Berlin. Israels höchste Richter urteilen gegen ein Kernelemet der umstrittenen Justizreform. Die Anhänger Netanjahus reagieren empört.
Die Reform „führt zu einem schweren und beispiellosen Schaden für den demokratischen Charakter des Staates Israel“: Mit dieser Begründung hat Israels Oberster Gerichtshof die umstrittene Justizreform der Regierung unter Benjamin Netanjahu aufgehoben. Die Justizreform hatte im ersten Halbjahr 2023 Massenproteste und Streiks in ganz Israel ausgelöst. Trotz dieser Proteste brachte Netanjahus Koalition einen ersten Teil der Reform als Grundgesetzänderung durchs Parlament. Dieser Teil wurde nun vom Höchstgericht für ungültig erklärt.
Noch nie zuvor hat der Oberste Gerichtshof in ein Grundgesetz eingegriffen. Diesmal hielten es acht der fünfzehn Höchstrichter für notwendig.
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Justizreform sorgte für massive Proteste in Israel
Mit der Grundgesetzänderung hatte die Regierung die Macht des Obersten Gerichtshofs beschnitten. Konkret wurde dem Höchstgericht die Möglichkeit genommen, Entscheidungen der Regierung aufzuheben, weil sie „grob unangemessen“ sind – etwa im Fall von korrupten Entscheidungen oder Begünstigungen von Freunden bei der Vergabe von Stellen. Kritiker warfen der Regierung vor, sich freie Bahn für Machtmissbrauch geben zu wollen.
Erwartungsgemäß empört reagierten Netanjahus Koalitionsfreunde auf die Entscheidung, die Montagabend bekannt gegeben wurde. Justizminister Jariv Levin, einer der Architekten der Reform, warf dem Höchstgericht vor, „alle Befugnisse an sich zu reißen, die in einer Demokratie auf die Gewalten aufgeteilt sind“.
Parlamentssprecher Amir Ohana, ein treuer Verbündeter Netanjahus, warf dem Höchstgericht vor, seine Kompetenzen zu überschreiten. „Es ist offensichtlich, dass der Oberste Gerichtshof keinerlei Befugnis hat, Grundgesetze für nichtig zu erklären.“
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Israel: Unklar, ob Netanjahu das Urteil anerkennt
Das sehen viele Verfassungsjuristen anders. Selbst jene Mitglieder des Höchstgerichts, die nun gegen die Aufhebung der Reform stimmten, sind mehrheitlich der Ansicht, dass der Oberste Gerichtshof Grundgesetze aufheben darf, wenn sie der Demokratie schweren Schaden zufügen. Im aktuellen Fall waren zwölf der fünfzehn Höchstrichter dieser Meinung. In Israel können Regierungen Grundgesetze sehr leicht ändern, sie brauchen dafür nur die Stimmen ihrer eigenen Koalitionsabgeordneten im Parlament.
Im Januar des Vorjahres hatte Justizminister Levin ein umfangreiches Paket präsentiert, durch das der Oberste Gerichtshof entmachtet und Richter in allen Gerichten unter politische Kontrolle gebracht werden sollten. Aufgrund der massiven Proteste verzögerte sich die Umsetzung, erst im Juli wurde ein erster Teil des Pakets durchs Parlament gebracht. Zivilgesellschaftliche Organisationen beschwerten sich dagegen beim Höchstgericht.
Vor dem Krieg hatten Teile von Netanjahus Regierung angedeutet, sie würden eine Aufhebung der Reform nicht akzeptieren und einfach so tun, als wäre das Gesetz noch in Kraft. Angesichts des Kriegs in Gaza ist das nun nicht zu erwarten. Der Justizminister kündigte an, für die Dauer des Kriegs „mit Zurückhaltung und Verantwortungsbewusstsein“ vorzugehen.
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