Jerusalem. Israel soll bereits Meerwasser in die Tunnel der Hamas pumpen. Wie das funktioniert und welche katastrophalen Folgen es haben kann.
Große Mengen an Meerwasser in die Tunnel der Hamas zu pumpen, um die Terroristen zu besiegen: Diese Idee wird schon seit Längerem diskutiert. Nun wurde bekannt, dass Israel mit dem Fluten der unterirdischen Tunnel im Gazastreifen bereits begonnen hat.
Was ist über die Flutung der Tunnel bekannt?
Laut einem Bericht des „Wall Street Journal“, der von Israel nicht bestätigt wurde, hat die israelische Armee bereits vor einiger Zeit damit begonnen, die unterirdischen Tunnel der Hamas im Gazastreifen mit Meerwasser zu fluten – wann genau, ist unbekannt. Die Zeitung beruft sich auf US-Beamte, die von Israel gebrieft worden sein sollen. Ein Vertreter der israelischen Armee wollte sich am Mittwoch auf Anfrage nicht dazu äußern.
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„Die Armee hat ein breites Spektrum an Techniken, um mit der Gefahr der Tunnel umzugehen, aber ich kann Ihnen keine Details nennen“, sagte der Vertreter der Streitkräfte. Vor wenigen Tagen hatte Israels Generalstabschef Herzi Halevi erklärt, das Fluten der Tunnel sei „eine gute Idee“. Mehr sagte er dazu nicht. Die Pläne unterliegen strengster militärischer Geheimhaltung. Die Armee will vermeiden, dass sich die Hamas durch konkrete Angaben auf die Flutungen vorbereiten kann.
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Wie läuft die Flutung der Tunnel ab?
Laut Berichten hat Israel schon vor mehreren Wochen fünf bis sieben Pumpen im Norden Gazas aufgestellt. Diese Pumpen sollen die Tunnel mit Tausenden Kubikmetern Meerwasser pro Stunde fluten können. Zumindest ein Teil der Pumpen soll sich nahe des Al-Shati-Flüchtlingscamps in Gaza-Stadt befinden.
Was erhofft sich Israel von der Flutung?
Die Tunnel sind in diesem Krieg besonders wichtig: Um die Hamas zu besiegen, müssen die unterirdischen Arsenale zerstört werden und die Kommandanten der Terroristen, die sich in den Tunnel-Bunkern verstecken, herausgelockt werden. Zum Teil sind israelische Soldaten schon in die Tunnel eingedrungen, das ist aber äußerst riskant. Ein Experte spricht von einem „360-Grad-Nahkampf“. Die Soldaten müssen jederzeit damit rechnen, aus allen Richtungen angegriffen zu werden. Zudem sind an vielen Tunneleingängen Sprengsätze angebracht.
Zwar ist es möglich, mit Hundestaffeln auszutesten, ob den Soldaten in den Tunneln Gefahr droht. Solche Einsätze sind aber zeitaufwändig, und Israels Armee steht unter dem Druck der USA, die Bodenoffensive bald zu beenden. Das Fluten der Tunnel ist eine effizientere Lösung – allerdings auch eine äußerst umstrittene. Das liegt nicht zuletzt daran, dass man nicht genau sagen kann, wer sich in den Tunneln aufhält.
Könnte es sein, dass sich in den Tunneln noch Geiseln aufhalten?
Ja, das ist nicht auszuschließen. Die israelische Armee hat keine vollständigen Informationen über die Aufenthaltsorte der Geiseln. Laut Zeugenberichten der freigelassenen israelischen Geiseln wurden die Gekidnappten zum Teil alle paar Tage an einen neuen Ort verschleppt, weil die Terroristen vor den näherrückenden Armeeinheiten flüchteten. Es ist für die Armee also schwer, sich ein Bild der Lage zu verschaffen. Soweit bekannt ist, haben die israelischen Streitkräfte bis jetzt nur Tunnelabschnitte im Norden des Gazastreifens geflutet. Sollten die Terroristen die Geiseln in den Süden gebracht haben, wo die Angriffe der Armee weniger intensiv sind, wäre das eine gute Nachricht für die Angehörigen der Geiseln. Die Familien der Verschleppten sind höchst besorgt, was die Flutung der Tunnel betrifft. Sie werfen der Regierung unter Benjamin Netanjahu vor, sich nur auf den Kampf gegen die Hamas zu konzentrieren und das Schicksal der Verschleppten diesem Ziel unterzuordnen.
Welche Risiken bringt die Flutung mit sich?
Neben der Gefahr, dass bei der Flutung auch die rund 130 Geiseln zu Schaden kommen könnten, gibt es noch einige weitere Risiken, die man einkalkulieren muss. Man kann davon ausgehen, dass die Tunnel der Hamas nicht hundertprozentig dicht sind. Durch die Spalten und Löcher in den Betonplatten wird also Salzwasser in den Boden eindringen. Da Gaza auf Sand gebaut ist, birgt das einige Gefahren. Experten warnen vor Sinklöchern, die Häuser und Straßen zum Einsturz bringen können. Oft zeigen sich solche Nachwirkungen erst lange nach der Flutung. Das hat auch schwerwiegende Folgen für den Wiederaufbau im Gazastreifen, wenn der Krieg vorbei ist.
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Auch für die Umwelt sind schwere Schäden zu erwarten. Durch das Meerwasser werden die Böden und das Grundwasser versalzt und verschmutzt. Schon jetzt leidet die Bevölkerung im Gazastreifen unter chronischem Mangel an Trinkwasser. Was an Brunnenwasser verfügbar ist, ist schon jetzt von äußerst schlechter Qualität, da sich das Grundwasser aufgrund der niedrigen Wasserstände mit Meerwasser vermischt.
Sollte sich dieses Problem verschärfen, wäre die Wasserversorgung für viele Generationen gefährdet. Die Versalzung der Böden wird auch Probleme beim Ackerbau bringen. Das zeigte sich bereits 2015, als Ägypten nur einen kleinen Abschnitt der Tunnel flutete, um Schmuggelrouten von Ägypten nach Gaza zu unterbrechen. Die Bauern in Gaza klagten damals über zerstörte Böden und massive Ernteausfälle. Die Schäden an den Böden und am Trinkwasser könnten sich nicht nur auf den Gazastreifen beschränken, sondern auch den angrenzenden Süden Israels betreffen, warnen Umweltexperten.