außenministertreffens vor Journalisten zu bedenken, werde der „Hass für Generationen“ geschürt.
Für die Hamas wäre es vermutlich die nächste Generation von Kämpfern.
Auch interessant: Israel und Libanon: So groß ist die Kriegsgefahr jetzt
- Gerichtsurteil: Paukenschlag in Israel – Ultraorthodoxe müssen zur Armee
- Verletzter Verdächtiger: Palästinenser auf Motorhaube gebunden – Empörung über Israels Militär
- Regierung unter Druck? Massenproteste in Israel – größte Demo seit Monaten
- Islamisten: Stärkste Angriffe seit Kriegsbeginn – Hisbollah beschießt Israel
- Nach Rettung: Geisel Noa Argamani befreit – Das war ihr erster Wunsch