Jerusalem. Anhaltende Kämpfe machen Ärzten das Arbeiten in den Krankenhäusern des Gazastreifens nahezu unmöglich. Die Folgen sind katastrophal.
Kein Wasser, kaum Strom – und Essen aus Konservendosen, das längst nicht für alle reicht: Als „katastrophal“ beschreibt der Direktor des Al-Schifa-Krankenhauses in Gaza-Stadt die Lage in der größten Klinik des Gazastreifens. Nachdem bei Luftangriffen ein Generator beschädigt worden sei, habe es keinen Strom gegeben. Die Ärzte hätten teils bei Kerzenlicht behandeln müssen. Mehrere Beatmungsgeräte hätten nicht mehr am Laufen gehalten werden können. Zwei neugeborene Babys, die nach einer Frühgeburt im Inkubator lagen, seien gestorben, auch ein erwachsener Intensivpatient habe den Stromausfall nicht überlebt.
Überprüfbar sind diese Angaben nicht. Israels Armee bestätigt aber „intensive Kämpfe“ in der Nähe des Krankenhauses, in dem sich, wie die Deutsche Presse-Agentur dpa laut Augenzeugen berichtet, immer noch rund 10.000 Menschen aufhalten sollen. „Alles wäre viel einfacher, wenn die Hamas die Krankenhäuser verlassen würde“, sagt ein Kommandant der Bodentruppen im Online-Gespräch mit Journalisten. Im Untergrund des Schifa-Krankenhauses befindet sich laut israelischen Angaben ein Hauptquartier der Qassam-Brigaden der Hamas, die Klinikleitung bestreitet das.
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Seit vier Wochen ruft die Armee alle Krankenhäuser im Norden des Gazastreifens dazu auf, die dort Untergebrachten zu evakuieren. Beim größten Teil der Menschen handelt es sich laut Augenzeugenberichten nicht um Patienten und Klinikpersonal, sondern um Zivilisten, die Schutz vor den massiven Bombardierungen suchen. Einige der Zivilisten hatten sich in den vergangenen Tagen schon auf den Weg in den Süden gemacht oder sind bereits dort angekommen – darunter auch Ärzte und Pfleger des Krankenhauses. Die israelischen Streitkräfte haben zwei Nord-Süd-Routen für die Binnenflüchtlinge geöffnet, laut einem Sprecher der Armee wurde die tägliche Feuerpause von vier auf sieben Stunden verlängert.
Israelische Armee dementiert Luftangriffe auf Kliniken
Die israelischen Streitkräfte kündigten an, die Evakuierung der beatmeten Frühchen zu unterstützen. „Wir werden den Babys helfen, in ein sichereres Krankenhaus zu gelangen“, sagte der Armeesprecher. Ob es sich um eine Klinik in Gaza oder in Ägypten handelt, ist unklar. Eine Augenzeugin erklärt, warum sich immer noch Tausende Menschen in den Krankenhäusern befinden: „Sie hören, dass Menschen auf dem Weg in den Süden erschossen worden sind und dass auch auf den Süden Bomben fallen, und dann sagen sie: Warum soll ich auf dem Weg mein Leben riskieren, wenn ich im Süden erst recht nicht sicher bin?“
Mehrere Einschläge im Innenhof des Krankenhauses habe es bereits gegeben, erzählt Al Schifa-Direktor Mohammad Abu Salamija. Dabei soll auch ein Teil der Intensivstation beschädigt worden sein. Der Manager spricht von „israelischen Angriffen“, die Armee bestreitet aber, das Krankenhausgelände aus der Luft attackiert zu haben. Prüfungen hätten ergeben, dass es sich um eine fehlgezündete Rakete der Terrorgruppen in Gaza handelte, erklärt Armeesprecher Daniel Hagari. Überprüfbar ist das nicht.
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„Wir werfen keine Bomben auf Al-Schifa, wir schießen nicht auf Krankenhäuser“, beharrt auch Armeesprecher Richard Hecht, fügt aber hinzu: „Wenn wir Terroristen sehen, die von dort aus schießen, dann tun wir, was zu tun ist. Wenn wir Terroristen sehen, töten wir sie.“ Die Armee sei sich aber „der Sensibilität bewusst“.
Klinik in Gaza: Es fehlen Anästhetika und Blutkonserven
Al-Schifa ist zwar das größte Krankenhaus, aber nicht das einzige, das wegen der Kämpfe die Patienten nicht oder nur eingeschränkt versorgen kann. Das vom Roten Halbmond betriebene Al-Quds-Krankenhaus am Rand von Gaza-Stadt gab am Sonntag bekannt, man sei „nicht mehr im Betrieb“. Grund sei ein Blackout. Von den 18 Krankenwägen der Rettungsorganisation seien nur noch sieben im Einsatz, es fehle an Treibstoff.
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Auch das von einer christlichen Vereinigung betriebene Al-Ahli-Krankenhaus, das nun viele der von den anderen Krankenhäusern abgewiesene Patienten behandeln muss, berichtet von prekären Zuständen. Es fehle an Anästhetika, chirurgische Eingriffe müssten ohne Betäubung durchgeführt werden. Laut einem der Chrirurgen, Ghassan Abu Sitta, gingen zudem die Vorräte an Blutkonserven zur Neige. „Patienten sterben nach der Operation, weil wir ihnen keine Transfusionen geben können“, sagt Abu Sitta.
Flüchtlinge befürchten, dass es kein Zurück mehr gibt
Die Weltgesundheitsorganisation WHO äußerte am Sonntag „ernste Sorgen um die Sicherheit des Gesundheitspersonals und der Hunderten kranker und verwundeter Patienten“. Die Organisation fordert eine sofortige Waffenruhe in Gaza. „Das ist der einzige Weg, um Leben zu retten und das furchtbare Ausmaß an Leid zu mildern“, heißt es in einem Statement der WHO. Laut israelischen Regierungsangaben gibt es in Gaza inzwischen 1,7 Millionen Binnenflüchtlinge – das entspricht fast drei Viertel der Bevölkerung im Gazastreifen. Wann sie wieder in ihre Wohngegenden zurückkehren können, ist völlig ungewiss, zumal sich die israelische Armee auf monatelange Kämpfe einstellt.
Vielmehr befeuern Aussagen mancher israelischer Politiker die Ängste der Menschen in Gaza, dass es eine Rückkehr nach Hause vielleicht nie mehr geben könnte: Landwirtschaftsminister Avi Dichter von Benjamin Netanjahus Likud-Partei erklärte in einem TV-Interview, man erlebe nun „die Gaza-Nakba“. Unter Nakba versteht die arabische Geschichtsschreibung die Massenvertreibung von Palästinensern rund um das Jahr 1948. Die Mehrheit der Bewohner von Gaza sind Nachkommen dieser Vertriebenen oder mussten selbst flüchten.
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