Gaza/Berlin. Die Familie Barak hat es geschafft, aus dem Gazastreifen zu entkommen. Doch ihr Freund hat die dramatische Flucht nicht überlebt.
Haigar Barak klingt am Telefon noch immer aufgewühlt. „Sie glauben nicht, was wir Schlimmes erlebt haben. Es war einfach unbeschreiblich. So viele Raketen. Ich kann nicht aus dem Hotel herausgehen, weil ich immer noch Angst habe, dass die Raketen kommen.“ Die 76-Jährige war vier Wochen lang zusammen mit ihrem Ehemann Ali Barak (82) im Gazastreifen eingeschlossen. Am Dienstag ist sie endlich mit anderen deutschen Staatsbürgern aus der Hölle herausgekommen.
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Das Ehepaar Barak kommt aus Krefeld. Ali Barak ist 1964 nach Deutschland gekommen und hat viele Jahre in einer Textilfabrik gearbeitet. Er hat wie seine Frau Haigar schon lange einen deutschen Pass. Im August reist das betagte Ehepaar in den Gazastreifen. Ali Barak will vor seinem Tod noch einmal den Olivenbaum-Hain seiner Familie in Abasan im Südosten des Landstrichs besuchen.
„Wir hatten nur die Kleidung an unserem Körper“
Die Terrorattacke der Hamas am 7. Oktober überrascht die beiden völlig. Kurze Zeit später fliegen die ersten israelischen Raketen in den Gazastreifen. „Wir sind aus unserem Haus geflohen, haben dort alles zurückgelassen: unser Geld, den Schmuck. Wir hatten nur die Kleidung an unserem Körper“, berichtet Haigar Barak. Sie ist jetzt mit ihrem Mann in einem Hotel in der ägyptischen Hauptstadt Kairo. Sie haben eine Odyssee hinter sich.
Nach dem Beginn des Krieges flüchten die beiden von Abasan an den ägyptischen Grenzübergang nahe Rafah im Süden des Gazastreifens. Als in der Gegend des Grenzübergangs Raketen einschlagen, flüchten sie nach Bani Suheila, kommen dort bei Bekannten unter. Sie lassen sich auf eine Evakuierungsliste des Auswärtigen Amtes setzen. In der Heimat versuchen ihre Kinder verzweifelt, die Eltern aus dem Gazastreifen herauszuholen. Ihre Tochter telefoniert ständig mit den Behörden, die Kommunikation sei aber eine „Katastrophe“ gewesen.
Verzweiflung macht sich breit
Die Baraks gehen in den nächsten Wochen durch ein Wechselbad extremer Gefühle. Mal keimt Hoffnung auf, die Grenze bei Rafah werde für Ausländer geöffnet. Mal wird diese Hoffnung wieder zunichtegemacht. Das Auswärtige Amt verhandelt hektisch mit den israelischen und ägyptischen Behörden, um die Deutschen aus der Kriegszone zu holen. Die deutsche Botschaft in Tel Aviv informiert die Eingeschlossenen über ihr Vertretungsbüro in Ramallah.
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Die „Landsleutebriefe“ wirken manchmal fast zynisch. „Mit den besten Grüßen und passen Sie auf sich auf“, endet eine Benachrichtigung vom 14. Oktober, in der es zuvor knapp heißt: „Ein Ausreisefenster ist für heute nicht mehr vorgesehen.“ Am 1. November können die ersten Deutschen aus dem Gazastreifen heraus. Es sind Mitarbeiter von Hilfsorganisationen. Auf der Evakuierungsliste, die für den 2. November publik wird, stehen Menschen aus fünfzehn Ländern. Deutsche sind nicht darunter. Bei den Baraks macht sich Verzweiflung breit.
Die erlösende Nachricht
Das alte Ehepaar ist mittlerweile in einem Krankenhaus in Rafah untergekommen. Hunderte Menschen haben dort Schutz gesucht. Sie übernachtet in einem Saal, ihr Mann muss draußen im Garten des Krankenhauses schlafen. Über ihre Flucht erzählt sie: „Manchmal haben wir Brot bekommen. Aber wir konnten uns nie waschen, es gab kein Wasser.“ Ihr Mann wird krank, sie bricht mit einem Kreislaufkollaps zusammen.
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In der Nacht auf Dienstag dann die erlösende Nachricht. Der Name des Ehepaars steht auf der Evakuierungsliste. Ein alter Freund, auch er ist über 80 Jahre alt und Deutscher, erleidet einen Herzinfarkt, er stirbt. „Wir haben andere Menschen gebeten, ihn zu begraben“, erzählt Haigar Barak. Sie steigen in einen Bus, der sie an die Grenze bringt. Auf dem kurzen Weg zittern die beiden aus Angst vor den Raketen und davor, vielleicht doch nicht herauszukommen.
„Wir werden psychologische Hilfe brauchen“
Die Hamas hält die Flüchtenden nicht auf. Von den Terroristen, die den Krieg ausgelöst haben und die sich in den Tunneln unter Gaza verbergen, bekommen sie in den vier Wochen nichts mit. „Die waren für uns nicht zu sehen“, sagt Barak. Als sie endlich die Grenze überqueren, warten Deutsche auf sie, vermutlich Mitarbeiter der Botschaft in Kairo. „Sie haben uns in die Arme genommen und mit uns geweint. Sie haben uns sehr gut geholfen“, sagt Haigar Barak. Die ägyptischen Behörden haben ihnen und den anderen Ausländern, die aus Gaza herausgekommen sind, 48 Stunden gegeben, das Land zu verlassen. Jetzt versuchen sie, so schnell wie möglich an ein Rückflugticket zu kommen.
„Wir sind glücklich, dass wir jetzt endlich heraus sind. Aber wir werden psychologische Hilfe brauchen“, sagt Haigar Barak.
Wenige Stunden nachdem die Baraks in Ägypten angekommen sind, vermeldet Außenministerin Annalena Baerbock, dass bislang mehr als 200 Deutsche aus dem Gazastreifen ausgereist seien. Wie viele noch eingeschlossen sind, ist nicht klar.